Murray vs. Motorola: Anklagepunkte & Schadenersatzansprüche (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 20.07.2024, 15:34 (vor 97 Tagen) @ H. Lamarr

Ja, in den USA ist es üblich, dass Anwaltskanzleien, die Kläger vertreten, die Kosten und Ausgaben für Rechtsstreitigkeiten im Voraus tragen. Dies erfordert, dass Klägerkanzleien über große "Kriegskassen" verfügen oder andere Mittel zur Finanzierung des Falles suchen.

Eine Vorfinanzierung der Prozesskosten durch Anwälte der Kläger findet selbstredend dann bevorzugt statt, wenn sich die Advokaten gute Chancen ausrechnen zu gewinnen. Die KI von Microsoft behauptet, dann ginge üblicherweise 1/3 der zugesprochenen Schadenersatzzahlung an die verauslagenden Anwälte.

Das wirft die Frage auf, um wie viel geht es eigentlich in dem Prozess wegen Körperverletzung Murray vs. Motorola? Auskunft gibt die Klageschrift von 2001 (Obacht, das ist eine 95-seitige TIF-Grafik, die nicht jedes Grafikprogramm anzeigen kann). Dort werden die elf Anklagepunkte genannt und beschrieben, welche die Anwälte von Murray einst ersonnen haben:

► Vorsätzlicher Betrug und Irreführung
► Fahrlässige Täuschung
► Verschuldensunabhängige Produkthaftung
► Unterlassene Warnung und fehlerhafte Herstellung und Konstruktion
► Fahrlässigkeit
► Verstoß gegen die vertragliche Gewährleistung
► Verstoß gegen die verpflichtende Gewährleistungspflicht
► Verschwörung
► Verstöße gegen das Verbraucherschutzgesetz des District of Columbia aus dem Jahr 2000
► Zivilrechtliche Haftung
► Verlust der Ehegemeinschaft

Kuriosum am Rande: In den Finalszenen seines Märchenfilms "Thank you for Calling" (Ty4C) behauptet Klaus Scheidsteger mit dramatischer Musikuntermalung und Bildern eines krachend aufschlagenden Richterhammers vermeintlich Weltbewegendes: [...] am Freitag den 8.8.2014 hatte Richter Weisberg seine Order erteilt. Jeder einzelne Hirntumorfall muss vor einer Jury verhandelt werden mit diesen Punkten: Vorsätzlicher Betrug, Fahrlässige Falschdarstellung, Sorgfaltspflichtverletzung, [...]. Trivialer lassen sich die Zuschauer nicht für dumm verkaufen! Denn Scheidsteger verkauft hier die Anklagepunkte vom Prozessbeginn 2001 als nagelneue Sensation und Quintessenz seines unsäglichen Streifens.

Milliardenspiel

Bis auf die zivilrechtliche Haftung ist jeder der zehn verbleibenden Anklagepunkte mit Schadenersatzforderungen in Höhe von mindestens 50 Mio. Dollar und Strafzahlungen in Höhe von mindestens 100 Mio. Dollar bewehrt. Macht zusammen allein für Murray Forderungen in Höhe von mindestens 1,5 Mrd. Dollar. Ob dieser Betrag auch für jeden der zwölf Fälle gilt, die sich im Laufe der Jahre an den Fall Murray angehängt haben, ist unklar. Schlimmstenfalls belaufen sich die Forderungen insgesamt dann auf 19,5 Mrd. Dollar. Davon 33 Prozent wären rd. 6,4 Mrd. Dollar für die in Vorleistung gegangenen Klägeranwälte.

Allerdings ist es üblicherweise so, dass die von US-Schadenersatzprozessen häufig berichteten absurd hohen Forderungen von Richtern drastisch zurechtgestutzt werden. Aber selbst dann wäre im Fall Murray et al. vs. Motorola et al. für die Anwälte noch immer genug drin, um in Erwartung eines üppigen Geldregens mit ein paar Milliönchen in Vorleistung zu gehen. Dies gilt besonders für die federführende Kanzlei der Kläger Morganroth & Morganroth, die laut Scheidsteger auch den zwielichtigen George Carlo als Berater beschäftigt hat. Einziger Beleg dafür: In Ty4C ist Carlo einige Sekunden lang in der Rechtsanwaltkanzlei gemeinsam mit Mayer Morganroth zu sehen, was alles oder nichts bedeuten kann.

[Admin: Anwaltsanteil von 4,3 auf 6,4 Mrd. Dollar berichtigt am 23.07.2024, 20:05 Uhr]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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