Nachbarrecht: Obi am Obergericht Solothurn gescheitert (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 12.03.2024, 22:17 (vor 255 Tagen) @ H. Lamarr

Der 1. März 2023 war ein rabenschwarzer Tag für das Ehepaar Obi, denn das Amtsgericht Olten-Gösgen wies ihre Klage gegen den Nachbarn, der einen WLAN-Router betrieb, ab. Die Gerichts- und Entschädigungskosten für den Beklagten summierten sich zulasten der Kläger auf gut 48'000 CHF. Doch die Obis gaben nicht auf, sie legten gegen das Urteil Beschwerde beim Obergericht des Kantons Solothurn ein. Dort erwartete man sie schon.

Das Ehepaar Obi reichte seine initiale Klage am 3. Oktober 2016 beim Amtsgericht Olten-Gösgen ein, da sich der "elektrosensible" Ehemann vom WLAN eines unmittelbaren Nachbarn gesundheitlich beeinträchtigt sieht. Die Rechtsbegehren der Kläger gegen den Nachbarn lauteten:

1. Der Beklagte sei zu verpflichten, die von seinem Grundstück ausgehenden WLAN-Emissionen (inkl. PLC) zwischen 22:00 Uhr und 07:00 Uhr abzuschalten.

2. Der Beklagte sei zu verpflichten, seinen WLAN-Router örtlich vom Büro in das Wohnzimmer zu verschieben.

3. Der Beklagte sei zu verpflichten, keine zusätzlichen Dauersender zur Versorgung mit Funkinternet in Betrieb zu nehmen.

Der Beklagte beantragte die Klage sei vollumfänglich abzuweisen. Das Amtsgericht folgte seiner Rechtsauffassung, wies die Klage ab und eröffnete den Klägern, sie hätten 16'500 CHF Gerichtskosten zu tragen und dem Beklagten eine Parteientschädigung von rd. 31'878 CHF zu bezahlen.

Berufungsverhandlung ums liebe Geld

Die ordentliche Berufungsverhandlung am Obergericht begann im April 2023. Das Ehepaar Obi (Beschwerdeführer) verlangte die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und wiederholten ihre materiellen Anträge. Weiter beantragten sie, die Gerichtskosten seien den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen und die Parteikosten seien wettzuschlagen, d.h. jede Partei habe ihre Kosten selbst zu tragen.

Der Beklagte (im Folgenden der Beschwerdegegner) beantragte in seiner Beschwerdeantwort vom 14. Juni 2023, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei, und der vorinstanzliche Entscheid sei zu bestätigen.

Unerwartete Wendung

Am 7. November 2023 nahm das Verfahren eine unerwartete Wendung, denn der Beschwerdegegner teilte dem Gericht mit, er habe seine Liegenschaft neben dem Haus der Beschwerdeführer verkauft. Da es nun an seiner Passivlegitimation fehle, da er als Beklagter faktisch ausgeschieden sei, beantragte er nun die Beschwerde aus diesem Grund abzuweisen. In ihrer Stellungnahme vom 22. November 2023 machten die Beschwerdeführer hingegen geltend, der Verkauf führe dazu, dass sowohl ihr Rechtsschutzinteresse als auch die Passivlegitimation des Beschwerdegegners wegfalle. Da aber der Beschwerdegegner die Abweisung der Beschwerde durch die Veräußerung seiner Liegenschaft provoziert habe, seien ihm die Kosten aufzuerlegen.

Das Obergericht wies die Parteien darauf hin, in Beschwerdeverfahren seien neue Tatsachenbehauptungen gemäß Zivilprozessordnung ausgeschlossen. Der Verkauf der Liegenschaft könne somit gar nicht berücksichtigt werden, da die Streitsache auf der Grundlage des Sachverhaltes, wie er von der Vorinstanz festgehalten wurde, zu beurteilen ist.

Wer muss die Prozesskosten tragen?

Anschließend kümmerte sich das Obergericht umfassend um die strittige Frage, wer die Prozesskosten für beide Instanzen zu tragen habe. Nach ihren zuletzt gestellten Anträgen verlangten beide Parteien, dass diese von der Gegenseite zu tragen seien. In seinen diesbezüglichen Überlegungen geht das Gericht mehrfach auf die "Elektrosensibilität" des Beschwerdeführers 1 (Ehemann) ein und vertritt Einschätzungen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Außerdem wird in diesem Abschnitt der Verhandlung sichtbar, dass das Obergericht schon sehr früh, nämlich ab 2017, als das vorinstanzliche Verfahren noch lief, von den Klägern als Beschwerdeinstanz zur Durchsetzung vorsorglicher Maßnahmen eingeschaltet wurde. Aber lesen Sie selbst, mit welchen Worten sich das Obergericht im ordentlichen Verfahren an seinen Entscheid heran tastete ...

Elektrosensibilität: Sein oder Nichtsein?!

Der Beschwerdeführer 1 (Ehemann) begründet seine Klage mit der von ihm behaupteten und geltend gemachten Elektrosensibilität. Der Betrieb eines WLAN-Netzes ist in der Schweiz allerdings weit verbreitet und üblich. 97,9 Prozent aller Haushalte der Schweiz verfügen über einen Internetzugang und es ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil dieser Haushalte über ein hausinternes WLAN-Netz verfügt. Hinzu kommen die zahlreichen WLAN-Netze im öffentlichen Raum. Der Anlass für die Klage lag somit in der Person des Beschwerdeführers 1.

Entsprechend der weiten Verbreitung und gesellschaftlichen Akzeptanz von WLAN-Netzen waren die Prozessaussichten der Klage von Vornherein gering. Eine summarische Beurteilung des voraussichtlichen Ausgangs des Verfahrens bestätigt diese Aussage. Das Obergericht hat bereits am 13. März 2017 im Beschwerdeverfahren betreffend vorsorgliche Maßnahmen (ZKBES.2017.16) verneint, dass der Beschwerdegegner übermäßig auf das Eigentum der Beschwerdeführer einwirkt und dass dem Beschwerdeführer 1 durch die WLAN-Strahlung ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. Das Bundesgericht hat die gegen diesen Entscheid eingereichte Beschwerde mit Urteil 5D_56/2017 vom 30. November 2017 abgewiesen.

Im zweiten Beschwerdeentscheid betreffend vorsorgliche Maßnahmen vom 17. Juni 2022 (ZKBES.2021.109) hat das Obergericht erneut festgehalten, dass nicht glaubhaft gemacht sei, dass die von der Liegenschaft des Beschwerdegegners ausgehenden elektromagnetischen Felder bei den Beschwerdeführern Gesundheitsbeschwerden auslösten. Deshalb sei der Beschwerdegegner weder nach dem Vorsorgeprinzip noch nach Treu und Glauben gehalten, die Reichweite seiner Geräte zu reduzieren, die Nachtabschaltung zu aktivieren und keine weiteren WLAN-Funk-Sender in Betrieb zu nehmen. Sei ein Nachteil nicht glaubhaft, laufe die Forderung nach einer schonenden Rechtsausübung ins Leere.

