Münchener Mobilfunk-Vorsorgemodell gescheitert (Allgemein)
Als 2003 das Münchener Mobilfunk-Vorsorgemodell im Stadtrat beraten und schließlich verabschiedet wurde, waren die Erwartungen bei den Mobilfunkgegnern in der Bayerischen Landeshauptstadt groß. Wir glaubten, hunderte Standorte in der Stadt müssten sich den Regelungen des Vorsorgemodells unterwerfen. Doch wie so häufig bei Mobilfunkgegnern, Wunschdenken und Realität finden nicht zusammen.
Um es kurz zu machen: Im Sommer 2017 fragte das IZgMF bei der Stadt an, wie viele Standorte diese seit Inkrafttreten des Vorsorgemodells an die Mobilfunk-Netzbetreiber vermieten konnte. Mitte Juli erhielten wir vom Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) die Antwort:
Derzeit sind 5 Mobilfunkanlagen auf Dächern, 3 Anlagen auf vorhandenen Hochmasten und 3 auf unbebauten Grundstücken von der Landeshauptstadt München an die Netzbetreiber vermietet. Zusätzlich bestehen eine Anzahl von "Tunnelverträgen", die aber nicht Gegenstand Ihrer Anfrage waren.
Unterm Strich hat die Stadt demnach elf Standorte an die Netzbetreiber vermieten können. Diese Anzahl lässt sich nicht bewerten ohne Kenntnis der Anzahl aller Mobilfunk-Standorte im Münchener Stadtgebiet. Da die Stadt seit Aufgabe ihrer Senderkarte mit den Münchener Mobilfunk-Standorten selbst keinen Überblick mehr hat und auf die BNetzA verweist, greife ich auf die Zahlen zurück, die das IZgMF im April 2014 erfragte: Damals gab es in München 1160 Standorte für Mobilfunk-Sendemasten (ein Mast oder mehrere) mit insgesamt 6535 Mobilfunk-Antennen. Seither sind mehr als drei Jahre vergangen, in denen der LTE-Netzausbau stattfand. Ich schätze deshalb die Anzahl der Standorte heute auf 1300, die Anzahl der Antennen auf mindestens 14'000.
Bei 1300 Standorten sind elf Standorte auf städtischen Liegenschaften ein Anteil von bescheidenen 0,85 Prozent.
Das Münchener-Mobilfunk-Vorsorgemodell, das auf dem Papier eine so gute Figur macht, darf daher auf dem Rollenprüfstand mit Fug und Recht als gescheitert betrachtet werden, es ist ein Papiertiger, der zu keiner Zeit ein Tiger war und nennenswerte Wirkung auf die EMF-Immissionsverteilung in München hatte. Völlig wirkungslos war das Modell aus meiner Sicht indes nicht, es hatte anfangs eine durchaus stimulierende Wirkung auf die wenigen Mobilfunkgegner der Stadt, wir fühlten uns damals ernst genommen.
Da heute in der Millionenstadt Mobilfunkgegner so gut wie ausgestorben sind, könnte das Vorsorgemodell aus meiner Sicht schmerzfrei aufgegeben werden, es würde sich dadurch ohnehin so gut wie nichts ändern. Mit einer Ausnahme: Wenn im Oktober das größte Volksfest der Welt stattfindet und Millionen Gäste über zwei Wochen hinweg wie wild telefonieren, dann brummen an den Mobilfunk-Standorten auf und um die "Wies'n" die Sender und kratzen an den erlaubten Vorsorgewerten. Ohne diese Vorsorgewerte wären höhere Immissionen zulässig (maximal ICNIRP-Grenzwerte), was aber auch wurscht wäre, denn zur Wiesenzeit hat München mit ganz anderen Immissionen zu kämpfen (z.B. unkontrollierte Getränkerückgabe an Bäumen, Büschen, Autos, Wänden ...), da kommt es auf ein bisschen mehr Elektrosmog auch nicht mehr an.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –