Urteil im Handymasten-Prozess: Populismus bestraft (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 30.01.2017, 13:53 (vor 2614 Tagen) @ H. Lamarr

Der Kärntener Landsrat Gerhard Köfer (vergleichbar einem deutschen Minister auf Landesebene) ist jetzt rechtskräftig wegen Amtsmissbrauch zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, denn der Oberste Gerichtshof (OGH) hat eine Nichtigkeitsbeschwerde Köfers gegen das 2016 gefällte Urteil abgewiesen. Ein politischer Gegner, die Partei Neos, nutzt die Gunst der Stunde, um Köfer anzugreifen:

„Rechtskräftig Verurteilte haben in der Kärntner Landesregierung und im Landtag nichts zu suchen“, fordern Christoph Haselmayer und Hermann Bärntatz als Landessprecher von NEOS Kärnten Köfer zum sofortigen Rücktritt auf. Köfer sei bereits als Bezirksbürgermeister ordentlich entlohnt worden und hätte einen Beamtenstab zur Beratung um sich gehabt. „Trotzdem war er schon als Bürgermeister nicht dazu in der Lage, Sachverhalte richtig zu erkennen und zu beurteilen.

Der Attackierte wehrt sich mit einer Presse-Information, in der er sich als "Held von Spittal" inszeniert. Ganz im Stil eines Volkstribuns lässt er wissen:

Mehrere bereits an Krebs erkrankte Gemeindebürger haben sich in Form einer Bürgerinitiative im Jahr 2007 an mich gewandt und mich eindringlich gebeten, ihnen behilflich zu sein und einen geplanten Handymasten am Nachbargebäude an einen anderen Standort zu verlegen.

Wenn dies tatsächlich das Motiv des damaligen Spittaler Bürgermeisters war, den rechtmäßigen Bau eines Mobilfunk-Sendemasten zu verhindern, dann ist dies Populismus pur und ich schlage vor, alle Kärntner sollen sich in einer Bürgerinitiative zusammentun und bei Herrn Köfer über die Höhe ihrer Einkommensteuer beschweren. Da geht dann vielleicht auch etwas. Kein Wissenschaftler weltweit, nicht einmal Mobilfunkgegners Liebling Lennart Hardell, bringt Krebs in Kausalzusammenhang mit Mobilfunk-Sendemasten, nur aufgestachelte Mobilfunkgegner (also fachliche Laien) tun dies. Diesen Wutbürgern als Politiker dann auch noch zu Willen sein mag dem Beliebtheitsgrad im Volk gut tun, mit verantwortungsbewusster berechenbarer (faktengestützter) Politik hat dies nichts zu tun. Aus meiner Sicht ist Landesrat Köfer daher zu recht verurteilt worden, weil er einer kleinen Interessengruppe nicht nur unkritisch nach dem Maul geredet, sondern auch noch selbstgerecht in deren Sinne gehandelt hat. Dies ist Amtsmissbrauch, simpler, nicht heldenhafter.

Die Presse-Information Köfers fand bei den Medien keinen Anklang, in Google News ließ sich keine Resonanz feststellen. Nur der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk brachte Köfers Verlautbarung Wort für Wort und bestätigte damit einmal mehr seinen schlechten Ruf als Sprachrohr für alle, die – egal wie unqualifiziert – Stimmung gegen Funk machen. Die Medien gingen mit dem Thema professionell um, wenngleich die Resonanz diesmal im Vergleich zur Urteilsverkündung im vergangenen Jahr eher schwach ausfiel.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Oesterreich, Populismus, Verlautbarung


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