Faktencheck: IEC 62232 empfiehlt 6 dB Reduktionsfaktor (Technik)
Der aktuell diskutierte Reduktionsfaktor ist noch nicht bestimmt. Die Branche hat eine Reduktion um 10 dB vorgeschlagen [Faktor 10], was der Regulator womöglich als zu hoch erachtet.
Da Exposition von Unbeteiligten zufällig (stochastisch) stattfindet, müssen zur Charakterisierung der Exposition, erstmals im Mobilfunk, statistische Analysemethoden verwendet werden. Eine solche Analyse wurde bereits vonseiten der Wissenschaft durchgeführt und legt mit hoher Wahrscheinlichkeit (95 Prozent Treffsicherheit) nahe, dass die zufällige Exposition einer Person an einem zufälligen Aufenthaltsort im Mittel 4-mal niedriger ist (6 dB) als die Exposition, die bislang auf Grundlage traditioneller Methoden berechnet wurde. Dieser 6-dB-Wert wurde in den Norm-Entwurf IEC 62232:2017 übernommen (deutscher Titel: Bestimmung der HF-Feldstärke, der Leistungsdichte und der spezifischen Absorptionsrate SAR in der Nachbarschaft von Funkkommunikations-Basisstationen zur Ermittlung der menschlichen Exposition). Dies bedeutet, dass 5G-Antennen kurzzeitig mit maximal der 4-fachen Leistung senden dürften, und dennoch über die Zeit gemittelt ein (national) geltender Grenzwert eingehalten wird.
An der Norm 62232 arbeitet die "International Electrotechnical Commission" schon seit 2011, bislang wurden sämtliche Entwürfe, auch der von 2017 wieder zurückgezogen, erst jetzt soll die verbindliche Fassung 62232:2019-08 vorliegen. Das Papier kostet hierzulande 263,84 €, was die Verbreitung unter Privatpersonen empfindlich einschränken wird. Wenigstens das Inhaltsverzeichnis (englisch) des veralteten rd. 240 Seiten umfassenden Entwurfs von 2017 kann man sich <hier> ansehen und es wird deutlich, dass dort wesentlich mehr Arbeit drinsteckt, als sich selbsternannte Experten der Anti-Mobilfunk-Szene träumen lassen, die, nach Sichtung zufällig ergatterter Verkaufsunterlagen eines 5G-Antennenherstellers glauben, Bescheid zu wissen.
Wenn ich den aktuellen Flurfunk richtig verstanden habe, ist die Norm 62232 das Rückgrat der Harmonisierungsbestrebungen, die dem bislang herrschenden weltweiten Wirrwar nationaler Vollzugsanordnungen, wie welcher Funkdienst konkret zu messen ist, ein Ende bereiten soll – zumindest in Nordamerika und Europa. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die kürzliche Ankündigung der US-Vollzugsbehörde FCC zu sehen, die bisherigen EMF-Grenzwerte in den USA zwar beizubehalten, die dazugehörigen Vollzugshilfen jedoch gründlich zu entrümpeln.
Die Schweiz orientiert sich in ihren Verordnungen häufig an EU- und Weltstandards. Der Reduktionsfaktor von 6 dB sollte deshalb ein heißer Kandidat sein für das kommende Ergebnis der Leuthard-Arbeitsgruppe. Denkbar ist jedoch auch ein höher angesetzter Reduktionsfaktor, weil in der Schweiz mit den Anlagegrenzwerten ohnehin schon um Faktor 100 (bezogen auf Leistungsflussdichte, Faktor 10 bezogen auf elektrische Feldstärke) tiefere Grenzwerte gelten als in den meisten anderen Ländern. Die Schweizer Netzbetreiber hoffen deshalb, wie Swisscom oben schreibt, auf einen Reduktionsfaktor von 10 dB. In spätestens vier Wochen sollte der veröffentlichte Bericht der Leuthard-Arbeitsgruppen in diesem Punkt Klarheit geschafft haben.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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