Füssen im Allgäu: Ein 5G-Moratorium schwebt in der Luft (Allgemein)
Gestern stand Füssen im Allgäu am Abgrund. Denn der Umweltbeirat der Stadt hatte den Stadträten anlässlich ihrer Sitzung am 22. Oktober 2024 einstimmig die Beschlussempfehlung gegeben, sich mit bis zu vier Plem-Plem-Moratorien für einen Stopp des 5G-Ausbaus auszusprechen. Ob der Stadtrat der Empfehlung gefolgt ist und sich öffentlich blamieren wird, ist noch nicht raus. Doch wenn es so ist, hat der Umweltbeirat den Stadträten einen Bärendienst erwiesen, indem er Desinformation des Stuttgarter Vereins Diagnose-Funk unkritisch an sie herangetragen hat.
Fünf Jahre nach der Versteigerung der 5G-Lizenzen in Deutschland bei nahezu lückenloser 5G-Flächenversorgung auf die Idee zu kommen, den 5G-Ausbau in Bayern auf den letzten Metern mit Moratorien zu stoppen, ist schon vom Ansatz her kaum nachvollziehbar und deutet auf einen Schildbürgerstreich hin. Würde der Unfug nennenswert Geld verbrennen, er wäre ein Fall für den bayerischen Rechnungshof. Da dies jedoch nicht zutrifft, ist die feinstoffliche Causa Füssen durch alle groben Maschen gefallen und erst beim IZgMF hängen geblieben.
Das Unheil nimmt seinen Lauf ...
Am 2. Oktober 2024 schritten der amtierende Vorsitzende des Füssener Umweltbeirats (Andreas Eggensberger) und sein Stellvertreter (Martin Metzger) zur Tat. Sie verfassten für die kommende Sitzung des Stadtrats am 22. Oktober vier Beschlussanträge (669 bis 672) für ein 5G-Moratorium. Inhaltlich unterscheiden sich die vier Anträge im Wesentlichen nur mit den genannten Adressaten, die den Aufschub des weiteren 5G-Ausbaus veranlassen sollen. Stellvertretend für alle vier Anträge hier der ungelenk formulierte Antrag, der die bayerische Landesregierung gefügig machen soll:
Der Stadtrat der Stadt Füssen fordert die bayerische Landesregierung (hier: bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie) im Rahmen der Mobilfunkinitiative Bayern die derzeitig gültigen Mobilfunkgrenzwerte im Sinne des Bevölkerungsschutzes kritisch zu hinterfragen und ggf. einem Ausbau-Moratorium für den Mobilfunk anzustreben. Dieses Moratorium könnte solange gelten, bis die vom Oberverwaltungsgericht Koblenz angeforderte Überprüfung bzw. Neubewertung der Grenzwerte, die für den Mobilfunk gelten, erfolgt ist.
Die drei anderen Adressaten sind a) die Mobilfunknetzbetreiber, b) der für das Ostallgäu zuständige Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke und c) das Bauamt im Landratsamt Ostallgäu.
Alternative Fakten haben Hochkonjunktur
Der Verein Diagnose-Funk wird zwar in keinem der Anträge als Stichwortgeber für die verschrobene Begründung der irrationalen Forderung nach einem 5G-Moratorium genannt, die Handschrift der Stuttgarter ist jedoch unschwer zu erkennen. Die Begründung ist in allen vier Anträgen wortgleich. Als Grundlage für die Forderung nach einem Moratorium wird an erster Stelle das Urteil des OVG Koblenz vom 04.04.2024 genannt, in dem das Gericht angeblich die Überprüfung der derzeitigen Grenzwerte (Sachverhaltsaufklärung) für den Mobilfunk angeordnet habe. Doch was sich wie eine amtliche Verlautbarung liest, ist in Wahrheit lediglich die unverbindliche Meinungsbekundung der Diagnose-Funk nahe stehenden Rechtsanwältin Sibylle Killinger. Begründete Zweifel an deren Darstellung sowie Links zu Originalquellen gibt es hier.
Weiter heißt es in der Begründung für das Moratorium: "Bis zur juristischen Klärung (ggf. bis zum Bundesverwaltungsgericht) wäre ein Moratorium die einzige richtige Antwort auf die Situation". Mein Kommentar dazu: Wer wirklich glaubt, eine komplexe wissenschaftliche Streitfrage könne von einem deutschen Verwaltungsgericht kompetent geklärt werden, der glaubt wahrscheinlich auch, Zitronenfalter würden Zitronen falten .
Wie Perlen auf einer Schnur drängen sich in der weiteren Begründung für das Moratorium unqualifizierte Behauptungen des Stuttgarter Vereins Schulter an Schulter. Im Einzelnen darauf einzugehen ist mir zu mühsam, deshalb hier und jetzt nur Stichworte und Links zu den Entgegnungen:
► Athem-3-Studie: Bewertung der Studie durch das Bundesamt für Strahlenschutz.
► ICBE-EMF: Die von Icnirp empfohlenen HF-EMF-Grenzwerte gelten in ungefähr 170 Ländern der Erde, die von ICBE-EMF empfohlenen HF-EMF-Grenzwerte gelten in null Ländern der Erde (kein Link zur Hand).
► Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA): Das Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf.
Hintergrund
Fußabdruck von Füssen im IZgMF-Forum
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –