Athem 3 mit provokanter Literaturliste (Forschung)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 09.06.2024, 17:08 (vor 63 Tagen) @ H. Lamarr

Eine der auffälligsten Schwächen der Anti-Mobilfunk-Szene ist das selektive Zitieren alarmierender Studien und das Weglassen jeglicher Entwarnungen. So entstehen bei Laien Zerrbilder des tatsächlichen wissenschaftlichen Kenntnisstands. Erschwerend kommt hinzu, dass die Szene alarmierende Studien verwurstet, selbst dann, wenn es sich um Gammelfleisch handelt, also eine Alarmstudie z.B. schwere methodische Mängel aufweist. Diese Schwächen sehe ich stellenweise auch bei "Athem 3".

Der bekannte Fälschungsskandal um die an der Medizinischen Universität Wien (MUW) durchgeführte "Reflex"-Nachfolgestudie Schwarz et al., 2008, sollte im deutschsprachigen Raum jedem Wissenschaftler bekannt sein, der an biologischen Wirkungen von HF-EMF forscht. Vor Gericht konnte der Fälschungsvorwurf nicht bestehen, da ein Gutachter technisches oder menschliches Versagen bei der Durchführung der Studie nicht ausschließen wollte. Für Schwarz et al. bedeutet dieser Befund keine Rehabilitation, sondern dass die Studie, wenn sie nicht von der Pest befallen war, dann von der Cholera. Dem Vernehmen nach zahlte die MUW das erhaltene Honorar für die Studie in voller Höhe an den Auftraggeber zurück. Noch schwerer wird diese Hypothek, nimmt man das Scheitern sämtlicher Replikationsversuche der Original-"Reflex"-Studie Diem et al., 2005, hinzu. In nationalen wissenschaftlichen Bewertungen des Risikos Mobilfunk spielt das "Reflex"-Projekt deshalb seit mindestens zehn Jahren keine Rolle mehr. In der Literaturliste der "Athem 3"-Studie, findet sich Schwarz et al. jedoch, als ob nichts gewesen wäre. Eine Provokation, mMn zurückzuführen auf "Athem 3"-Co-Autor Wilhelm Mosgöller, der im Hintergrund an Schwarz et al. mitwirkte und deshalb ein Interesse hat, die Studie wenigstens scheinbar von ihren dunklen Schatten zu befreien.

Schwarz et al. ist nicht der einzige dunkle Punkt in der Literaturliste, eine oberflächliche Durchsicht hat sechs weitere ergeben:

Dode, 2011
Eger, 2004
Franzellitti, 2010
Nilsson/Hardell, 2023
Wolf&Wolf, 2004
Yakymenko, 2016

An allen diesen Studien gibt es etwas auszusetzen, mal haben die Autoren Interessenkonflikte, mal ist die Methodik schräg, mal scheiterte ein Replikationsversuch oder mal kommen mehrere Einwände zusammen. Eigentümlich auch, was die Autoren zu einer Studie von Iris Atzmon, Israel, schreiben: "Wolf and Wolf (Wolf and Wolf, 2004) found an association, which was not confirmed by another study in Israel (Atzmon et al., 2012)". Nur, wenn Wolf&Wolf nicht bestätigt wurden, warum verweisen die Autoren von "Athem 3" dann mehrfach darauf?

Was sich wie ein gescheiterter Replikationsversuch Atzmons liest, ist allerdings keiner. Denn Wolf&Wolf fanden ihren "Mobilfunk-Krebscluster" 2004 in der israelischen Hafenstadt Netanya. Atzmon hingegen kümmerte sich um das "Todesdorf" Isfiya (an anderen Stellen Isifya), das rd. 60 Straßenkilometer weiter nördlich im Landesinneren liegt, seit angeblich 1962 von einem nahen Rundfunksender befeldet wurde und einen auffälligen Krebscluster beherbergte. Im EMF-Portal heißt es dazu: "Die ersten Radiosender wurden Anfang der 1970er Jahre im Isifya-Dorf errichtet. Mobilfunk-Basisstationen kamen in den 1990er Jahren hinzu. Alle Mobilfunk-Basisstationen und Radiosender wurden im Jahr 2000 (vor Beginn der Studie) von Bürgern zerstört, die verschiedene gesundheitliche Symptome der Exposition den elektromagnetischen Feldern zuordneten."

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Zerrbild, Wissenschaftliches Fehlverhalten, Mosgöller, Faktencheck, Atzmon, Schwächen, Athem3, Reflex-Nachfolgestudie


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