Klaus Buchner über das Bienensterben auf der Isle of Wight (I) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 29.11.2020, 22:22 (vor 1488 Tagen)

Im Wettstreit um den Thron des größten Desinformanten in EMF-Sachfragen liefern sich der Deutsche Klaus Buchner (79), Ex-Professor der Mathematik, und der Schweizer Hans-U. Jakob (82), Ex-Elektriker, seit Jahren ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Mit der Fälschung einer mehr als 100 Jahre alten wahren Geschichte über ein mysteriöses Bienensterben auf der englischen Kanalinsel Isle of Wight hat Buchner sich jetzt wieder in Führung gebracht.

Auf der Website der lustigen Damenriege von https://stoppt-5g.jetzt findet sich ein unscharfes Video von und mit Klaus Buchner vom 26. Oktober 2019. Gleich zu Beginn erzählt Buchner ab Minute 1:30 in einem historischen Abriss der Rundfunkgeschichte mit ernster Miene folgende haarsträubende Anekdote:

[...] Kurz nach dem Heinrich Hertz 1886 überhaupt die elektromagnetischen Wellen entdeckt hat, sind schon die ersten kritischen Arbeiten erschienen. Die erste, meines Wissens nach, 1893 von einer Pariser Gruppe, die ganz eindeutig die Wirkung dieser Wellen auf lebendige Zellen in Mikroben nachgewiesen haben. Interessant ist eine Arbeit, die ein paar Jahre später kam, nämlich 1906. Damals hatte Marconi den ersten großen dauerhaften Sender überhaupt auf der Welt errichtet. Auf der Isle of Wight. Und dann kam ein Forscher von Cambridge hin und hat beobachtet, dass die Bienen den Sockel ihres Bienenstocks hochkrabbeln und wenn sie in einer bestimmten Höhe waren, sind sie von den Strahlen des Senders getroffen worden, auf den Boden gefallen und kurz drauf eingegangen. Zu der Zeit, als dieser Herr Imms hinkam, waren schon die meisten Bienenvölker tot, später sind wohl meines Wissens nach alle gestorben. Aber das steht nicht mehr in seiner Arbeit drin. [...]

Buchner tut, als hätte er die alarmierende Arbeit des Forschers Imms nicht nur zur Hand, sondern auch gelesen, eine nachvollziehbare Quellenangabe aber verkneift er sich. Dem ÖDP-Mann gegenüber stets misstrauisch, machte ich mich deshalb auf die Suche nach Buchners Quell der Weisheit. Das Ergebnis übertrifft sogar meine hoch gesteckten Erwartungen.

Mein Suchbegriff brachte gleich auf Platz 1 einen Treffer, der Buchners Darstellung inhaltlich voll entspricht und einige zusätzliche Informationen bietet:

On the Isle of Wight, off the southern coast of England, Giuglielmo Marconi built the world’s first permanent radio station. And the bees’ first warning to humanity was heard. “They are often to be seen crawling up grass stems, or up the supports of the hive, where they remain until they fall back to the earth from sheer weakness, and soon afterwards die,” wrote Augustus Imms of Christ’s College, Cambridge in 1906. Ninety percent of the bees had already vanished from the entire island. Unable to find a cause, he called it, simply, Isle of Wight disease. Swarms of healthy bees were imported from the mainland, but it was of no use: within a week the fresh bees were dying off by the thousands.

Die Quelle, die offenbar den alternativen Medien in Italien zugerechnet werden darf, ist für mich jedoch nicht vertrauenswürdig, denn der Autor des Artikels ist der auffällige US-Amerikaner Arthur Firstenberg. Also suchte ich weiter, diesmal aber nach dem von Firstenberg genannten Zitat von Imms, das Buchner mit eigenen Worten wiedergibt. Diese Suche förderte u.a. eine Ausgabe von Nature aus dem Jahr 1909 zutage. Darin ist (übersetzt von deepl.com) zu lesen ...

Vor etwa vier Jahren trat unter den Bienen auf der Isle of Wight eine mysteriöse Krankheit auf, die eine hohe Sterblichkeit verursachte. Die charakteristischsten Merkmale waren Arbeitsunlust, eine gewisse Dehnung des Unterleibs, häufige Verrenkungen der Flügel bis hin zur Unfähigkeit zu fliegen. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Bienen nur ein paar Meter vom Stock weg fliegen, ließen sich dann fallen und krochen ziellos auf dem Boden umher. Oft sah man sie an Grashalmen oder an den Stützen des Bienenstockes hochkriechen, wo sie blieben, bis sie aus schierer Schwäche wieder auf die Erde zurückfielen und bald darauf starben. Eine Untersuchung wurde von Herrn A. D. Imms eingeleitet, aber da er nicht in der Lage war, die Arbeit fortzusetzen, sicherte sich der Landwirtschaftsrat die Dienste von Dr. W. Malden, dessen Bericht in der Februar-Nummer des Journal of the Board of Agriculture veröffentlicht wird. [...]

Malden stellte u.a. fest, das einzige betroffene Organ sei der Chylus der Bienen, alle anderen Organe seien normal, auch Lähmungen der Flügelmuskeln gäbe es nicht. Die Krankheit sei mit ziemlicher Sicherheit infektiös, ein pestähnlicher Bazillus werde häufig in den Chylus-Stämmen erkrankter Bienen gefunden. Das Bemerkenswerteste aber ist, was Malden nicht sagt: Einen Funksender oder Antennen sucht man in seinen Ausführungen vergeblich!

Sollte Firstenberg es gewagt haben, den Funksender in die mehr als 100 Jahre alte echte Bienen-Geschichte der Isle of Wight nachträglich einzuflechten? Das wäre eine unglaublich dreiste Geschichtsfälschung. Und warum kauft Klaus Buchner ihm diese Fälschung so bereitwillig ab? Wo bleibt dessen Sachverstand als gelernter Physiker, wenn er den offenbar frei erfundenen Blödsinn erzählt, die Bienen seien beim Hochkrabbeln an den Tragstützen eines Bienenstocks "von den Strahlen des Senders getroffen worden" und tödlich verwundet zu Boden gefallen. Ich habe zwei Bienenstöcke bei mir im Garten, die sind inklusive Tragstützen nicht einmal 1 Meter hoch! Auf so geringer Distanz kann sich die Immission eines Funkmasten in freier Landschaft unmöglich so stark ändern, dass Bienen, die an dem Bienenstock hochkrabbeln plötzlich "von Strahlen getroffen" werden. Wer so etwas behauptet, will Laien mit plumper Desinformation gezielt ängstigen.

Fortsetzung in Teil II

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Propaganda, Bienensterben, Buchner, ÖDP, Anekdote, Faktencheck, Spaltung, Wahrheitsgehalt, Firstenberg, Anti-5G-Fraueninitiative, Cambridge, Hybris, Narrativ, Lügengeschichten

Klaus Buchner über das Bienensterben auf der Isle of Wight (II)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 29.11.2020, 23:19 (vor 1488 Tagen) @ H. Lamarr

zurück zu Teil I

Um die Entdeckung zu untermauern, dass der Marconi-Funksender in jungen Berichten über das historische Bienensterben auf der Kanalinsel nachträglich eingefügt wurde, suchte ich weiter und fand diesen Auszug aus dem Bulletin des Bureau of Entomology, USA, Ausgaben 95-103, von 1913. Dort wird von einer weiteren Untersuchung auf der Isle of Wight berichtet, die diesmal tatsächlich von Augustus Imms durchgeführt wurde, der 1907 darüber berichtete. Auszug:

Die Krankheit ist in erster Linie eine Erkrankung des Verdauungssystems und könnte als Zustand einer Vergrößerung des Enddarms beschrieben werden. Mehr als 150 erkrankte Bienen sind inzwischen untersucht worden, und es wurde festgestellt, dass alle die gleichen Symptome aufweisen.

Der Autor erklärt, dass die bakteriologischen Arbeiten an der Krankheit im Gange seien. Die bereits durchgeführten Arbeiten zeigten das Vorhandensein einer großen Anzahl von Bakterienstäbchen. Es konnte weder eine Schlussfolgerung über die Ursache der Krankheit gezogen werden, noch konnte ein Heilmittel gefunden werden, das in den Händen aller Imker erfolgreich war.

Einige der wichtigeren Punkte des Papiers lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Die Krankheit war, soweit festgestellt wurde, neueren Ursprungs.
2. Die beschriebene Erkrankung schien für erwachsene Bienen sehr schnell tödlich zu enden. Die Brut schien nicht betroffen zu sein.
3. Für Imms schien die Störung weder Dysenterie noch die sogenannte Lähmung zu sein.
4. Über die Ursache der Störung konnte keine Schlussfolgerung gezogen werden.
5. Es konnte kein Behandlungserfolg nachgewiesen werden.

Wie Malden kommt Imms zu dem Ergebnis, Bakterien im Verdauungstrakt der Bienen würden die Symptome hervorrufen, doch auf welchem Weg die Infektion der Tiere stattfindet, fand er nicht heraus. Entscheidend aber ist: Auch in dieser zweiten Quelle ist von einem Funksender keine Rede!

Tüpfelchen auf dem i: Der Bericht von Adam Brother aus dem Jahr 1968 über das mysteriöse Bienensterben auf der Kanalinsel ("Isle of Wight" or Acariñe Disease: its Historicaland Practical Aspects) belastet Buchner ebenfalls, denn auch in diesem Rückblick führten Suchbegriffe wie "Marconi", "transmitter", "antenna" und "wireless" zu null Treffern.

Für mich steht damit fest: Klaus Buchner verbreitet eine freche Geschichtsfälschung über ein Bienensterben vor gut 100 Jahren, um die Bevölkerung mit frei erfundenen Fakten gegen Mobilfunk zu mobilisieren. Da Buchner vorgibt, die Originalarbeit von Imms zu kennen, unterstelle ich ihm, dass er die Fälschung, die von Imms Papier nicht gedeckt sein kann, mit voller Absicht verbreitet. Aber: Da Buchner mit der Wahrheit zuweilen überaus großzügig umgeht, halte ich es für wahrscheinlicher, er ist nicht im Besitz des Imms-Papers (Imms, A. D., June, 1907. Report on a disease of bees In the Isle of Wight. Journal of the Board of Agriculture, Vol. XIV, No. 3, pp. 120-140, 4 figs.), sondern hat sich die willkommene Desinformation im www mutmaßlich bei Firstenberg geangelt und gibt diese, um kompetent zu wirken, als seine eigene Entdeckung aus.

Hintergrund
Das Bienensterben auf der Kanalinsel muss ab 1905 aufgetreten sein. Marconi hat erstmals im Juli 1897 auf der Isle of Wight eine Telegraphenanlage aufgebaut und mit Funkwellen eine Entfernung von 14 Meilen zu einer Gegenstation auf dem Festland überbrückt. Im Juli 1898 gab es einen weiteren Versuch, diesmal galt der Funkkontakt einem Schiff, und 1901 wurden bereits 186 Meilen zu einer Station auf dem Festland bewältigt. Mehr spielte sich funktechnisch gemäß dieser Quelle auf der Isle of Wight nicht ab. Ausgesendet wurde damals mit Knallfunkensendern noch keine Sprache, sondern Morsezeichen. Marconi arbeitete seinerzeit mit Antennen von bis zu 1800 Meter Länge (Langwelle) und bis zu 15 kW Sendeleistung, eine Biene kann bei diesen Wellenlängen aufgrund ihrer kleinen Körpergröße dem Funkfeld praktisch keine Energie entziehen.

Verwandte Forumstränge
► Zur Episode 2 des Videos: Klaus Buchner über die Bestrahlung der US-Botschaft in Moskau
► Zur Episode 3 des Videos: Klaus Buchner über Missachtung der Vorsorge bei EMF-Grenzwerten

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Fälschung, Lüge, Buchner, ÖDP, Bullshit, Faktencheck, Marconi

Klaus Buchner über Bienensterben auf der Isle of Wight (III)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 03.12.2020, 00:03 (vor 1485 Tagen) @ H. Lamarr

Da Buchner vorgibt, die Originalarbeit von Imms zu kennen, unterstelle ich ihm, dass er die Fälschung, die von Imms Papier nicht gedeckt sein kann, mit voller Absicht verbreitet. Aber: Da Buchner mit der Wahrheit zuweilen überaus großzügig umgeht, halte ich es für wahrscheinlicher, er ist nicht im Besitz des Imms-Papers (Imms, A. D., June, 1907. Report on a disease of bees In the Isle of Wight. Journal of the Board of Agriculture, Vol. XIV, No. 3, pp. 120-140, 4 figs.), sondern hat sich die willkommene Desinformation im www mutmaßlich bei Firstenberg geangelt und gibt diese, um kompetent zu wirken, als seine eigene Entdeckung aus.

[image]Die Originalarbeit von A. D. Imms aus dem Jahr 1907 lässt sich im Volltext bei der Biodiversity Heritage Library (BHL) unentgeltlich einsehen. Die Quellenangabe oben ist nicht ganz korrekt, statt "June 1907" müsste es "April 1907" heißen und die richtigen Seitenzahlen lauten 129-140.

Wer mag kann sich den Bericht von der BHL-Website als PDF an eine E-Mail-Adresse senden lassen und dabei auswählen, ob er nur den Scan haben möchte oder ein durchsuchbares PDF. Ich habe mich aus naheliegenden Gründen für das durchsuchbare PDF entschieden.

Sollte Klaus Buchner den Bericht von A. D. Imms tatsächlich vorliegen haben, wie er es in seinem Video behauptet, trifft ihn der Vorwurf der Geschichtsfälschung jetzt mit voller Härte, denn in dem Bericht wird die angeblich für Bienen mörderische Funkstrahlung des Marconi-Langwellensenders auf der Isle of Wight oder irgendeines anderen Funksenders mit keiner Silbe erwähnt. Entgegen der Darstellung Buchners hegte Imms keinerlei Verdacht, die Bienen auf der Insel seien Opfer elektromagnetischer Wellen geworden. Er glaubte vielmehr, die Insekten litten an einer "Erkrankung des Verdauungssystems, die man als eine Ausdehnung des Enddarms beschreiben könnte. Der Dickdarm und der angrenzende Teil des Mastdarms sind enorm ausgedehnt mit einer stauenden Materialmasse, die hauptsächlich aus Pollen besteht. Der aufgeblähte Dickdarm übt Druck auf die großen abdominellen Luftsäcke des Luftröhrensystems aus und beeinträchtigt so in hohem Maße deren Funktion." Verendet seien die Bienen letztlich an Blutvergiftung. Imms musste sich für seine Diagnose später allerdings den Vorwurf gefallen lassen, er verstünde nichts von der Anatomie der Bienen, denn das, was er als abnormale Ausdehnung des Enddarms identifiziert habe, sei bei Bienen völlig normal.

Ich gehe allerdings weiterhin davon aus, Buchner hat geflunkert, als er andeutete, im Besitz des Imms-Bericht zu sein, stattdessen hat er die Falschmeldung mutmaßlich von Firstenberg übernommen und als Eigenleistung ausgegeben. Das entlastet den Professor der Mathematik ein wenig. Ob Firstenberg der Urheber der dreisten Geschichtsfälschung ist oder der Amerikaner seinerseits abgekupfert hat, ist noch zu klären.

Eines aber zeigt der Vorfall schon jetzt: Mitglieder der Anti-Mobilfunk-Szene schrecken nicht davor zurück, historische Begebenheiten mit frei erfundenem Belastungsmaterial gegenüber Funkwellen anzureichern und in Umlauf zu bringen. Und leider finden sich in der Szene auch Akademiker mit Rang und Namen, die sich der Fälschung bedienen und die Spur zur Quelle verwischen, mit dem unlauteren Ziel, irrationale Bedenken gegenüber elektromagnetischen Wellen im Unterbewusstsein der Bevölkerung zu verankern.

Buchners Motiv für diesen verabscheuungswürdigen Populismus sehe ich darin, dass er glaubt, auf diese Weise seiner Partei (ÖDP) Wähler zuführen zu können, die er zuvor mit seinen zahllosen öffentlichen Auftritten verunsichert hat. Die ÖDP wirbt damit, die einzige Partei zu sein, die den sorglosen Umgang mit der Mobilfunkstrahlung im Parteiprogramm anprangert. Doch selbst das ist nur die halbe Wahrheit, denn zur Bundestagswahl 2009 hatten noch vier Parteien Mobilfunkkritik im Programm. Andere wie die Grünen haben seither dazugelernt, die ÖDP nicht. Auch prahlt es sich leicht, die ÖDP sei die einzige Partei, die keine Konzernspenden annehme – wenn bislang kein einziger Konzern je auf die Idee gekommen ist, der ÖDP auch nur 1 Euro zu spenden :-).

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Falschmeldung, Ko-Ini, ÖDP, Populismus, Klaus Buchner

Klaus Buchner für Stellungnahme nicht erreichbar

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 03.12.2020, 12:44 (vor 1484 Tagen) @ H. Lamarr

Meine soeben per Mail verschickte Einladung an Klaus Buchner, sich zu verteidigen, kam als unzustellbar zu mir zurück. Die E-Mail-Adresse info@klaus-buchner.eu ist auf dem Mailserver der ÖDP unbekannt. Ich werde es mit einer anderen Mailadresse weiter versuchen.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Klaus Buchner über das Bienensterben auf der Isle of Wight (I)

Schutti2, Donnerstag, 03.12.2020, 18:14 (vor 1484 Tagen) @ H. Lamarr

Damals hatte Marconi den ersten großen dauerhaften Sender überhaupt auf der Welt errichtet. […] und wenn sie in einer bestimmten Höhe waren, sind sie von den Strahlen des Senders getroffen worden...

Was für ein armseliger Spätherbst eines ehemaligen Hochschullehrers für Physik und oder Mathematik.

Gut recherchierte Geschichte :clap:

Isle of Wight: Stellungnahme von Klaus Buchner

H. Lamarr @, München, Samstag, 05.12.2020, 23:19 (vor 1482 Tagen) @ H. Lamarr

Über seine private E-Mail-Adresse habe ich Klaus Buchner doch noch erreicht. Und nur zwei Stunden später war seine Antwort da. Hier zunächst der Wortlaut meiner Mail:

Lieber Klaus!

In einem deiner Videos behauptest du, das Bienensterben auf der Isle of Wight vor mehr als 100 Jahren stünde im Zusammenhang mit einem Marconi-Funksender auf dieser Kanalinsel. Ich habe gründlich recherchiert, deine Aussage als Geschichtsfälschung identifiziert und zerreiße dich deshalb bei uns im Forum in der Luft. Wenn du etwas zu deiner Verteidigung vorbringen möchtest, schreibe es mir und ich stelle deine Entgegnung in den Forumstrang ein. Hilfreich wäre vor allem, wo du den Bezug des historischen Bienensterbens zu Funkfeldern her hast, ich vermute von Arthur Firstenberg, denn das Imms-Paper kann es definitiv nicht sein.

Viele Grüße aus Freimann

Stephan

Da ich keine ausdrückliche Freigabe zum Einstellen seiner Antwort habe, gebe ich den Inhalt von Klaus Buchners Stellungnahme mit meinen Worten in indirekter Rede wieder.

Klaus schreibt, ich hätte die falsche Studie zitiert (Imms, A. D., June, 1907. Report on a disease of bees In the Isle of Wight. Journal of the Board of Agriculture, Vol. XIV, No. 3, pp. 120-140), doch welches die richtige ist, verrät er in seiner Mail nicht. Dann meint er, mit Verweis auf die im Zusammenhang mit 5G diskutierten einschlägigen Arbeiten über das Immunsystem und EMF-Einwirkung, es sei kein Widerspruch, wenn die Bienenvölker auf der Kanalinsel vor etwa 116 Jahren einer Infektion erlegen seien.

Meinen Hinweis, Bienen könnten wegen ihrer kleinen Körpergröße dem Funkfeld eines Langwellensenders nicht nennenswert Energie entziehen, kontert er damit, eine einfache Abschätzung, die mit der Feldstärke des Senders zusammenhinge, ergäbe, dass mein Hinweis unzutreffend sei. Über Einzelheiten, wie diese Abschätzung anhand der mageren Datenlage über den Marconi-Sender auf der Insel überhaupt anzustellen sei, äußert sich Klaus nicht.

Soweit seine Aussagen zum Sachstand. Darüber hinaus ließ er mich wissen, er werde sich nicht im Forum verteidigen. Denn anstelle einer sachlichen Auseinandersetzung sehe er dort nur das Ziel, Kritiker schlecht zu machen und die Betreiber gut dastehen zu lassen. Unklar ist, wen er mit Betreiber meint, die Mobilfunknetz- oder die Forumbetreiber. Dieser Umstände wegen sei es ihm – zumindest vorerst – auch egal, wenn er verleumdet werde. Er beabsichtige jedenfalls ganz sicher nicht, mit einer Diskussion über seine Äußerungen zum historischen Bienensterben auf der Isle of Wight seine Zeit zu verplempern.

Diese Antwort von Klaus Buchner traf am 3. Dezember um 15:24 Uhr ein. Am selben Tag bat ich ihn um 17:15 um bibliografische Angaben zur "richtigen" Studie von Imms, damit ich diese finden könne. Da Antwort ausblieb, wiederholte ich meine Bitte noch einmal mit Nachdruck am 4. Dezember um 14:42 Uhr. Antwort ist bis jetzt nicht eingetroffen und ich gehe davon aus, da kommt auch nichts mehr.

Eine Prüfung der auffindbaren Quellen hat ergeben, A. D. Imms hat im fraglichen Zeitraum keine weitere Abhandlung über das Bienensterben auf der Kanalinsel publiziert. Und Klaus' Hinweis auf die Immunschwäche ist gegenstandslos, da spätere Untersuchungen den Befund von Imms als falsch identifizierten und erstmals von Milbenbefall sprachen. Unklar ist, ob seine Entgegnung zur Energieaufnahme von Bienen im Funkfeld eines Langwellensenders Bestand hat. Denn dieser Diskussionsstrang könnte dafür sprechen, ein befragter Physiker kanzelte Buchners Entgegnung hingegen als Ablenkungsmanöver ab.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Instant-Experte, Populismus, Ablenkungsmanöver, Besserwisser, Hybris, Hochmut

Bienensterben auf der Isle of Wight: Zusammenfassung

H. Lamarr @, München, Freitag, 11.12.2020, 23:35 (vor 1476 Tagen) @ H. Lamarr

Über ein 1904 einsetzendes massenhaftes Bienensterben auf der englischen Kanalinsel Isle of Wight wurden Anfang des 20. Jahrhunderts sogar Bücher geschrieben. Der erste Wissenschaftler, der sich des Phänomens annahm, war 1907 A. D. Imms, dessen Arbeiten zwei Jahre später von W. Malden fortgesetzt wurden. Weitere Untersuchungen folgten. Der Anfangsverdacht, Nosema-Parasiten, ein Einzeller, der Magen und Darm von Honigbienen befällt, bestätigte sich indes nicht. Mehrere andere Hypothesen kamen und wurden widerlegt, heute gilt CBPV (Chronisches Bienenlähmungsvirus) als wahrscheinlichste Ursache des rätselhaften Bienensterbens vor 116 Jahren.

Der US-Amerikaner Arthur Firstenberg, ein überzeugter "Elektrosensibler", der 2010 eine Nachbarin und seinen Vermieter erfolglos auf 1,43 Mio. US-Dollar Schadenersatz verklagte, weil beide seiner Forderung nicht nachkamen, ihr Mobiltelefon und andere elektronische Geräte auszuschalten, entdeckte 2016 die alte Geschichte und brachte sie in seinem Buch "The Invisible Rainbow" (Kapitel 8) erstmals in Zusammenhang mit Funksendern. Doch Firstenberg ist vorsichtig. Schaut man sich sein Zitat im Startposting an, wird deutlich: Er selbst behauptet nicht, der Marconi-Funksender auf der Kanalinsel sei die Ursache für das Bienensterben dort gewesen, geschickt induziert er diese Fehlinterpretation seines Textes lediglich in den Kopf seiner Leser.

Wahrscheinlich ist dieser Fehler auch Klaus Buchner passiert, der sich wegen der hohen Inhaltsnähe seiner oben genannten Ausführungen mit großer Wahrscheinlichkeit des Zitats von Firstenberg bediente. Buchner tappt in Firstenbergs Falle und verfälscht dessen Originaltext mit dem frei erfundenen Halbsatz "[...] sind sie [die Bienen; Anm. Postingautor] von den Strahlen des Senders getroffen worden, auf den Boden gefallen und kurz drauf eingegangen." Buchner behauptet damit fälschlich, A. D. Imms habe einen Kausalzusammenhang zwischen den elektromagnetischen Feldern des Marconi-Funksenders und dem Bienensterben auf der Kanalinsel gefunden.

Seinen Fehler wollte der Ex-Europaabgeordnete der ÖDP auf meine Nachfrage jedoch nicht eingestehen, stattdessen deutete er an, mich möglicherweise wegen Verleumdung gerichtlich zu belangen. In Anbetracht der erdrückenden Faktenlage sehe ich a) einer Klage entspannt entgegen und b) ist diese Uneinsichtigkeit des ehemaligen ÖDP-Bundesvorsitzenden für mich zutiefst befremdlich. Denn wegen seiner seit rd. 20 Jahren andauernden populistischen Desinformation mit angeblichen Risiken des Mobilfunks mache ich ihn mitverantwortlich für den Suizid eines überzeugten "Elektrosensiblen", der sich Anfang 2013 aus Angst vor der LTE-Einführung in Norddeutschland das Leben nahm. Buchner kondolierte seinerzeit gemeinsam mit anderen, und machte weiter, als sei nichts geschehen.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum