Budzinski über Mobilfunk-Grenzwerte (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 27.11.2010, 15:48 (vor 5113 Tagen) @ H. Lamarr

Bernd Irmfrid Budzinski, Richter am VG a. D., hat einen neuen Artikel geschrieben, diesmal in Heft 19/2010 der NVwZ (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht) eine Kritik an den Ergebnissen des DMF: Das Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm – Ein neues Argument gegen mehr Rücksichtnahme?

Wenn sich ein Ex-Verwaltungsrechtler wie Budzinski privat über Details zur Mobilfunktechnik Gedanken macht, kommt folgendes dabei heraus:

Sind Mobilfunkwellen folglich selbst weit unterhalb der gegenwärtig geltenden Grenzwerte biologisch wirksam, dann fehlt schließlich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts eine normative Regelung zur Bewältigung des daraus entspringenden aufgezeigten Risikos. Denn derartige athermische Folgen wurden bei der Festsetzung der Grenzwerte nicht nur unzureichend, sondern bewusst - da für inexistent gehalten - überhaupt nicht geregelt. Nur so konnten die Grenzwerte mit einigem Anspruch auf Rationalität überhaupt ungehemmt 10-milliardenfach - und damit insoweit wirkungslos überhöht - über dem so genannten Sendeminimum für funktionierende Funkverbindungen festgesetzt werden, welches als Ausgangspunkt für eine die Risiken ahwägende Festsetzung hätte maßgeblich sein müssen.

Mit seiner Behauptung der Missachtung athermischer Effekte liegt der ehemalige Verwaltungsrechtler wieder einmal falsch. Ein Blick in die ICNIRP-Richtlinie hätte ihm gezeigt, dass athermische Effekte (Muskel-/Nervenreizungen) sehr wohl von den Grenzwerten berücksichtigt werden, diese athemischen Effekte im Frequenzbereich zwischen 100 kHz bis 10 MHz jedoch allmählich in thermische Effekte (Wärmegefühl) übergehen.

Schlimmer ist die zweite Behauptung. Budzinski dokumentiert sein technisches Unverständnis, indem er behauptet, zur Festsetzung der Grenzwerte hätte das Sendeminimum für funktionierende Funkverbindungen angesetzt werden müssen, das 10-milliardenfach unterhalb der momentanen Grenzwerte liegt. Klingelt's? Ex-Verwaltungsrichter Budzinski greift hier eines der schlimmsten K.o.-Argumente der Sendemastegegner in leicht abgewandelter Form auf, demzufolge sich regelmäßig Leute über die vermeintlich absurd hohe Emission von Mobilfunksendern entsetzen (bis zu 10 W/m²), wo doch Handys schon mit weniger als einem 10-Milliardstel davon funktionieren! Warum diese Rechnung eine Milchmädchenrechnung ist, lässt sich hier nachlesen. Da dies aber anscheinend schwierig zu begreifen ist, hier noch ein anderer Erklärungsversuch:

Um eine Straße nachts zu beleuchten könnte man an einem Ende einen leistungsstarken Flakscheinwerfer aufstellen, der bis ans andere Ende leuchtet. Am Scheinwerfer ist es dann viel zu hell, auf halber Strecke etwa optimal und am Ende der Straße schon fast wieder zu dunkel. Um aber überhaupt bis ans Ende der Straße zu leuchten, muss der Scheinwerfer so kräftig sein. Jede Verringerung der Lichtleistung würde sich am Ende der Straße sofort mit unerwünschter Dunkelheit bemerkbar machen. So in etwa ist auch die Situation bei Mobilfunk-Sendemasten: Damit ein Handy auch noch am Rand einer Funkzelle zuverlässig funktionieren, müssen die Sender weitaus stärker senden (bis zu 10-milliardenfach), als wenn das Handy direkt vor dem Mast betrieben werden sollte.

Wie wir alle wissen, werden megastarke Flakscheinwerfer nicht zur Straßenbeleuchtung verwendet, stattdessen stehen in kurzen Abständen schwächer leuchtende Peitschenmasten, die über die gesamte Strecke eine einigermaßen gleichmäßige Ausleuchtung der Straße gewährleisten. Dieses Prinzip wäre auch mit Funkmasten umsetzbar: Statt eines stark strahlenden mehrere schwach strahlende. Mit seinen mMn unqualifizierten Stellungnahmen gegen Sendemasten torpediert der Ex-Verwaltungsrichter aber genau so eine sinnvolle Entwicklung, denn er verbreitet undifferenziert diffuse Ängste vor Sendemasten, egal ob diese stark oder schwach strahlen. Er erschwert damit eine Netzverdichtung. Dabei kann man sich leicht selber ausrechnen, dass eine Netzverdichtung sowohl den Anwohnern von Sendemasten zugute kommt, mehr noch aber den Nutzern von Handys. In beiden Fällen werden Menschen schwächeren Funkfeldern ausgesetzt - und dies ist bis zur endgültigen Klärung, ob überhaupt starke Felder schädlich sind, vorsorglich sinnvoll.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Missbrauch, Milchmädchen, Netzverdichtung, Titel, Amateur, Trick


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