TNO-Studie: Kleine Nabelschau (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 01.08.2006, 23:42 (vor 6472 Tagen) @ Susanne

Ich lese nichts von schneller und besser!

Stimmt, Susanne! Die Schweizer Forschungsstiftung Mobilkommunikation ist allerdings, was die TNO-Studie angeht, eine Sekundärquelle. Genauso wie der von uns zitierte Spiegel-Bericht aus dem Jahr 2003, der mittlerweile auch nur noch kostenpflichtig zu haben ist. Zur Klärung unserer Unstimmigkeit hilft ein Blick in die Dokumentation der Original-TNO-Studie (PDF, 1,8 MByte).

Ab Seite 53 geht es dort um die vier Tests der kognitiven Funktionen (Kurzbeschreibung aller vier Tests auf Seite 45/46), deren Resultate dort tabellarisch und grafisch dargestellt werden. Gruppe A sind die Elektrosensiblen (ES), Gruppe B sind die Nicht-Elektrosensiblen (Referenzgruppe).

Beim ersten Reaktionstest können Sie sehr inhomogene Resultate erkennen. Bei 900-MHz-Befeldung z. B. zeigte die Gruppe der ES eine deutliche Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit. Auch Gruppe B reagierte auf 900 MHz mit Verlangsamung, sogar noch viel stärker erkennbar war diese bei 2100-MHz-Befeldung (UMTS) der Gruppe B. Bei 1800 MHz aber reagierte Gruppe B ganz anders: Hier kam es zu einer deutlich erkennbaren Verkürzung der Reaktionszeit, wenn auch nicht zu einer statistisch signifikanten.

Noch verwickelter sind die Resultate beim Gedächtnis-Reaktionstest (Memory Comparison Test: Erkennen zuvor vereinbarter Zeichen in einer 2x2-Zeichenmatrix): Egal mit welcher Befeldung der Test stattfand, bei Gruppe B bewirkte die Befeldung immer eine Verkürzung der Reaktionszeiten. Dies war bei den ES nicht so, hier kam es nur bei GSM 900 zu einer Verkürzung der Reaktionszeit, bei den anderen Frequenzen reagierten die ES dagegen ein bißchen langsamer.

Schon diese beiden Tests mögen genügen, um zu zeigen, dass die Spiegel-Interpretation der TNO-Studie nicht falsch war. Es ist halt typisch für die Mobilfunkproblematik, dass es nur selten leicht verdauliche Fausregeln gibt, die ohne Wenn & Aber stimmen. Bei der TNO-Interpretation muss man wohl stets dazusagen, ob man von Gruppe A redet oder von Gruppe B. Und selbst wenn dies beachtet wird gibt es noch immer die genannten Unterschiede, die auf den unterschiedlichen Befeldungen mit 900 MHz, 1800 MHz und 2100 MHz beruhen. Damit belegt TNO schneller und besser ebenso gut wie langsamer und schlechter - hängt nur ganz von den Absichten desjenigen ab, der die TNO-Studie für seine Zwecke einspannen will.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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TNO-Studie


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