Schweiz: Geheimtreffen zwischen Bafu und Mobilfunkgegnern (Allgemein)
Mobilfunkkritiker und Mobilfunkgegner haben eine stark ausgeprägte selektive Risikowahrnehmung. Dies führt in der Anti-Mobilfunk-Szene häufig zu dramatisierten Meldungen, die bei Fachleuten Kopfschütteln auslösen Laien hingegen beunruhigen können. Gigaherz-Präsident Jakob ist eine Drama-Queen ersten Ranges. Dennoch wurde auch er im März 2022 vom Schweizer Bundesamt für Umwelt (Bafu) zum bilateralen Gedankenaustausch eingeladen.
Eine Kostprobe seiner verzerrten Risikowahrnehmung serviert Hans-U. Jakob mit seinem Jahresrückblick 2022. Darauf detailliert einzugehen ist nicht nötig, denn der Gigaherz-Präsident repetiert in seinem Beitrag lediglich kurz das, was er im vergangenen Jahr auf seiner Website ausführlich verwurstet hat. Soweit darauf einzutreten war, haben wir hier im Forum die schönsten Einlassungen des Alm-Öhis, wie er sich zuweilen selbst bezeichnet, bereits gewürdigt.
Sein Versprechen gleich zu Beginn des Jahresrückblicks, "die vollständigen Texte zu den nachfolgenden Kurzberichten können Sie in chronologischer Reihenfolge hier abrufen: https://www.gigaherz.ch/category/archiv", hält Jakob an einer Stelle jedoch nicht. Und diese Stelle, zu der es keinen "vollständigen Text" gibt, lautet:
Am Donnerstag, 31. März fand ein 3-stündiges Treffen zwischen den Spitzen des BAFU und Delegierten der Schutzorganisationen vor NIS statt.
Das Wichtigste aus dem Protokoll:
Das BAFU bestätigt, dass man unterdessen mit 5-10% der Bevölkerung rechne, die mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Folge von nichtionisierender Strahlung leben müssen. Das wären dann allein in der Schweiz 400’000 bis 800’000 Menschen. Infolge der Dunkelziffer wohl eher 800’000!
Währenddem Bundesrichter immer noch von ideelen Immissionen, also von eingebildeten Kranken sprechen. Wie lange wollen wir uns Solches noch gefallen lassen?
Ein weiterer wichtiger Punkt: Das BAFU gibt erstmals offiziell zu, dass weder die kantonalen Vollzugsbehörden, noch das BAKOM auf die in den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber eingestellten Sendeparameter Einsicht habe. Und dass die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung einzig und allein von einem Formular abhängt, in welchem die Mobilfunkbetreiber alle 2 Wochen dem BAKOM (Bundesamt für Kommunikation) mitteilen sollten, auf welchen ihrer 22’000 Mobilfunk-Sendeanlagen sie allenfalls die Strahlungsgrenzwerte nicht eingehalten hätten. Halleluja!
Da schau her, die "Spitzen des Bafu" sollen sich mit den Delegierten selbsternannter sogenannter Schutzorganisationen getroffen haben. Darüber hat Gigaherz-Jakob bislang auf seiner Website kein Sterbenswörtchen verlauten lassen. Eine Schnellprüfung bei den "Schutzorganisationen" funkstrahlung.ch und Diagnose-Funk Schweiz führte zum gleichen Ergebnis. Und auch das Bafu schweigt auf seiner Website eisern über das Gipfeltreffen.
Wegen Jakobs großer Lust am Verdrehen von Tatsachen habe ich erhebliche Zweifel an seiner Darstellung des Geheimtreffens. Seine Ausführungen zu "Elektrosensiblen" können aus meiner Sicht z.B. leicht so (miss-)verstanden werden, das Bafu habe einen Kausalzusammenhang bestätigt zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen von fünf bis zehn Prozent "Elektrosensiblen" im Land und der Exposition mit Funkstrahlung. Wäre dies so, die Schweiz wäre das weltweit erste Land, das einen solchen Kausalzusammenhang, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand, amtlich eingeräumt hätte. Das aber ist kaum anzunehmen, denn die wissenschaftliche Konsensmeinung geht nach Jahrzehnten der "Elektrosensiblen"-Forschung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, die Symptome der Betroffenen haben mit Funkstrahlung ursächlich nichts zu tun.
Was also haben Ende März 2022 die "Spitzen des Bafu" gegenüber Jakob und Co. wirklich geäußert? Um darüber verbindlich Auskunft geben zu können, löcherte ich das Amt mit einem kurzen Fragenkatalog:
Frage 1: Ich gehe davon aus, dass die Initiative für das Treffen vom Bafu ausging. Was aber versprach sich das Amt von diesem Treffen? Gab es keine Bedenken, die sogenannten Schutzorganisationen mit der Einladung zur Teilnahme unbeabsichtigt aufzuwerten? Und wer hat vonseiten Bafu und vonseiten der Kritiker an dem Treffen teilgenommen?
Das Amt antwortete, es führe regelmäßig Treffen mit verschiedenen Stakeholdern durch. Im Bereich der nichtionisierenden Strahlung unter anderem mit den Mobilfunkbetreibern oder den Schutzorganisationen. Dies sei üblicher Bestandteil der behördlichen Arbeit. Öffentlich dokumentiert würden derartige Treffen jedoch nicht. Die Frage nach den Teilnehmern des Treffens ließ das Amt erwartungsgemäß unbeantwortet.
Frage 2: Entspricht die Behauptung von Herrn Jakob (Das BAFU bestätigt, [...]) den Tatsachen oder wird der tatsächliche Sachverhalt verzerrt wiedergegeben?
Hierzu schreibt das Amt, der Anteil elektrosensibler Personen in der Bevölkerung liege je nach Studie zwischen fünf und zehn Prozent. Als elektrosensibel würden Menschen bezeichnet, die sich in ihrer Gesundheit oder ihrem Wohlbefinden durch nichtionisierende Strahlung beeinträchtigt fühlten. Bisher habe ein Zusammenhang zwischen den von betroffenen Personen genannten Beschwerden und der Belastung durch nichtionisierende Strahlung mit wissenschaftlichen Methoden nicht nachgewiesen werden können. Die Leiden elektrosensibler Menschen wären jedoch real, und es sei allgemein anerkannt, es brauche weitere Studien, um die Ursachen für die Beschwerden besser zu verstehen. Zur Unterstützung von elektrosensiblen Personen richte das Bafu zusammen mit einem universitären Institut für Hausarztmedizin eine medizinische Informations- und Beratungsstelle ein. Dieses Zentrum soll gegen Ende des Jahres 2023 einsatzbereit sein. Wer sich die Frage stellt, was die Behörden für Personen tun, die sich durch die Strahlung von Mobilfunkanlagen beeinträchtigt fühlen, den verweist das Bafu auf die Website 5g-info.ch.
Frage 3 (Qualitätssicherungssysteme für Mobilfunkanlagen): Verspräche sich das BAFU von einer "Einsicht auf die eingestellten Sendeparameter" überhaupt einen substanziellen Mehrwert für die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung oder wäre dies aus Ihrer Sicht eher eine ABM?
Im Frühling 2005, so das Amt, habe das Bundesgericht im Entscheid 1A.160/2004 befunden, der Betrieb von Mobilfunkantennen müsse besser kontrolliert werden als bisher, insbesondere sei zu gewährleisten, dass bewilligte Sendeleistungen und Senderichtungen eingehalten werden. Um dieser Forderung des Bundesgerichts nachzukommen, habe das Bafu am 16. Januar 2006 in einem Rundschreiben die Einrichtung eines Qualitätssicherungssystems (QS-System) in den Steuerzentralen der Netzbetreiber empfohlen. Das QS-System soll durch eine unabhängige Stelle periodisch geprüft und beglaubigt werden.
Es handle sich dabei um eine Datenbank, in welcher für jede einzelne Antenne die eingestellten Werte für die Senderichtung und die maximale Sendeleistung erfasst und mindestens einmal täglich mit den bewilligten Einstellungen verglichen werden. Überschreitungen müssen innerhalb von 24 Stunden behoben werden, sofern dies durch Fernsteuerung möglich ist, andernfalls innerhalb einer Arbeitswoche. Die Vollzugsbehörden würden über alle allfälligen Überschreitungen informiert und hätten zur Kontrolle auch uneingeschränkte Einsicht in die Datenbank. Dass es sich dabei nicht um einen Online-Zugriff handelt, sei keine Überraschung. Denn im Bericht der Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» vom 18. November 2019 fänden sich folgende Ausführungen dazu:
«Die NIS-Fachstellen haben keinen direkten Zugriff auf die internen QS-Datenbanken der Betreiber. Sie werden aber zweimonatlich schriftlich über alle Abweichungen und deren Behebung informiert. Auf Verlangen haben die Betreiber den Behörden uneingeschränkte Einsicht in ihre Datenbanken zu gewähren. Die NIS-Fachstellen haben jedoch jederzeit die Möglichkeit, die Betriebs- und Bewilligungsdaten aller Anlagen in einer Datenbank des BAKOM einzusehen und zu kontrollieren. Die Betreiber sind verpflichtet, die Betriebsdaten für die BAKOM-Datenbank zur Verfügung zu stellen und alle zwei Wochen zu aktualisieren.» (S. 71)
Für weitere Informationen zu dem QS-System verweist das Amt auf die Websites ...
► (Bafu) Qualitätssicherung zur Einhaltung der Grenzwerte der NISV bei Mobilfunkanlagen (admin.ch)
► (Schweizer Parlament, Interpellation 21.3117) Adaptive Antennen. Wer ist beim Qualitätssicherungssystem wirklich für die Einhaltung der Grenzwerte verantwortlich?
Frage 4: Herr Jakob befürchtet offensichtlich, das Bafu werde seiner Aufsichtspflicht (NIS) nicht gerecht, da dem Amt zur Beurteilung des rechtmässigen Betriebs einer Mobilfunkanlage keine unabhängig erhobenen Daten vorliegen, sondern ausschließlich von den Mobilfunknetzbetreibern erhobene Daten. Was würden Sie dem Gigaherz-Präsidenten entgegnen?
Diese Frage ließ das Amt unbeantwortet, mutmaßlich wegen des Sachzusammenhangs der Antwort zu Frage 3.
Nachtrag vom 26.12.2023: Das Bafu hat von dem "Geheimtreffen" mit organisierten Mobilfunkgegnern einen Bericht angefertigt, der vieles klärt und von Gigaherz seit September 2023 zum Download angeboten wird. Mehr dazu mit Downloadlink hier.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –