Lennart Hardell stellt neuen Forschungsantrag bei Pandora (Forschung)
Das deutsche Krebsforschungszentrum distanziert sich in einem Ethikkodex deutlich gegenüber der Tabakindustrie. Doch was ist zu tun, wenn ein führender Ex-Tabaklobbyist wie der Deutsche Franz Adlkofer einem Forscher mit finanzieller Unterstützung winkt? Für den schwedischen Krebsforscher Lennart Hardell ist Adlkofers Vergangenheit kein Grund, nicht um dessen finanzielle Unterstützung zu bitten. Erstmals geschah dies im Juni 2011, damals ging es um vergleichsweise bescheidene 51'000 Euro.
Im November 2014 soll nun einer Meldung von Adlkofers Stiftung Pandora zufolge Prof. Hardell erneut um finanzielle Unterstützung gebeten haben. Details, z.B. über den Betrag, werden in der Meldung nicht genannt. Angesprochen wird stattdessen unfreiwillig das größte Problem der Forschergruppe Hardell:
Im November 2014 legte Professor Hardell der Stiftung Pandora einen weiteren Forschungsantrag mit der Bitte um Förderung vor, dessen Grundlage im Wesentlichen die Ergebnisse des u. a. von der Stiftung Pandora geförderten Erstantrags sind.
Seit langem wird Hardell vorgeworfen, durch wiederholtes Auswerten einmal unter umstrittenen Umständen erhobener Daten sich quasi am laufenden Band selbst zu bestätigen und in Wahrheit keine wirklich neuen Erkenntnisse beizusteuern. Gegen die alarmierenden Ergebnisse Hardells sprechen die Ergebnisse anderer Forschergruppen (z.B. Little, 2012, Deltour, 2009) und auch die IARC zweifelt seit 2014 öffentlich an ihrer eigenen 2B-Wertung des EMF-Risikos. Es ist also keineswegs so, dass Hirntumoren aufgrund intensiven Handygebrauchs als erwiesen gelten können, ebenso wenig lässt sich verbindlich ausschließen, Handys hätten keinerlei Auswirkungen auf die Hirntumorinzidenz. Da aber bereits heute das (alarmierende) Ergebnis von Hardells beabsichtigter Neuauswertung seines Datenbestands fest steht, kann diese Arbeit des Schweden keinen substanziellen Fortschritt in die Mobilfunkdebatte einbringen. Anders die internationale auf 30 Jahre angelegte Langzeitstudie "Cosmos", die seit einigen Jahren läuft und die mit einem gänzlich anderen Forschungsansatz den Streit über das Risiko Mobilfunk mMn entscheiden wird. Bis dahin werden jedoch noch Jahre der Ungewissheit vergehen, in denen Interessengruppen (z.B. Adlkofer et al.) versuchen werden, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Auffällig bei Adlkofer ist sein Drang, die Öffentlichkeit mit Alarmmeldungen über angebliche Mobilfunkrisiken zu beunruhigen. In seiner Zeit als Tabaklobbyist praktizierte er das Gegenteil: Damals spielte er die Risiken des Rauchens herunter.
Lennart Hardell als bedeutungslose Randfigur abzustempeln würde ihm jedoch nicht gerecht. Er hat mit seinen Studien die 2B-Entscheidung der IARC maßgebend mit bestimmt. Auch hat ein hohes italienisches Gericht einem Vieltelefonierer, der einen Hirntumor bekam, unter Bezug auf Hardell eine BU-Rente zugesprochen.
Umso erstaunlicher ist es, dass der schwedische Wissenschaftler angeblich große Mühe hat, seine Forschungen zu finanzieren. Franz Adlkofer schreibt dazu:
Industrie und Politik verweigern offensichtlich aus Angst vor den Ergebnissen seit mehr als einem Jahrzehnt jede Unterstützung der Arbeitsgruppe.
Diese populistische Einschätzung passt perfekt zu den Verschwörungtheorien, die in der Anti-Mobilfunk-Szene gerne zur Erklärung unerquicklicher Entwicklungen an die eher schlicht gestrickten Teilnehmer der Szene gereicht werden. Doch so plump wie von Adlkofer dargestellt ist es mit Sicherheit nicht. Viel wahrscheinlicher ist aus meiner Sicht die Einschätzung bei potentiellen Geldgebern, dass Hardell mit seinem inzwischen ausgeleierten Forschungsansatz keine neuen Impulse mehr setzen kann und Fördermittel deshalb besser anderweitig verplant werden.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –