Stadt München gab Mobilfunk-Vorsorgemodell schon 2017 auf (Allgemein)
Mobilfunk-Vorsorgemodelle und -Standortkonzepte schossen nach dem geschickt inszenierten Medienrummel um das "Gräfelfinger Modell" ab 2002 wie Pilze aus dem Boden – getrieben von irrationalen Ängsten gegenüber Funkwellen. Wutbürger jubelten und eine Handvoll privater Standortplaner verdiente sich eine goldene Nase. Inzwischen aber macht sich in den Kommunen Ernüchterung breit, eine Stadt/Gemeinde nach der anderen trennt sich diskret von den einst gutgläubig errichteten, tatsächlich jedoch nutzlosen Hindernissen für eine sinnvolle Mobilfunkversorgung.
Am 25.03.2019 überraschte die Süddeutsche Zeitung (SZ) mit einer Randbemerkung, die für die Anti-Mobilfunk-Szene eine bedrohliche Signalwirkung haben muss:
Wenn die Stadt Garching ein zeitgemäßes mobiles Breitbandnetz wolle, müssten zwei dieser Standorte modernisiert werden. "Ohne diese beiden exponierten Standorte müssten zur Kompensation pro Netzbetreiber mindestens drei Standorte im bebauten Bereich errichtet werden", schrieb die Telekom als Antwort auf eine Anfrage der Stadt. Sie weist außerdem darauf hin, dass auch die Stadt München inzwischen von den Schweizer Werten auf die Bundesgrenzwerte umgestellt habe. Diese Thematik sei "zeitgemäß durch die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung geregelt". Eine Studie der TU Ilmenau in Zusammenarbeit mit der Stadt München zeige zudem, dass die persönliche Gesamtexposition vom Mobiltelefon am Kopf dominiert werde und nicht von den Sendestationen.
Da wir 2003, damals noch als ahnungslose "nützliche Idioten" in der Anti-Mobilfunk-Szene unterwegs, dem Münchener Mobilfunk-Vorsorgemodell mit Hurra den Weg bereitet haben, erschien uns die völlig geräuschlose Aufgabe des Vorsorgemodells durch die Stadt suspekt. Wir fragten deshalb im Münchener Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) nach, was an der beiläufigen SZ-Meldung dran sei.
Das RGU bestätigte die Meldung. Mit Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 23.11.2017 wurde das, bei der Vermietung städtischer Liegenschaften für die Errichtung von Mobilfunksendeanlagen bisher geltende sogenannte "Münchener Vorsorgemodell" aus dem Jahr 2003, aufgehoben. Seither gelten bei der Vermietung von Standorten oder bei der Erweiterung bestehender Sendefunkanlagen auf städtischen Liegenschaften nunmehr ausschließlich die Anforderungen der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. Bundes-Immissionsschutzverordnung - 26. BImSchV). Die Einhaltung der Anforderungen der 26. BImSchV wird durch die Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur nachgewiesen. Immissionsprognosen, Abnahmemessungen, Freigaben und dergleichen sind nun entbehrlich.
Die Stadt München befindet sich mit der Aufgabe des "Münchener Vorsorgemodells" in guter Gesellschaft, sie ist längst nicht die einzige Stadt/Gemeinde, die erkannt hat, dass derartige Vorsorgemodelle ein Relikt aus vergangenen Tagen sind. Derartige Modelle, die gerne von "unabhängigen" privaten Standortplanern an meist kleine Gemeinden teuer verkauft werden, sind faktisch nutzlos bis schädlich. Sie beruhen auf irrationalen Ängsten gegenüber Mobilfunk-Basisstationen, die um 2004 ihren Höhepunkt erreichten, und auf dem technischem Unverständnis von Kommunalpolitikern.
Da sich mit dem Verkauf von Mobilfunk-Vorsorgemodellen oder -Standortkonzepten viel Geld verdienen lässt, brachten Mobilfunkgegner derartige Forderungen und deren Verwirklichung häufig werbewirksam in die Medien, die Newsletter und Rundbriefe der Anti-Mobilfunk-Szene waren ohnehin voll davon. Ganz anders in Gegenrichtung: Die Szene zeigt keinerlei Interesse, die Aufgabe eines Modells oder Konzepts medial zu vermarkten, sie versucht diese jüngere Entwicklung tot zu schweigen. Da die organisierten Druckmacher und Gewinnler fehlen, bleibt es so eher dem Zufall überlassen, wenn in den Medien Berichte über das Ende eines Modells/Konzepts auftauchen. Aller Voraussicht nach haben sich weitaus mehr Städte/Gemeinden von den Kompetenz-Sünden ihrer Vergangenheit getrennt, als gemeinhin bekannt ist.
Hintergrund
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –