Elektrosmog-Tipp: Nachtspeicheröfen nachts ausschalten (Technik)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 06.07.2014, 23:12 (vor 3818 Tagen)

"Wirksamer Schutz vor Elektrosmog" steht auf der Titelseite eines älteren Büchleins des gelernten Physikers Bernd Müller. Aus meiner Sicht kein allzu gutes Buch. Es verdammt zwar pseudowissenschaftlichen Strahlenschutz-Humbug dort hin, wo dieser hingehört, befürwortet zugleich jedoch Schutzmaßnahmen wie abschirmende Fensterfolien, ohne deren Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Das Büchlein spielt damit Firmen in die Hände, deren Geschäftsmodell auf (unnötiger) Angst vor Elektrosmog beruht.

Der Grund für dieses Posting ist jedoch ein ganz anderer, nämlich der Tipp, den der Autor zu Nachtspeicherheizungen gibt. Er schreibt über Nachtspeicheröfen:

Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von elektrischen und magnetischen Feldern sieht es aber anders aus: Während des Ladevorgangs fließen durch den Heizkörper hohe Ströme, die weit ins Zimmer reichende Magnetfelder erzeugen.

Bis auf fehlende quantitative Angaben (z.B. was ist "weit" ins Zimmer reichend) gibt es an dieser Aussage nicht viel zu kritisieren. Bis drauf, dass noch lange nicht klar ist, ob "weit ins Zimmer reichende Magnetfelder" überhaupt eine gesundheitliche Relevanz haben.

Doch dann kommt folgender erstaunlicher Tipp:

Schalten Sie die Nachtspeicheröfen in allen Schlafräumen nachts aus. In der Regel müssen Sie im Schlafzimmer auch tagsüber kaum heizen. Im Kinderzimmer, das tagsüber wärmer sein soll, können Sie die Heizung morgens einschalten, wenn Ihr Kind im Kindergarten oder in der Schule ist.

Dieser Tipp zeigt: Der Autor hat keine praktische Erfahrung mit Nachtspeicherheizungen, er formuliert seinen Tipp nicht anhand von Wissen, sondern von theoretischen Eigenüberlegungen, wie es vielleicht sein könnte.

Tatsächlich ist der Tipp völlig wertlos und sogar schädlich. Denn wer seinen Nachtspeicherofen nachts ausschaltet, verhindert die nächtliche Aufladung des Ofens mit Wärmeenergie und muss frieren. Die Aufladung eingeschalteter Nachtspeicheröfen geschieht automatisch durch den Stromanbieter, der abhängig von verfügbarer Netzkapazität und Außentemperatur im Winter z.B. von 23:00 Uhr bis 5:30 Uhr Nachtstrom durch die Öfen schickt und diese so ohne menschliches Zutun für die Wärmeentnahme am nächsten Tag auflädt. Außerhalb der Nachtstromphase verursacht ein Nachtspeicherofen keinen oder nur ganz wenig Elektrosmog. Ist der Nachtspeicherofen nachts ausgeschaltet, wird er nicht aufgeladen und das Zimmer bleibt bis zur nächsten Aufladung ungeheizt. Dies kann sehr unangenehm sein, hat man ein Modell, das nicht notfalls Heizen mit teurem Tagstrom zulässt. Gespeichert wird die Wärme in hochdichten Materialen, z.B. Backsteinen. Deshalb sind solche Öfen auch so höllisch schwer und bringen mühelos 200 kg oder 300 kg auf die Waage. Die Raumerwärmung erfolgt wahlweise allein durch Strahlungswärme oder durch einen kleinen Radiallüfter, der kalte Luft ansaugt, durch die heißen Backsteine leitet, und die warme Luft schließlich in den Raum bläst. Ich bin immer wieder erstaunt, welche enorme Wärmemenge ein paar lumpige Backsteine über lange Zeit speichern bzw. abgeben können. Wir heizen z.B. mit nur zwei 4-kW-Nachtspeicheröfen unser rund 50 m² großes Wohnzimmer. An kalten Tagen sinkt die Raumtemperatur allerdings bei leer gepumpten Öfen schon mal auf 18 °C und billig ist diese Form der Heizung schon lange nicht mehr.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Überlegung, Nachtspeicherheizung, Nachtspeicherofen


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