Acht Milliarden Notrufe? (Medien)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 30.11.2006, 20:53 (vor 6800 Tagen) @ Gast

L. Geppert: Ich besitze zwar kein Handy, aber für Notfälle finde ich es durchaus sinnvoll.

Oooops! Hier unterliegt Lothar Geppert meiner Meinung nach einem Denkfehler. Wer Handys für Notfälle gut findet, nickt damit die flächendeckende Mobilfunkversorgung - wie wir sie heute haben - ab.

Denn wenn im Extremfall jeder Handynutzer sagt, er würde nur im Notfall telefonieren, dann müssten die Netzbetreiber dennoch lückenlose Funknetze übers Land ziehen, also den Dienst bereitstellen - denn schließlich will ja jeder im Notfall immer und überall eine Verbindung haben. Im vermeintlich günstigsten Fall hätten wir dann - wenn jeder nur im Notfall telefoniert - eine grobmaschigere Netzstruktur weil die Füllsender zur Kapazitätserhöhung wegfielen. Das aber bedeutet große Funkzellen (hohe Sendeleistung) und dies wiederum geht zu Lasten der unmittelbaren Anrainer der jeweiligen Basisstationen.

Außerdem ist es ein Irrtum, zu glauben, dass, wenn z. B. in Deutschland kein einziges Handytelefonat geführt wird, auch alle Sendemasten schweigen. Das ist beim überall verbreiteten GSM-Funknetz nicht der Fall, denn da bläst immer der so genannte Organisationskanal (der nebenbei auch Platz für sieben Gespräche bietet) mit voller Sendeleistung in die Gegend - nur so kann ein Handy am Rande der Funkzelle die Basisstation überhaupt "sehen", um ggf. einen Notruf absetzen zu können. Das heißt: Pro Funkzelle können bis zu sieben Telefonate abgewickelt werden, ohne dass sich die Sendeleistung der Basisstation gegenüber dem Zustand mit null Telefonat irgendwie ändert. Erst ab dem achten Teilnehmer muss ein neuer Kanal zugeschaltet werden - dies macht sich dann in einer höheren Summen-Sendeleistung bemerkbar, aber nicht viel, weil die Sendeleistung des zweiten Kanals geregelt werden kann (wie bei einem Handy) dieser also nur selten volle Pulle sendet. Fazit: Eine so vor sich hinstrahlende Funkzelle kann also keinen oder gleichzeitig bis zu sieben Notrufe verkraften - ihre Sendeleistung bleibt dabei immerzu gleich. Nur zu Silvester sollte der Elektrosmogteppich seinen Flor ein wenig aufstellen ...

Und schließlich stellt sich noch die Frage, was ist ein Notruf, ich kenne Leute, die betrachten es schon als Notruf, wenn Heinz im Supermarkt zum Handy greift, um Helga zu fragen, ob er Suppenwürfel nun von Knorr oder Maggi kaufen soll. Kein Wunder also, dass allein Vodafone im vergangenen Quartal in Deutschland acht Milliarden Gesprächsminuten vermittelt hat - alles 1-minütige Notrufe ;-)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Fehler, Diagnose-Funk, Notruf, Irrtum


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