Die in den genannten beiden Verfahren vorgenommene summarische Prüfung lassen einen Prozesserfolg für das ordentliche Verfahren wenig wahrscheinlich erscheinen. So ist denn auch die Amtsgerichtsstatthalterin in ihrem Urteil vom 1. März 2023 gestützt auf das eingeholte Gutachten, die eingereichten Urkunden und die Befragung der Beschwerdeführerin 2 zu dem Schluss gekommen, dass angesichts der massiven Unterschreitung der heute geltenden Grenzwerte das WLAN des Beschwerdegegners keine übermäßige Einwirkung auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer erkennen lasse. Weiter fehle es an einem stringenten Beweis für das Vorliegen der Elektrosensibilität und es fehle der Beweis der Ursächlichkeit des WLAN-Netzes des Beschwerdegegners für die behaupteten Beschwerden des Beschwerdeführers 1. Der Beschwerdegegner übe seine Rechte im Rahmen der ihm zustehenden Befugnisse als Eigentümer aus, weshalb von ihm keine andere Ausübung seiner Rechte verlangt werden könne. Diese im ordentlichen Verfahren ohne Beweismittelbeschränkung getroffenen Folgerungen wirken überzeugend und es erscheint wenig wahrscheinlich, dass diese im vorliegenden Beschwerdeverfahren hätten umgestoßen werden können. Dass vom WLAN-Netz des Beschwerdegegners keine übermäßigen Immissionen ausgehen, bestreiten die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde nur noch indirekt über die von ihnen verlangte Harmonisierung zwischen dem privatrechtlichen und dem öffentlich-rechtlichen Immissionsschutz. Weiter stellen sie in ihrer Beschwerde die Beweiswürdigung der Vorrichterin in Bezug auf die Elektrosensibilität des Beschwerdeführers 1 in Frage. Sodann berufen sie sich erneut auf das Prinzip der schonenden Rechtsausübung und das Rechtsmissbrauchsverbot. Diese Rügen sind nicht besonders griffig und erscheinen bei der summarischen Prüfung als wenig erfolgversprechend. Der mutmaßliche Ausgang des Beschwerdeverfahrens wäre demnach eine Abweisung der Beschwerde gewesen. Auch diese Überlegungen sprechen dagegen, von dem in Art. 106 Abs. 1 ZPO verankerten Grundsatz abzuweichen. Beim vorliegenden Prozessausgang, einem Nichteintreten auf die Beschwerde der klagenden Partei, haben die Beschwerdeführer die Prozesskosten beider Instanzen zu tragen.

Entscheid des Obergerichts

1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens von 1000 CHF zu bezahlen.

3. Die Beschwerdeführer haben dem Beschwerdegegner für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von rd. 2795 CHF zu bezahlen.

Der Entscheid ZKBES.2023.55 erging am 18. Januar 2024.

Kommentar

Sofern sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, konnte gegen den Entscheid des Obergerichts innerhalb von 30 Tagen seit Verkündung am Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden. Ob die Beschwerdeführer diesen letztinstanzlichen Rechtsweg eingeschlagen haben, ist nicht bekannt. Ebenfalls nicht bekannt ist das Ausmaß der finanziellen Unterstützung, das die Spendenaufrufe zugunsten Obis einbrachten.

Seine unbeirrbare Überzeugung "elektrosensibel" zu sein, hat Daniel Obi horrende Verfahrenskosten von insgesamt rd. 58'000 CHF eingebracht (beide Verfahren, Nachbarrecht und Arbeitsrecht).

Obis Niederlagen in beiden "Musterprozessen" wurden bislang weder von ihm auf seiner Website eingestanden, noch hat eine der sogenannten Schutzorganisationen für "Elektrosensible" (z.B. der Verein Gigaherz) darüber berichtet. Aus Sicht der Anti-Mobilfunk-Szene ist dies verständlich, erschüttern die beiden Entscheide die Glaubwürdigkeit von "Elektrosensiblen" doch in den Grundfesten. Fair ist es mMn jedoch nicht. Denn durch das kollektive Totschweigen von Obis teuren Misserfolgen laufen andere überzeugte Elektrosensible Gefahr, sich übermütig auf gerichtliche Auseinandersetzungen einzulassen, die möglicherweise mit ihrem finanziellen Ruin enden.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Game over, Schweiz, Prozesskosten, Elektrosensibilität, Misserfolg, Mobilfunkgegner, Musterprozess, Anwalt, Rechtsstreit, Solothurn, WLAN-Strahlung, Obi, Versagen, Beschwerdeverfahren


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