Epidemiologisches Stochern im Nebel (Allgemein)

Doris @, Sonntag, 02.03.2008, 22:29 (vor 6109 Tagen) @ H. Lamarr

Oh je, das ist jetzt alles ein bisserl schwierig, aber ich habe noch ein paar "aber".

Die Mehrzahl der epidemiologischen Studien über die Auswirkungen von EMF sind beobachtender Natur, was eine Bewertung der Kausalität problematisch macht.

Die Interphone Studie ist auch eine epidemiologische Studie und momentan stützen sich die Erkenntnisse bezüglich der evtl. Entwicklung eines Gehirntumors nur auf diese Studie.
Was macht die Interphone Studie - wenn überhaupt - bedeutender im Gegensatz zu anderen epidemiologischen Studien?

Je mehr Kriterien zutreffen, desto stärker wird die Hypothese von einem Kausalzusammenhang. Diese Kriterien sind:

Die Assoziationsstärke, normalerweise als relatives Risiko ausgedrückt, d.h. der Faktor, mit dem die Inzidenzrate in den exponierten Bevölkerungsgruppen gegenüber den nichtexponierten Bevölkerungsgruppen steigt.

Nach diesem Gesichtspunkt werden doch epidemiologische Untersuchungen grundsätzlich durchgeführt.

Zeitlicher Zusammenhang (die Exposition muss der Auswirkung vorausgehen, unter Berücksichtigung der Latenzzeit der Krankheit).

Trifft auf die Interphone Studie zu

Biologische Plausibilität, d.h. ob die Postulierung angemessen ist, dass die Ursache über einen Mechanismus wirkt, der dem biologischen Wissensstand über die Schädlichkeit der Einwirkung entspricht.

Ich komme richtig ins Schwitzen :-( Die Beobachtungen der Interphone Studie decken sich eher nicht mit dem biologischen Wissensstand. Das was die jüngsten Ergebnisse andeuten, ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft doch eher nicht erklärbar.

Was die Interphone Studie unterscheidet, ist wohl die Tatsache, dass sie von etlichen Ländern durchgeführt wird und deshalb die ERgebnisse aussagekräftiger sein werden.

Warum sind Laborversuche wesentlich belastbarer?

Aus meiner Laien-Sicht sind Laborversuche sehr genau kontrollierbar und können auf diese Weise unerwünschte Störer (Confounder) ausschließen.

Aber gerade das Ausschließen von unerwünschten Confounder und somit das Fixieren auf nur eine Sache kann auch nachteilig sein. Ich bekomme das jetzt vermutlich nicht so ganz richtig zusammen.
So wurde doch bei Vitamin B als Nahrungsergänzungsmittel erst kürzlich festgestellt, dass es bei Rauchern unerwünschte Wirkung zeigt und im Verdacht steht eben nur im Zusammenhang mit Rauchen Krebs auszulösen. So steht seit neuestem auf diesem ansonsten ja empfohlenen Vitaminpräparat die Warnung für die Raucher unter der Bevölkerung. So was kann ja auch nur festgestellt werden, wenn nicht alle Confounder bei einer Bewertung ausgeschlossen werden und ist nur durch "Beobachtungen" (was einer epidemiologischen Untersuchung entspricht) möglich.

Wenn das der Fall ist, dann ist - sozusagen - die K.... am dampfen. Aber das haben Sie alles voraussichtlich auch so schon gewußt,

ne, so eigentlich nicht und ich bin zwar nun etwas schlauer durch Ihren Beitrag aber so richtig zufrieden bin ich nach wie vor nicht, es entstanden für mich noch mehr Fragen als vorher und diesen Zustand kann ich absolut nicht leiden, weil mich das jetzt nicht loslässt. Aber eine Internetdiskussion ist dafür eben nicht unbedingt geeignet, es ist zum einen schwer sich richtig verständlich zu machen und zum anderen ist es nicht immer so toll, evtl. dumm dazustehen, weil man auf dem Schlauch steht. Aber da denke ich dann immer, mein Gott, es kennt mich ja keiner wirklich :-)

Noch was, "Studien beobachtender Natur" sind ja auf vielen anderen Gebieten auch ein absolutes Muss, so auch z.B. bei Arzneimitteln. Da habe ich erst kürzlich was sehr interessantes gelesen, was ein beliebtes Argument der Mobilfunkkritiker auch aushebelt. So wird ja immer wieder verbreitet, kein Arzneimittel würde auf den Markt kommen, wenn nicht sämtliche Risiken ausgeschlossen werden könnten. Bei der Mobilfunktechnologie würden evtl. Risiken als sog. Freilandversuch am Menschen getestet werden.

Auszug aus einem Interview mit Prof. Ludwig über das Drama von Northwick Park

Zum Zeitpunkt der Zulassung ist die langfristige Sicherheit vollkommen unbekannt. Diese Präparate werden dann in kürzester Zeit bei zigtausend Menschen eingesetzt mit eventuell schwerwiegenden Folgen. . Seltenere Nebenwirkungen, die allerdings auch einen schweren Verlauf haben können, werden manchmal erst in der Phase nach der Zulassung gefunden.

(Deshalb auch die Aufforderung, Nebenwirkungen, die nicht auf dem Beipackzettel stehen zu melden)

...wieviele Ärzte aber kommen auf die Idee, dass ein neues Medikament etwa verantwortlich sein könnte für das plötzliche Ableben eines alten Patienten, dessen Herz versagt? Im Fall von "Vioxx" dauerte es fünf Jare, bis zur Rücknahme vom Markt. Allein in Deutschland erlitten mehr als 7000 Patienten Schäden durch das Präparat, so auch Herzinfarkte.


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