B. Levitt & H. Lai: Biologische Effekte von Basisstationen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 30.11.2010, 23:13 (vor 5106 Tagen)

In der aktuellen Ausgabe 18/2010 der Environmental Reviews publizieren B. Blake Levitt und der unverwüstliche Henry Lai eine Arbeit mit dem Titel: Biological effects from exposure to electromagnetic radiation emitted by cell tower base stations and other antenna arrays, deren Volltext gratis zum Download angeboten wird. Die Arbeit beruht auf einer Literaturauswertung von Basisstationsstudien (Befeldung im privaten/beruflichen Umfeld) und von anderen Studien, die ebenfalls mit einer schwachen Dauerbefeldung gearbeitet haben. Erwartungsgemäß kommt das Autorenteam zu dem Schluss, dass es Hinweise gibt, die es rechtfertigen, bei der Wahl der Standorte von Basisstationen Vorsicht walten zu lassen.

Aus Seite 5 des PDFs sind einige Studien aufgelistet, die bei den schwachen Feldern auftreten, wie sie Basisstationen gemäß der Autoren in etwa 60 bis 150 Meter Entfernung hervorrufen können. Dabei wird deutlich, dass die Autoren unter "schwachen Feldern" auch noch Werte von z.B. 10 mW/m² verstehen und damit in einer Region sind, die von überzeugten Mobilfunkgegnern und geschäftstüchtigen Baubiologen als völlig unzumutbar angesehen werden. Hierzulande wird selbst 1/1000-stel des genannten Werts von interessierter Seite noch als "Anomalie" gesehen.

Nett: Prof. Lerchls "Hamsterstudie" ist allen Bemühungen unseres Ex-Teilnehmers "wuff" zum Trotz als Belastungsbeleg für die "metabolische Wirkung" von EMF in die Studie eingeflossen.
Tragisch: Die berühmt/berüchtigte "UMTS-Studie" aus Wien findet sich in der trauten Eintracht von Tabelle 1 ebenfalls als Belastungsbeleg, jedoch für Genschäden an Fibroblasten.

Der Umstand, dass sowohl Lerchl et al. als auch Schwarz et al. gemeinsam friedlich in die Studie aufgenommen wurden, zeigt mMn auf erheiternde Weise die Grenzen derartiger Literaturstudien auf, denn es kommt offensichtlich auf die persönliche Wahrnehmung der Autoren an, wie sie welche Studie werten. Hätte z.B. "wuff" mitmischen dürfen, wäre der sicher eher ins Kloster gegangen, bevor er einer Aufnahme der ihm so verhassten Hamsterstudie zugestimmt hätte. Derselbe Umstand sollte eigentlich auch die allzu begeisterte Ausschlachtung der neuen Literaturstudie durch Mobilfunkgegner einschränken, denn dies würde ja zugleich die Gutheißung der Hamsterstudie bedeuten. Da aber in der Mobilfunkgegnerei das Differenzieren zugunsten des Pauschalisierens gerne auf der Strecke bleibt, wird uns die Levitt/Lai-Studie vermutlich noch geraume Zeit als Alarmstudie begleiten ;-). Dabei haftet mMn auch dieser Alarmstudie, wie so vielen anderen, ein systematischer Makel an, der die Aussagekraft stark relativiert: Wer Entlastendes nicht gleichberechtigt in die Bewertung mit einbezieht, der wird immer einen Grund zum Alarmieren finden, egal was er auch untersucht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Fibroblasten, Hamster, Levitt, Henry Lai, Literaturstudien

Überraschung!

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 01.12.2010, 14:52 (vor 5105 Tagen) @ H. Lamarr

In der aktuellen Ausgabe 18/2010 der Environmental Reviews publizieren B. Blake Levitt und der unverwüstliche Henry Lai eine Arbeit ...

So weit so gut. Henry Lai ist bekannt, ein Wissenschaftler und eine der vier Ikonen der Sendemastengegner. Aber wer ist B. Blake Levitt? Blake Edwards, den Regisseur, ja, den kennt man auch hier - aber Blake Levitt? Schon gut, ich drehe nicht länger am Rad der Streckbank: Es ist ein amerikanisches Pendant zur hiesigen Antje Bultmann, kein Mann, sondern eine "Wissenschaftsjournalistin" mit Schwerpunkt EMF.

