Landtag Hessen: AfD-Fraktionssprecher technisch überfordert (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 26.05.2023, 23:02 (vor 353 Tagen) @ H. Lamarr

Im Kampf gegen schlechten Handyempfang in manchen Regionen hat der hessische Landtag Erleichterungen für den Mobilfunkausbau in zweiter Lesung beschlossen.

Auszug aus dem Plenarprotokoll der ersten Lesung im Januar 2023. Es spricht der Fraktionssprecher der AfD im hessischen Landtag:

[...] Aber wie steht es um die Masten? Hierzu muss man zwischen LTE-Basisstationen mit einer Frequenz von 800 MHz und solchen für 5G mit einer mehr als viermal so hohen Frequenz unterscheiden. Jedes Schulkind weiß, was die GRÜNEN hier vergessen: Je höher die Frequenz, desto niedriger die Reichweite.

(Beifall AfD)

Ein Sendemast, der eine Frequenz von 500 MHz ausstrahlt, kann einen Umkreis von bis zu 10 km mit 4G versorgen. Ein 5G-Sendemast deckt jedoch nur einen Umkreis von allerhöchstens 2 km ab. Wie wollen Sie bei solchen Reichweiten den ländlichen Raum versorgen?

(Beifall AfD)

Der 5G-Ausbau ist völlig ungeeignet für eine Mobilfunkversorgung auf dem Land. Diesen Umstand erkannte Bitkom-Präsident Achim Berg schon Mitte 2018 und warnte: Damit lässt sich wirtschaftlich keine Flächendeckung herstellen. Im Durchschnitt müsste nach jedem Kilometer ein Sendemast aufgebaut, mit Glasfaser angeschlossen und mit Strom versorgt werden. Wir müssten ganz Deutschland aufgraben, um die geforderte Flächendeckung herzustellen. Das ist schlicht nicht machbar und geht an der Realität des Mobilfunks vorbei.

(Beifall AfD)

Ich habe Herrn Berg hier im Plenum schon vor drei Jahren zitiert. Sie haben unsere Warnungen aber in den Wind geschlagen und auf das Anhören von Expertenmeinungen verzichtet. Die zwangsläufige Folge eines flächendeckenden 5G-Ausbaus wären unzählige zerstörte Biotope. Ihr Gesetzentwurf schweigt dazu. Die Regierungspartei DIE GRÜNEN hat damit einmal mehr gezeigt: Die Umwelt ist ihr keinen müden Cent wert. [...]

Kommentar: Dem Sprecher der AfD-Fraktion und seiner Fraktion ist entgangenen, dass die 5G-Lizenzen technologieneutral versteigert worden sind, jeder Mobilfunknetzbetreiber kann 5G mit beliebigen Frequenzen in seinem Besitz bis hinunter auf 700 MHz anwenden. Die BNetzA weiß dazu:

"Alle bereits für den Mobilfunk der dritten und vierten Generation (zum Beispiel UMTS, LTE) verfügbaren Frequenzbereiche zwischen 700 MHz und 2,6 GHz können grundsätzlich auch für 5G genutzt werden. Aufgrund der erforderlichen hohen Bandbreiten für einige 5G-Anwendungen sind weitere Frequenzen notwendig. Daher wurde im Frühjahr/Sommer 2019 das Frequenzbandes von 3,4 bis 3,7 GHz für bundesweite Nutzungen durch öffentliche Mobilfunknetze versteigert, in dem der 5G-Aufbau beginnen wird. Daneben kann seit November 2019 das Frequenzband von 3,7 bis 3,8 GHz ohne Versteigerung (im sogenannten Antragsverfahren) vergeben werden, das für örtliche nichtöffentliche Mobilfunknetze ('Campusnetze') mit Anwendungen in Land- und Forstwirtschaft, Wirtschaft und Industrie vorgesehen ist. [...]"

Und was den Bitkom-Präsidenten Achim Berg angeht, der wurde von dem AfD-Sprecher gründlich missverstanden. Denn Berg äußerte sich 2018 im Kontext der damals grassierenden Paranoia, 5G erfordere aberwitzig viele Standorte für 5G-Sendemasten, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die zahllosen Falschmeldungen beruhten allesamt auf der falschen Annahme, 5G fände allein im 3,6-GHz-Band statt. Dieses exklusive 5G-Band bietet hohe Bandbreite (trotz vieler Teilnehmer hohes Downlinktempo) jedoch schlechte Ausbreitungseigenschaften und ist deshalb nur für die Kapazitätsversorgung in Gebieten mit hohem Personenaufkommen vorgesehen. Die Flächenversorgung mit 5G wird wie seit eh und je üblich auf tieferen Frequenzen mit besseren Ausbreitungseigenschaften praktiziert, die allerdings mit geringeren Bandbreiten erkauft wird. Der Angriff des AfD-Sprechers auf "Die Grünen" entbehrt somit jeder Grundlage und wird für den Sprecher zum Bumerang.

Hintergrund
Es war einmal: Das Märchen von den zahllosen 5G-Standorten
Mobilfunkstandorte in Deutschland: Entwicklung der Anzahl

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Landtag, Netzausbau, AfD, realitätsfern, Flächendeckung


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum