Dr. Carlo fürchtete schon 1996 um sein Haus (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 21.02.2016, 20:31 (vor 3232 Tagen) @ H. Lamarr

In seinem jüngsten Film lässt Filmemacher Scheidsteger auch nicht die dramatische Story aus, der zufolge das Haus von George Carlo durch Brandstiftung in Schutt und Asche gelegt wurde. Die Art und Weise, wie der den Tränen nahe Carlo davon berichtet und Scheidsteger das dramaturgische Spitzenlicht setzt, die Brandstifter seien nie gefunden worden, lässt beim Betrachter keinen Zweifel aufkommen: Weil er sie verraten hat, bestrafte die Mobilfunkindustrie ihren abtrünnigen Forscher mit Abfackeln seiner Hütte. Man müsse froh sein, dass er noch am Leben ist.

Die Anti-Mobilfunk-Szene liebt solche Geschichten von hemmungslos gemobbten Anti-Mobilfunk-Wissenschaftlern, schon 2002, bei meinem Eintritt in die Szene, wurden mir solche Anekdoten mit glänzenden Augen erzählt. Über den Wahrheitsgehalt wissen die Erzähler nichts, sie kolportieren nur.

Doch stimmt das überhaupt, Carlos Story von der abgebrannten Bude?

Ich hatte daran schon immer Zweifel. Und heute habe ich zufällig die folgende Textpassage auf Sciencecorruption gefunden:

[The Wright case gives Carlo a fright. He says to another scientist "I almost lost my house, my car, and my boat."
He jointly owns, probably with Thorne Auchter and Jim Tozzi, a very large deep-sea sports fishing boat moared in Florida.]

Carlo wechselte 1999 die Seiten und wurde vom Leiter des WTR-Forschungsprogramms der Mobilfunkindustrie über Nacht zu einem Kritiker der Mobilfunkindustrie. Die genauen Umstände dieses Seitenwechsels sind nicht bekannt. Irgendwann danach soll Carlos Haus abgebrannt worden sein.

Nicht ins Bild passt das obige Zitat, das auf 1996 datiert ist, also auf einen Zeitpunkt, als Carlo mitten in seinem WTR-Programm war und die Mobilfunkindustrie noch glaubte, er würde für sie forschen und nicht gegen sie. Eine gewisse Debbra Wright hatte einen Hirntumor bekommen und klagte deshalb gegen Motorola und Carlo, der ihrer Einschätzung nach die Vertuschung von Gesundheitsrisiken des Mobilfunks betrieb. Carlo wurde von diesem Vorwurf zwar vom Gericht frei gesprochen, der Schreck, ins Visier von Wutbürgern geraten zu sein, ist ihm augenscheinlich jedoch heftig in die Glieder gefahren.

Der von Carlo und Scheidsteger so schön auf die Mobilfunkindustrie gelenkte Verdacht, er könnte ebensogut auf Debbra Wright oder irgendeinem anderen zutreffen, den Dr. Carlo sich in seiner beruflichen Karriere zum Feind gemacht hat. Und wer weiß, wie Elektroinstallationen in USA ausgeführt werden, der braucht gar keine Verschwörungstheorie, die den Brand erklärt, sondern wird auf gewöhnlichen Pfusch tippen. Und schlussendlich gibt es natürlich noch die Erklärung, dass der pfiffige Carlo nur im übertragenen Sinne den Verlust seiner weltlichen Güter befürchtete, nämlich wenn er des Komplotts mit der Mobilfunkindustrie schuldig gesprochen wäre.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Gerücht, Brandstiftung, Scheidsteger, WTR


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