Bittesehr, hier entlang

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Bultmann, Levitt, Henry Lai

IEMFA: Der Kreis schließt sich

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 01.12.2010, 15:16 (vor 5105 Tagen) @ H. Lamarr

Es ist ein amerikanisches Pendant zur hiesigen Anke Bultmann, kein Mann, sondern eine "Wissenschaftsjournalistin" mit Schwerpunkt EMF.

Und wie es sich für Clevere heutzutage gehört, bekennt man mit der Zugehörigkeit zu einem erfolgversprechenden Netzwerk (andere nennen es Seilschaft), in welchem Lager man sich wohl fühlt. Mrs. Levitt fühlt sich z.B. bei der IEMFA wohl, sie wird dort unter "Life-science members" geführt.

Die IEMFA mag vieles sein, für mich ist sie ein geschäftlich orientiertes globales Netzwerk, das momentan noch mit eher bedeutungslosen Gruppierungen (derzeit etwa 50) die weltweite Verbreitung der hinreichend bekannten Desinformation in EMF-Fragen intensivieren soll. Aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt sich noch niemand an diesem Netz. Berichte über "EMF-Skandale" und "EMF-Sensationen" aus fernen Ländern gibt es vereinzelt aber auch hier schon. In umgekehrter Richtung ist es das "Verdienst" solcher Netzwerke, dass bedeutungslose Regionalstudien wie die von Dr. Eger über EMF im Städtchen Selbitz bis ins ferne Kalifornien gespült und dort als "peer-reviewed" gelobt und dem staunenden Laien um die Ohren gehauen werden. Ob es ausreicht, infolge der Vernetzung noch viel mehr (fadenscheinige) Alarmmeldungen zur Verunsicherung der Bevölkerung in Umlauf zu bringen, wird sich zeigen, zumindest sprichwörtlich ist es erfolgversprechend: Viele Hunde sind des Hasen Tod.

Mit Ihrer Zugehörigkeit zur IEMFA kann ich Levitt nicht mehr als unvoreingenommen ansehen, das Ergebniss der Arbeit mit Lai ist vorhersehbar gewesen.

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Eger, Einflussnahme, Netzwerk, IEMFA, Levitt

Unterschiedliche Qualitätsansprüche

Doris @, Mittwoch, 01.12.2010, 23:41 (vor 5105 Tagen) @ H. Lamarr

Mit Ihrer Zugehörigkeit zur IEMFA kann ich Levitt nicht mehr als unvoreingenommen ansehen, das Ergebniss der Arbeit mit Lai ist vorhersehbar gewesen.

Bei diesen Review-Studien denke ich liegt es an den unterschiedlichen Qualitätsmerkmalen, welche die Reviewer ihrer Arbeit zugrunde legen.

Martin Röösli brachte dieses Jahr ebenfalls eine Review Studie heraus

Systematischer Review zu den gesundheitlichen Wirkungen einer hochfrequenten elektromagnetischen Feld-Exposition aurch Mobilfunk-Basisstationen

Röösli schloss gerade die "Kronjuwelen der Kritiker" aus, die Begründung in deutscher Sprache bei der ELMAR-Datenbank lautet:

Bemerkung:
In der Diskussion wird angemerkt, dass 3 epidemiologische Studien zur Häufigkeit von Krebserkrankungen und 3 Studien zu unspezifischen Beschwerden bei Anwohnern in der Umgebung von Mobilfunkbasisstationen von der Auswertung ausgeschlossen wurden. Diese Studien erfüllten die Einschlusskriterien nicht, weil entweder die Datenerhebung oder die Auswahl der Teilnehmer sowohl mit der Exposition als auch mit der Zielgrösse assoziiert war (Selektionsbias). In zwei Studien wurde die Entfernung zur nächsten Basisstation von den Teilnehmern selbst eingeschätzt.

Auf der WHO-Seite gibt es den Volltext der Studie ----> hier

und da steht zum Ausschluss der Studien folgendes:

We excluded three epidemiological studies suggesting a link between cancer incidence and proximity to MPBSs48–50 and three studies indicating an association with non-specific symptoms51–53 because they did not fulfil our quality criteria. Data collection48–50 or selection of study participants51 was obviously related to exposure and outcome and therefore biased. Two studies used self-estimated distance, not objective distance, as an exposure measure,52,53 which is problematic because it is likely to introduce bias, especially in combination with self-reported symptoms.

Um diese Studien - auf welche die Kritiker vorrangig ihre Argumentation aufbauen - handelt es sich:

48. Eger H, Hagen KU, Lucas B, Vogel P, Voit H. Einfluss der räumlichen Nähe von Mobilfunksendeanlagen auf die Krebsinzidenz [Influence of proximity to mobile phone base stations on cancer incidence]. Umwelt - Medizin - Gesellschaft 2004; 17: 326-32.

49. Eger H, Neppe F. Krebsinzidenz von Anwohnern im Umkreis einer Mobilfunksendeanlage in Westfalen; Interview-basierte Piloterhebung und Risikoschätzung [Cancer incidence among people living near a mobile phone base station in Westphalia: an interview-based pilot survey and risk estimation]. Umwelt - Medizin - Gesellschaft 2009; 22: 55-60.

50. Wolf R, Wolf D. Increased incidence of cancer near a cell-phone transmitter station. Int J Cancer Prev 2004; 1: 123-8.

51. Navarro E, Segura J, Portolés M, Gómez-Perretta de Mateo G. The microwave syndrome: a preliminary study in Spain. Electromagn Biol Med 2003; 22: 161-9 doi: 10.1081/JBC-120024625.

52. Santini R, Santini P, Danze JM, Le Ruz P, Seigne M. [Investigation on the health of people living near mobile telephone relay stations: I. Incidence according to distance and sex]. Pathol Biol (Paris) 2002; 50: 369-73 pmid: 12168254.

53.Santini R, Santini P, Le Ruz P, Danze JM, Seigne M. Survey study of people living in the vicinity of cellular phone base stations. Electromagn Biol Med 2003; 22: 41-9 doi: 10.1081/JBC-120020353.

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Game over, Eger, Kronjuwelen, Santini, Basisstation, Röösli, Navarro, Wolf, Qualitätsmerkmal

Rest in peace: Zum Gedenken an die Naila-Studie

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 02.12.2010, 00:36 (vor 5105 Tagen) @ Doris

48. Eger H, Hagen KU, Lucas B, Vogel P, Voit H. Einfluss der räumlichen Nähe von Mobilfunksendeanlagen auf die Krebsinzidenz [Influence of proximity to mobile phone base stations on cancer incidence]. Umwelt - Medizin - Gesellschaft 2004; 17: 326-32.

49. Eger H, Neppe F. Krebsinzidenz von Anwohnern im Umkreis einer Mobilfunksendeanlage in Westfalen; Interview-basierte Piloterhebung und Risikoschätzung [Cancer incidence among people living near a mobile phone base station in Westphalia: an interview-based pilot survey and risk estimation]. Umwelt - Medizin - Gesellschaft 2009; 22: 55-60.

Gleich zwei Eger-Studien bei Röösli auf der Schwarzen Liste? Da wird Herr Jakob zornig wieder ein paar Nägel in seine Voodoo-Puppe von Röösli hämmern, denn er hatte sich doch mit Haken & Ösen darum bemüht, dass die erste der Eger-Studien, die Naila-Studie, endlich als "richtige" Studie anerkannt wird.

Tatsächlich wurde Dr. Eger damals schon sehr früh um die Ohren gehauen, dass der Abstand zu einem Sendemast kein vernünftiges Maß für die Exposition ist. Und dumpf kann ich mich noch daran erinnern, dass Prof. Buchner eigens zur Behebung dieses Mankos nach Naila reiste und dort mit einem Breitbandmessgerät der Nick-Knatterton-Reihe vor den Häusern der Studienteilnehmer Messungen machte. Das war damals in dieser elend langen Phase, zwischen der medienwirksamen Erstvorstellung der Studie in der Frankenhalle von Naila und der ordentlichen Publikation der Studie. In der Publikation hat Eger die Messwerte von Buchner dann aber doch nicht verwendet, was der Grund dafür ist weiß ich nicht. Dass er sich an der Breitbandmessung (statt besser frequenzselektiv) gestört hat glaube ich nicht, Eger hat mit Funkmesstechnik nichts am Hut und konnte dies mMn zumindest damals nicht kundig bewerten.

Die zweite von Röösli ausgeschlossene Studie ist die Hennen-Studie. Der haben wir hier auch schon mal auf den Zahn gefühlt und deshalb kann ich die Entscheidung von Röösli, diese Studie auszumustern, sehr gut nachempfinden. Auch auf Seiten der Kritiker hat es Hennen nie zu dem Glanz von Naila gebracht, da war von Anfang an der Wurm drin, es begann allerdings auch nicht mit einem TV-Spektakel, sondern eher bescheiden.

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Dr. Ratto über das Eigentor der beiden Autoren

Gast, Mittwoch, 01.12.2010, 23:43 (vor 5105 Tagen) @ H. Lamarr

Der Umstand, dass sowohl Lerchl et al. als auch Schwarz et al. gemeinsam friedlich in die Studie aufgenommen wurden, zeigt mMn auf erheiternde Weise die Grenzen derartiger Literaturstudien auf, denn es kommt offensichtlich auf die persönliche Wahrnehmung der Autoren an, wie sie welche Studie werten.

Kurios ist vieles. Studien, die etwas finden, werden quantitativ zitiert und Inhalte 1 zu 1 übernommen. Studien die nichts finden, werden geschickt ausgewählt - entweder welche, die doch am Rande eine Kleinigkeit finden, was dann selektiv betont wird (Lerchls Hamsterstudie), oder diejenigen, die wichtig waren und wo das Verschweigen z.B. von Referees oder kritischen Lesern vorgeworfen werden könnte. Mit anderen Worten: Wenn Studien die nichts finden (ohne Befund) in einer Literaturstudie (Review) nicht erwähnt werden, kann es schon sein dass dies ein Referee (Gutachter) beim Peer-review-Verfahren bemerkt und das Review ablehnt. In der öffentlichen Diskussion macht es zumindest bei den noch ergebnisoffenen Beteiligten einen schlechten Eindruck, bekannte Studien ohne Befund nicht zu erwähnen - diese nennen und auf mögliche Fehler hinweisen ist wesentlich geschickter. Das wäre auch in Ordnung, wenn Studien mit Befund nach denselben Kriterien kritisch bewertet wären. Das ist aber nicht der Fall.

Bei den Studien ohne Befund kommt immer am Ende der Studienbewertung ein leises ABER (selection bias, zu wenig Probanden, alle Studien aus einem Labor...). Das ist auch teilweise richtig, die Studien mit alarmierenden Befunden werden aber nicht so kritisch bewertet.

Zurück zur Levitt/Lai-Studie: In der Diskussion dort wird mit der Lilienfeld-Studie und der Moskauer Botschaft argumentiert - damit disqualifizieren sich die Autoren selber.

Nachdem die ganze Forschung ab den 70-er Jahren aufgerollt und nach Meinung der Autoren klargestellt wurde, wie bedenklich die Strahlung von Sendern ist, ist der letzte Satz, in dem betont wird, dass es sich um ein neues Gebiet handelt und dass Förderung und Forschung sofort benötigt werden, eine echter Hammer. Da kommt dann unverhohlenes Eigeninteresse raus.

Dr. G. Ratto

[Editiert zum besseren Verständnis am 2.12.2010, 21:39 Uhr]

Tags:
Lilienfeld-Studie, Hamster, Studienbewertung, Moskau, Levitt, Henry Lai

Ähnlichkeiten zum Tabaklobbyisten

KlaKla, Donnerstag, 02.12.2010, 09:38 (vor 5104 Tagen) @ Gast

Kurios ist vieles.

Dr. Eger verhielt sich meiner Erinnerung nach ähnlich wie der bekannte Tabaklobbyist. Bevor er seine Studie einem seriösen Wissenschaftsgremium zur Begutachtung vorlegte, machte er daraus ein Medienevent (Naila-Studie).

Das vorgelegte Gutachten der Universität Bremen kam von Prof. Rainer Frenzel-Beyme, der Herausgeber der Zeitschrift: Umwelt - Medizin - Gesellschaft ist, wo Dr. Eger publizierte.

Auch hier, nur eine zufällige Ähnlichkeit der Strategie des Tabaklobbyisten???

Der Laie ist leicht zu blenden, die anerkannte Wissenschaft wohl weniger.

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