Diagnose-Funk gibt sich transparenter denn je (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 22.05.2024, 01:21 (vor 190 Tagen)

Der Stuttgarter Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk wurde 2010 ins Vereinsregister eingetragen und war dann ein Dutzend Jahre eine Blackbox, deren Internas, z.B. die Anzahl der Mitglieder, Außenstehenden verborgen blieben. Das änderte sich im März 2022, als der Verein auf Antrag ins Lobbyregister des Deutschen Bundestags aufgenommen wurde. Jetzt legt Diagnose-Funk nach und bewirbt sich um Anschluss an die Initiative Transparente Zivilgesellschaft.

Geht es um das "Risiko Mobilfunk", möchte Diagnose-Funk seit jeher gerne überall mitreden und als Interessenvertreter der von Staat und Industrie übel verstrahlten Bevölkerung wahrgenommen werden. Dies gelang den beiden Sprechern des Vereins bisher gut in Hinterzimmern von Gasthäusern vor aufgebrachten Sendemastengegnern. Oberhalb der Kommunalebene sind die ungefragt vorgetragenen Mahnungen, Warnungen oder Ratschläge aus Stuttgart jedoch in den Wind gesprochen, Annäherungsversuche des Vereins an Landes- und Bundespolitiker oder an Ämter/Behörden stoßen auf enttäuschend wenig Gegenliebe. Derartige Kontakte bringen jedoch Prestige. Und Prestige ist wiederum äußerst nützlich, wenn das Geld knapp wird und der Schatzmeister in Stuttgart Druck macht, damit die Granden des Vereins Krötenwanderungen in Gestalt von Spenden forcieren.

Mutmaßlich sind dies die Beweggründe, warum Diagnose-Funk im zwölften Jahr seines Bestehens eine Charmeoffensive startete, um wenigstens formal endlich als ernst zu nehmender Interessenvertreter anerkannt zu werden. Schon der damit verbundene Prestigegewinn in den Echokammern der Anti-Mobilfunk-Szene wäre die Mühe wert.

Erster Schritt war 2022 der erfolgreiche Antrag zur Aufnahme ins Lobbyregister des Deutschen Bundestags. Ein Jahr später erhielt der Verein vom Umweltbundesamt (UBA) die Mitwirkungs- und Klagerechte einer anerkannten Umweltvereinigung zuerkannt. Mit diesem Pfund lässt sich schon gut wuchern, wenngleich die Hintergründe einer solchen Zuerkennung nicht sonderlich ruhmreich sind.

Initiative Transparente Zivilgesellschaft

Dritter und vorerst letzter Schritt ist jetzt der Anschluss des Vereins an die Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Wir freuen uns aufrichtig, dass Diagnose-Funk unsere Anregung aus dem Jahr 2020 zügig aufgegriffen hat. Da die Initiative nicht die Rechtsform eines Vereins hat, kann man nicht Mitglied werden, sondern sich ihr nur anschließen. Bisher haben dies 1925 Organisationen der Zivilgesellschaft getan und geben öffentlich zehn grundlegende Auskünfte über sich selbst preis. Welche Auskünfte dies sind, kann man sich auf dieser Webseite von Diagnose-Funk anschauen, denn der Verein ist der Zeit voraus und gibt schon Auskunft, obwohl die Prüfung seines Antrags auf Anschluss an die Initiative gegenwärtig noch gar nicht abgeschlossen ist.

Wer sich die verlinkte Webseite genau ansieht, wird einen Widerspruch feststellen können (falls dieser zwischenzeitlich nicht beseitigt wurde). Eingangs heißt es "diagnose:funk strebt die Mitgliedschaft bei der Initiative Transparente Zivilgesellschaft an." Doch weiter unten ist zu lesen "Transparenz ist uns wichtig. Deshalb haben wir uns der Initiative Transparente Zivilgesellschaft angeschlossen."

Was stimmt denn nun?

Vor ein paar Tagen nachgeschaut in der Liste der Unterzeichner war Diagnose-Funk dort nicht zu finden. Was nun, hat der Verein von Transparenz etwa befremdliche Vorstellungen? Um auf Nummer sicher zu gehen, fragte ich bei Transparency International Deutschland, dem Initiator der Initiative nach und bekam am 15. Mai die Auskunft, Diagnose-Funk habe sich tatsächlich vor kurzem der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) angeschlossen und die Selbstverpflichtungserklärung zur Transparenz unterzeichnet. Derzeit befinde diese sich jedoch noch im Prüfprozess, ob die gemachten Angaben gemäß Leitfaden zutreffend sind. Erst wenn dies bestätigt ist, werde der Verein auch in die Unterzeichnerliste aufgenommen.

Tiger mit Beißhemmung

Die ITZ ist ein löblicher Ansatz, Organisationen der Zivilgesellschaft auf die Finger zu schauen. Allzuviel Biss darf man von der Initiative allerdings nicht erwarten. Denn in mustergültiger Selbsttransparenz räumt die ITZ auf ihrer Website nicht nur ein, was sie leisten kann, sondern auch, was sie nicht leisten kann! Als da wäre ...

Die ITZ bzw. die Verwendung des Logos garantiert nicht die Richtigkeit der von der Organisation gemachten Angaben, sondern lediglich – und auch nur soweit dies von außen möglich ist – dass die Angaben im Sinne der Selbstverpflichtung vollständig sind.

Durch die ITZ wird weder ein sparsamer Umgang mit Spenden attestiert, noch wird die verantwortungsvolle und satzungsgemäße Verwendung der Mittel bestätigt. Das Logo der ITZ ist kein Siegel, welches den Anspruch hat für eine „gute“ Organisation zu garantieren. Die ITZ macht keine Aussage zur Führungsqualität, Beachtung von arbeitsrechtlichen Standards oder Gesetzestreue einer Organisation.

Es ist kein konkreter Fall bekannt, bei dem Betrug, Missbrauch oder andere Arten von Korruption durch die ITZ verhindert werden konnten. Oftmals gehen solche Fälle mit krimineller Energie einher und können auch durch spezifische Kontrollinstrumente nicht verhindert werden. Zivilgesellschaftliche Organisationen können davon ebenso betroffen sein wie die Wirtschaft, Politik oder die öffentliche Verwaltung. Die ITZ ermöglicht aber spezifische Nachfragen von innerhalb und außerhalb einer Organisation und kann somit das Bewusstsein in Organisationen stärken sich vor solchen Fällen zu schützen.

Transparenz des IZgMF

Das IZgMF ist keine "Organisation" (Verein) und kann deshalb die prestigeträchtigen Schritte von Diagnose-Funk nicht gehen, um reichlich Spendeneuros zu ergattern. Das heißt jedoch nicht, dass wir intransparent wären und nach Strich und Faden von der "Mobilfunkmafia" geschmiert werden, um honorige Mobilfunkgegner in die Pfanne zu hauen. Wir haben schon 2010 die Karten auf den Tisch gelegt und nach dem Muster der Wissenschaft öffentlich eine Erklärung zu unseren Interessenkonflikten abgegeben. Das war damals ein Novum in der bürgerlichen Mobilfunkdebatte. Nachgezogen hat meines Wissens jedoch niemand. Bis heute hat sich an meiner Auskunft von damals nichts geändert. So wahr mir Gott helfe, wir haben zu keiner Zeit auch nur einen Cent von der Mobilfunkindustrie angenommen oder irgendwelche Zuwendungen anderer Art. Das liegt nicht allein an unserer edlen Gesinnung. Sondern auch daran, dass uns in den 22 Jahren unseres Wirkens solche Zuwendungen von niemandem angeboten wurden, – damit wir sie ablehnen konnten :-).

Randbemerkung: Wie es zu dem unglücklich diffusen Begriff der "Zivilgesellschaft" kam, der vor 150 Jahren hierzulande noch glasklar "bürgerliche Gesellschaft" hieß und dann auf seiner Reise um die Welt bei der Rückkehr nach Deutschland von Pappnasen verschlimmbessert wurde, das kann, wer mag, hier im letzten Absatz nachlesen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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