Kundi und Belyaev stehen bei Beklagten auf der Abschussliste (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 10.02.2023, 00:33 (vor 686 Tagen) @ Alexander Lerchl

In besagtem Bericht der Anhörung schreibt der Richter wenig Schmeichelhaftes über Professor Michael Kundi:

"Die Aussage von Dr. Kundi birgt die Gefahr der Voreingenommenheit, der Verwirrung und der Irreführung der Geschworenen“ sowie „In diesem Fall ist das Risiko einer Beeinträchtigung durch die Aussage von Dr. Kundi zwar nicht unbedeutend, aber es überwiegt nicht ‘wesentlich‘ den Beweiswert seiner Gutachten. Im Prozess werden die Beklagten jede Gelegenheit haben, Dr. Kundi ins Kreuzverhör zu nehmen und zu widerlegen, sein übermäßiges Vertrauen in die ‘begrenzten‘ epidemiologischen Daten in Frage zu stellen, auf die ‘begrenzten‘ Ergebnisse der Tierstudien hinzuweisen, seine Interpretation der In-vitro-Daten zu kritisieren, die widersprüchlichen Inzidenzdaten vorzulegen, die Hardell-Studien zu untergraben und zu versuchen, Dr. Kundi als ‘Angsthase‘ darzustellen.“ (S. 45 – 46). Übersetzt mit DeepL

Ja, aber das war im August 2014, als Klaus Scheidsteger seinen Märchenfilm "Thank You for Calling" über den angeblichen Doppel-Wumms im Prozess Murray vs. Motorola drehte. Im Nachhinein betrachtet ist der Film nicht mehr als eine hohle Nuss (Er: Du hohle Nuss! Sie: Hol sie doch selber :-)).

Michael Kundi ist jetzt nach der zweiten Anhörung, die diesmal gemäß den strengeren Daubert-Regeln stattfand, erneut unter Druck geraten. Nicht nur er, sondern auch Igor Belyaev. Nach der Anhörung behakten sich, wie in US-Schauprozessen üblich, die Anwälte der Kläger und der Beklagten im November und Dezember 2022 gegenseitig mit Schriftsätzen, in denen sie ihre Gutachter über den grünen Klee loben und die Gutachter der Gegenseite nach allen Regeln der Kunst abwatschen. So fordern die Anwälte der Kläger, das Gericht möge die beiden Gutachter der Beklagten nicht für die Verhandlung zulassen, ihre eigenen Gutachter hingegen ausnahmslos. Kurios: Die Kläger schlagen sogar den Text eines entsprechenden gerichtlichen Beschlusses vor, der in Formatierung und Layout wie ein tatsächlicher Beschluss aussieht. Richter Irving müsste das Papier nur noch unterschreiben und aus dem fiktiven Beschluss würde ein echter werden.

Die Anwälte der Beklagten feuern hingegen nicht auf alle Gutachter der Kläger, sondern nur auf Kundi und Belyaev. Kundi wird z.B. vorgeworfen, er bekunde einerseits öffentlich, HF-EMF sei tumorfördernd, andererseits habe er als Co-Autor der Mobi-Kids-Studie nachgewiesen, dass HF-EMF eben nicht tumorfördernd sei. Gemäß den Daubert-Regeln dürfte sich Kundi solche Widersprüche nicht erlauben. Und auf einmal wird auch klar, warum sich Wissenschaftler der Anti-Mobilfunk-Szene und ihre Helfershelfer so abmühen, die Resultate von Mobi-Kids gemäß ihren Interessen zu interpretieren*). Es geht mMn dabei nicht allein um die Studie, es geht auch um Murray vs. Motorola, denn wenn Mobi-Kids keine validen Resultate liefert, dann hilft das Kundi aus der Zwickmühle zu entkommen. Bei mehr als 1 Mrd. US$ Streitwert ist jedes Mittel recht, um die Faktenlage so zurecht zu kneten, wie man es braucht.

Dem Russen Belyaev hingegen wird z.B. vorgeworfen, er verwende mit seiner DNA-Analyse AVTD (anomalous viscosity time dependence) eine in Russland entwickelte Methode, die außer in seinem Labor nirgendwo sonst im Westen Anwendung findet, obwohl sie seit 25 Jahren bekannt ist. Belyaev hatte in der Anhörung gesagt, auch eine Wissenschaftlerin in Kanada verwende AVTD auf unabhängige Weise. Doch das wurde ihm widerlegt, die Kanadierin forschte damit nämlich nicht in Kanada, sondern bediente sich vorhandener Technik in Russland. Von den Anwälten in die Zange genommen musste Belyaev zugeben, dass die Kanadierin AVTD nicht unabhängig verwendet hat. Zudem musste er eingestehen, keinen Wissenschaftler außerhalb Russlands zu kennen, der mit AVTD arbeitet. Das Arbeiten mit einer allgemein anerkannten Methode ist jedoch eine zentrale Anforderung der Daubert-Regeln. Und weil sogar die milderen Freye-Regeln dies fordern, hat bereits Richter Weisberg 2014 Belyaevs AVTD-Methode ausgeschlossen, das heißt, damit erarbeitete Forschungsergebnisse sind im Prozess Null und Nichtig. Auch Richter Irving hat die Wahl, einen wackligen Gutachter entweder nicht zum Prozess zuzulassen oder ihn zuzulassen, aber unter bestimmten Auflagen. Doch soweit ist es noch nicht, denn noch ist das Verfahren in der Beweisaufnahme. Erst an deren Ende entscheidet der Richter, ob er den Fall zu den Akten legt oder die eigentliche Verhandlung zulässt, an deren Ende erst das Urteil ansteht. Wenn schon die Beweisaufnahme mindestens 22 Jahre dauert, dann lässt sich ausrechnen, die Älteren unter uns werden, wenn es überhaupt zur Verhandlung kommt, das Urteil wahrscheinlich nicht mehr erleben.

Tragisch ist, dass die sogenannte Kompetenzinitiative mit ihren angeblich jeden Widerstand niederwalzenden "Beweisstudien" für die Schädlichkeit von HF-EMF ausgerechnet bei Belyaev gelandet ist. Diese Truppe lässt nun wirklich keinen Fettnapf aus. In einen hinein gestiegen werden die nicht vorsichtig, sondern suchen geradezu den nächsten. Nein, vor den Kompetenzen der "Kompetenzinitiative" muss sich nun wirklich niemand fürchten, diese Herrschaften sorgen eher für Unterhaltung ...

Eine (wesentlich ausführlichere) Quelle habe ich selbstverständlich auch diesmal, nenne sie aber nicht. Ich habe mir einen Wolf gesucht, um sie aufzustöbern und denke nicht daran, sie gegenüber skrupellosen Leuten preiszugeben, die nur eines im Sinn haben: irrationale Ängste gegenüber HF-EMF wecken oder schüren.

[*) Ursprünglich hieß es an dieser Stelle, die Mobi-Kids-Studie würde "schlecht geredet". Das ist sachlich falsch, deshalb habe ich diese Passage am 13.02.2023 um 1:23 Uhr berichtigt und um einen Link ergänzt]

[Admin: Am 07.04.2023 das Akronym AVID auf AVTD berichtigt]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Doppelmoral, Motorola, Ko-Ini, Kundi, Scheidsteger, Belyaev, Ty4C, Mobi-Kids, Filmproduktion, Daubert, Geschaftsidee, AVTD, Irving, Kreuzverhör


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