Klaus Buchner über Bienensterben auf der Isle of Wight (III) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 03.12.2020, 00:03 (vor 1258 Tagen) @ H. Lamarr

Da Buchner vorgibt, die Originalarbeit von Imms zu kennen, unterstelle ich ihm, dass er die Fälschung, die von Imms Papier nicht gedeckt sein kann, mit voller Absicht verbreitet. Aber: Da Buchner mit der Wahrheit zuweilen überaus großzügig umgeht, halte ich es für wahrscheinlicher, er ist nicht im Besitz des Imms-Papers (Imms, A. D., June, 1907. Report on a disease of bees In the Isle of Wight. Journal of the Board of Agriculture, Vol. XIV, No. 3, pp. 120-140, 4 figs.), sondern hat sich die willkommene Desinformation im www mutmaßlich bei Firstenberg geangelt und gibt diese, um kompetent zu wirken, als seine eigene Entdeckung aus.

[image]Die Originalarbeit von A. D. Imms aus dem Jahr 1907 lässt sich im Volltext bei der Biodiversity Heritage Library (BHL) unentgeltlich einsehen. Die Quellenangabe oben ist nicht ganz korrekt, statt "June 1907" müsste es "April 1907" heißen und die richtigen Seitenzahlen lauten 129-140.

Wer mag kann sich den Bericht von der BHL-Website als PDF an eine E-Mail-Adresse senden lassen und dabei auswählen, ob er nur den Scan haben möchte oder ein durchsuchbares PDF. Ich habe mich aus naheliegenden Gründen für das durchsuchbare PDF entschieden.

Sollte Klaus Buchner den Bericht von A. D. Imms tatsächlich vorliegen haben, wie er es in seinem Video behauptet, trifft ihn der Vorwurf der Geschichtsfälschung jetzt mit voller Härte, denn in dem Bericht wird die angeblich für Bienen mörderische Funkstrahlung des Marconi-Langwellensenders auf der Isle of Wight oder irgendeines anderen Funksenders mit keiner Silbe erwähnt. Entgegen der Darstellung Buchners hegte Imms keinerlei Verdacht, die Bienen auf der Insel seien Opfer elektromagnetischer Wellen geworden. Er glaubte vielmehr, die Insekten litten an einer "Erkrankung des Verdauungssystems, die man als eine Ausdehnung des Enddarms beschreiben könnte. Der Dickdarm und der angrenzende Teil des Mastdarms sind enorm ausgedehnt mit einer stauenden Materialmasse, die hauptsächlich aus Pollen besteht. Der aufgeblähte Dickdarm übt Druck auf die großen abdominellen Luftsäcke des Luftröhrensystems aus und beeinträchtigt so in hohem Maße deren Funktion." Verendet seien die Bienen letztlich an Blutvergiftung. Imms musste sich für seine Diagnose später allerdings den Vorwurf gefallen lassen, er verstünde nichts von der Anatomie der Bienen, denn das, was er als abnormale Ausdehnung des Enddarms identifiziert habe, sei bei Bienen völlig normal.

Ich gehe allerdings weiterhin davon aus, Buchner hat geflunkert, als er andeutete, im Besitz des Imms-Bericht zu sein, stattdessen hat er die Falschmeldung mutmaßlich von Firstenberg übernommen und als Eigenleistung ausgegeben. Das entlastet den Professor der Mathematik ein wenig. Ob Firstenberg der Urheber der dreisten Geschichtsfälschung ist oder der Amerikaner seinerseits abgekupfert hat, ist noch zu klären.

Eines aber zeigt der Vorfall schon jetzt: Mitglieder der Anti-Mobilfunk-Szene schrecken nicht davor zurück, historische Begebenheiten mit frei erfundenem Belastungsmaterial gegenüber Funkwellen anzureichern und in Umlauf zu bringen. Und leider finden sich in der Szene auch Akademiker mit Rang und Namen, die sich der Fälschung bedienen und die Spur zur Quelle verwischen, mit dem unlauteren Ziel, irrationale Bedenken gegenüber elektromagnetischen Wellen im Unterbewusstsein der Bevölkerung zu verankern.

Buchners Motiv für diesen verabscheuungswürdigen Populismus sehe ich darin, dass er glaubt, auf diese Weise seiner Partei (ÖDP) Wähler zuführen zu können, die er zuvor mit seinen zahllosen öffentlichen Auftritten verunsichert hat. Die ÖDP wirbt damit, die einzige Partei zu sein, die den sorglosen Umgang mit der Mobilfunkstrahlung im Parteiprogramm anprangert. Doch selbst das ist nur die halbe Wahrheit, denn zur Bundestagswahl 2009 hatten noch vier Parteien Mobilfunkkritik im Programm. Andere wie die Grünen haben seither dazugelernt, die ÖDP nicht. Auch prahlt es sich leicht, die ÖDP sei die einzige Partei, die keine Konzernspenden annehme – wenn bislang kein einziger Konzern je auf die Idee gekommen ist, der ÖDP auch nur 1 Euro zu spenden :-).

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Falschmeldung, Ko-Ini, ÖDP, Populismus, Klaus Buchner


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