Murg-Hänner: Ortschaftsrat kapituliert vor Barbara Dohmen (Allgemein)
Ein Foto im Südkurier zeigt sechs Frauen, die sich anlässlich einer Sitzung des Ortschaftsrats im Ortsteil Hänner der Gemeinde Murg gegen die Errichtung eines Mobilfunksendemasten stemmten, darunter die ortsansässige Ärztin Barbara Dohmen. Zwei der Frauen halten Pappschilder mit tiefgründigen Botschaften in die Kamera. Der Ärztin, diesmal ohne ihren weißen Kittel, gelang es dem Bericht zufolge den sechsköpfigen Ortschaftsrat von Hänner so erfolgreich auf die "gesundheitlichen Risiken des Mobilfunks" hinzuweisen, dass sich der Rat außerstande sah, dem Bauantrag für einen zweiten Mobilfunksendemasten in Hänner zuzustimmen. Eine "elektrosensible" Begleiterin der Ärztin hat mit ihrer "eindrucksvollen" Fallschilderung wohl ebenfalls zu diesem Votum beigetragen. Ob die ablehnende Haltung des Ortschaftsrats den Sendemasten verhindern kann ist jedoch völlig offen. Hingegen lässt sich leicht erraten, wer den Südkurier mobilisiert hat, eine Reporterin in die weltbewegenden Sitzung zu entsenden.
In München gibt es weit mehr als 1000 Mobilfunkstandorte, in Hänner nur einen.
Bild: EMF-Datenbank BNetzA
Vor Gericht hat die Ärztin weniger Glück, wahrscheinlich deshalb, weil sie es dort nicht mit Laien, sondern Fachleuten zu tun hat. Dokumentiert ist z.B. der Fall einer Angestellten, die vor dem Sozialgericht Würzburg auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Belastung des ganzen Körpers durch elektromagnetische Strahlung klagte. Das Sozialgericht prüfte den Anspruch gründlich, zog dazu auch den Befund von Dohmen zu Rate – und wies die Klage dennoch ab. Die Klägerin zog daraufhin weiter vors Landessozialgericht, München. Ein beigezogener Gutachter stellte dort fest, die Klägerin leide an einer Fülle sehr vielgestaltiger, zeitlich sehr wechselnder Symptome ohne fassbares klinisches Korrelat. Diese Beschwerden würden von der Klägerin als Folge vermehrter Elektrosensibilität gedeutet und sie sei in dieser Haltung unter anderem durch den Befund der Ärztin B. Dohmen "fixiert" worden.
Wenn ich den Gutachter richtig verstehe, produziert Frau Dohmen sozusagen "Elektrosensible", indem sie entsprechend disponierte Patienten in ihrem Irrglauben bestärkt, "elektrosensibel" zu sein. Dies wäre insofern bedenklich, da Frau Dohmen lediglich die Staatsexamen absolviert und ihre Approbation erhalten hat. Sie darf daher als Ärztin auftreten und arbeiten, nicht aber als Dr. med., denn die dazu erforderliche wissenschaftliche Dissertation und die Prüfung (Rigorosum) fehlen ihr. Die Ärztin hat somit (ebenso wie ich) keinen formellen Nachweis erbracht, dass sie wissenschaftliches Arbeiten beherrscht.
Satellitenbild von Murg-Hänner.
Bild: Google Earth
Die Bedenken werden zu Befremden wenn man weiß, dass auch die Ärztin selbst der Überzeugung ist "elektrosensibel" zu sein, wie es 2018 in einem Zeitungsartikel nachzulesen war. Befremdlich ist diese Selbsteinschätzung deshalb, weil die evidenzbasierte Wissenschaft bis heute weltweit keinen einzigen "Elektrosensiblen" finden konnte, der seine ungewollte Fähigkeit, schwache elektromagnetische Felder körperlich spüren zu können, unter wissenschaftlicher Aufsicht nachweisen konnte. Die vorherrschende wissenschaftliche Meinung ist deshalb die, "Elektrosensibilität" sei keine physische Erkrankung, sondern eine psychische Störung. Dieser Befund ist mittlerweile so gut gesichert, dass die seriöse Erforschung des Phänomens "Elektrosensibilität" nach einer Hochphase um 2010 herum heute nur noch auf Sparflamme stattfindet.
Der Südkurier setzte über seine bewegende Story die Überschrift "Der Ortschaftsrat Hänner hat ein Zeichen gegen Mobilfunk gesetzt". In Anbetracht der oben geschilderten Umstände kann ich in dem Zeichen allerdings nichts Anerkennenswertes erkennen, sondern nur Hilflosigkeit gegenüber einer handvoll Wutbürger, die ihre persönlichen Interessen druckvoll durchsetzen. Dem Südkurier zufolge bauten 15 Personen diesen Druck auf, das sind 1,27 Prozent der 1179 Hänner' Bürger. Die Kriegsflagge dieses leicht zu beeindruckenden Ortschaftsrates scheint ein weißer Adler auf weißem Grund zu sein . Ob der Gemeinderat in Murg sich weniger leicht zurechtbiegen lässt wird sich zeigen.
Den Ortschaftsrat konnte Barbara Dohmen einwickeln, das Landessozialgericht, München, hingegen nicht. Es wies die Berufung der "elektrosensiblen" Klägerin 2016 zurück und ließ keine Revision zu.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –