HUJs Irrtümer (7): Supsi-Untersuchung kritisch gesehen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 04.12.2023, 19:49 (vor 216 Tagen) @ H. Lamarr

Aus meiner Sicht ist die Supsi-Untersuchung stellenweise jedoch irritierend und daher nicht ganz so einfach zu deuten.

Hier im Forum wurde die Supsi-Untersuchung bereits im April 2007 stellenweise kritisch kommentiert. Damals hatte das IZgMF sich noch nicht vollständig von der Anti-Mobilfunk-Szene gelöst.

Nie nichts Genaues weiß man nicht

Rückblickend kann ich meine Begeisterung für die Untersuchung nicht mehr nachvollziehen, denn die Autoren haben es mMn kunstvoll verstanden, ihre Ergebnisse so zu verschleiern, dass deren konkrete Bewertung praktisch unmöglich ist. Möglicherweise betrifft dies nur die Veröffentlichung und nicht die Rohdaten, die seinerzeit mutmaßlich an die Behörden gingen. Ich meine damit Daten, die Auskunft geben, um wie viel bei den 22 Grenzwertüberschreitungen der jeweilige Anlagegrenzwert AGW (frequenzabhängig 4 V/m, 5 V/m oder 6 V/m) überschritten wurde. Quantitative Angaben zum Ausmaß der AGW-Überschreitung konnte ich in dem Papier nicht ausmachen, diese wären aber entscheidend, um eine Überschreitung bewerten zu können, z.B. als belanglos oder als bedenklich. Organisierte Mobilfunkgegner sind an so einer Differenzierung nicht interessiert. Für sie zählt allein die günstige Gelegenheit, selbst jede noch so kleine AGW-Überschreitung hemmungslos zum Schüren irrationaler Ängste gegenüber EMF in der Bevölkerung zu nutzen.

Maximal 115 Prozent AGW-Überschreitung

Bild 3 der Veröffentlichung zeigt die Messwerte in einem kartesisches Koordinatensystem mit x-Achse (berechnete Werte) und y-Achse (gemessene Werte). Stimmten alle Messwerte mit den zuvor berechneten Prognosewerten perfekt überein, würde das Diagramm eine Gerade mit der Steigung 1 zeigen. Tut es nicht, da Mess- und Prognosewerte mehr oder weniger voneinander abweichen.

Zwar zeigt das Diagramm rot markiert 22 Messwerte, die den zugehörigen AGW überschreiten, zweifelsfrei lässt sich jedoch nur sehr begrenzt ausmachen, welcher der drei AGW überschritten wurde. Die acht Grenzwertüberschreitungen im Wertebereich von 4 V/m bis 5 V/m lassen sich noch plausibel dem AGW 4 V/m zuordnen. Alle Grenzwertüberschreitungen >5 V/m (>6 V/m) entziehen sich jedoch einer konkreten Zuordnung, da diese Werte einer maßvollen Überschreitung der AGW 5 V/m (AGW 6 V/m) zugeordnet werden können, ebenso gut aber auch einer maßlosen Überschreitung des AGW 4 V/m. Die Bilder 4 und 5 helfen nicht aus der Klemme, da die Autoren über die Technologie der Messpunktsignale (Funksystem: GSM900/1800, UMTS) keine Auskunft geben.

Der höchste gemessene Wert war gemäß Bild 3 rd. 8,6 V/m. Im günstigsten Fall (AGW 6 V/m) wurde somit der AGW um maximal rd. 43 Prozent überschritten, im ungünstigsten Fall (AGW 4 V/m) um maximal rd. 115 Prozent. Da die erweiterte Messunsicherheit ±45 Prozent beträgt, kann im günstigsten Fall nur eine vermeintliche Grenzwertüberschreitung vorgelegen haben, die real nicht vorhanden war. Bleibt nur der ungünstigste Fall übrig. Ob dieser überhaupt von Belang oder wegen falscher AGW-Annahme schlicht irrelevant ist, können nur die Autoren der Supsi-Untersuchung beurteilen.

2007 schrieb im IZgMF-Forum der Teilnehmer "RDW": "Jedenfalls ist es sehr fraglich, ob tatsächlich jemals Grenzwertüberschreitungen auftreten und wo genau diese sind." Damals erschien mir sein Einwand suspekt, heute nicht mehr.

Viel Wind, wenig Substanz

Das maßlos überzogene Gedöns des Gigaherz-Präsidenten ist vor allem unter dem Aspekt zu sehen, dass es sich bei den Grenzwertüberschreitungen in der Schweiz um den AGW handelt, also um einen tief angesetzten Vorsorgewert und nicht um den deutlich höheren Immissionsgrenzwert gemäß Icnirp (maximal 61 V/m), der in der Schweiz als "Gefährdungswert" eingestuft wird. Sogar eine tatsächliche Überschreitung des AGW um 115 Prozent ist aus diesem Blickwinkel gesehen so harmlos wie ein Mückenstich, da zwischen 8,6 V/m und 61 V/m noch immer ein dickes Vorsorgepolster jeden Eidgenossen vor möglicherweise unerkannten EMF-Risiken schützt. Ob der Schweizer AGW überhaupt eine Schutzwirkung hat, ist wissenschaftlich nie untersucht worden. Diesem Posting zufolge lässt sich eine offensichtliche Schutzwirkung gegen Hirntumoren jedenfalls nicht erkennen, eher trifft das Gegenteil zu.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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