SWR (2019): Proteste gegen superschnelles 5G (Medien)

H. Lamarr @, München, Freitag, 07.06.2019, 13:26 (vor 1997 Tagen) @ H. Lamarr

Sendeanstalt: SWR
Sendereihe: Zur Sache Baden-Württemberg
Sendung: Proteste gegen superschnelles 5G [Video online bis 05.06.2020]
Ausstrahlung: 6. Juni 2019
Beitragsdauer: 5:49 Minuten
Moderation: –
Regie: unbekannt
Autor: Christian Saathoff
Produktion (Auftragnehmer): unbekannt
Auftraggeber: unbekannt
Redaktion: unbekannt

Auftretende Personen
- Mario Babilon (überzeugter Elektrosensibler)
- Klaus Dold (Allgemeinmediziner, Homöopathie, Naturheilverfahren, Psychotherapie)
- Alexander Lerchl (Wissenschaftler, Biologe)
- Gunde Ziegelberger (Bundesamt für Strahlenschutz, BfS; Biologin)

Wertung Postingautor: Der Autor des Beitrags bemüht sich um Ausgewogenheit, die vordergründig auch mit je zwei Vertretern aus den gegnerischen Lagern gegeben ist. Wäre da nicht wieder ein krasses Kompetenzgefälle: Die beiden Wissenschaftler Lerchl und Ziegelberger treffen nicht etwa auf zwei Wissenschaftler der Gegenseite, sondern auf zwei fachliche Laien (Autodidakten). Auf diese Weise trifft professionelles Wissen auf dilettantische Meinung. Der Zuschauer (Laie) erkennt dies nicht, ihm wird fälschlich eine Pattsituation suggeriert, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist. Der Beitrag bietet fachlichen Laien aus der Anti-Mobilfunk-Szene eine Plattform, ihre Außenseitermeinung öffentlich zu verbreiten. Hinzu kommt ein kurzer tendenziöser redaktioneller Begleittext auf der SWR-Website, der irrationale Ängste schürt und unachtsame Zuschauer auf die gewünschte Rezeption des Beitrags programmiert.

Begründung
► Eine Studie in Österreich attestierte 2005 Allgemeinmedizinern erhebliche Kenntnisdefizite in Elektrosmog-Sachfragen. Der Studienautor resümierte seinerzeit: "Es ist eher einzigartig, dass es einen derartig weit verbreiteten Widerspruch zwischen den Meinungen von Ärzten und der anerkannten nationalen und internationalen Risikobewertung gibt. Angesichts der Häufigkeit der Begegnung mit dieser Thematik zeigen die Ergebnisse einen dringenden Handlungsbedarf auf."
► Der Begleittext zur Sendung auf der SWR-Website lautet tendenziös: "Gegen den neuen Mobilfunkstandard 5G regt sich Widerstand. Die Handystrahlung gefährde die Gesundheit und könne sogar Krebs auslösen." Die Zuschauer werden damit schon vor Start des Videos einseitig auf Alarm gebürstet, eine berichtigende Gegenstimme fehlt.
► Die Frage, warum ausgerechnet die beiden Mobilfunkgegner Babilon und Dold für den Film ausgewählt wurden, beantwortet der Beitrag nicht. Die Auswahl wirkt willkürlich, als ob die beiden gerade zur Hand waren. Mutmaßlich sollen die akademischen Titel "Informatikprofessor" und "Doktor" dem Zuschauer Kompetenz in EMF-Sachfragen vorgaukeln.
► Mario Babilon ist eigenen Angaben zufolge ein selbstdiagnostizierter "Elektrosensibler", d.h. es gibt keine objektive wissenschaftlich sattelfeste Bestätigung für sein gefühltes Leiden unter EMF-Einwirkung. Dies hätte ein Ausschlusskriterium für Babilon sein müssen. Denn es ist trivial, ausgerechnet einen überzeugten "Elektrosensiblen" vor der Kamera gegen 5G protestieren zu lassen, seine Voreingenommenheit lässt ihm gar keine andere Wahl. Die kommerziellen Aktivitäten Babilons in der Mobilfunkdebatte (Elektrosmog-Beratung und -Messungen) werden auch in diesem Beitrag verschwiegen.
► Babilon hält ein Hobby-Messgerät aus bayerischer Produktion werbewirksam ins Bild (Minute 1:20). Die gezeigte Szene ist messtechnisch unqualifiziert, da sich das Smartphone unzulässig nah an der Antenne des Messgeräts befindet. Szenen wie diese verleiten Laien zu ähnlichen Falschmessungen im reaktiven Nahfeld von EMF-Emissionsquellen.
► Der Allgemeinmediziner Klaus Dold leidet wie viele Mobilfunkgegner an einer bedrückenden Selbstüberschätzung seines Kenntnisstandes (siehe Mount Stupid). Er hält sich ab Minute 2:57 für klüger als EMF-Expertenkommissionen in aller Welt. Die von Dold vorgetragenen "eindeutigen Hinweise auf DNA-Strangbrüche [...]" können Laien nur deshalb Angst machen, weil er vergessen hat zu erwähnen, dass jede Zelle eines Menschen wegen vielfältiger Einwirkungen auch ohne Funkwellen pro Tag etwa 50'000 DNA-Strangbrüche verkraften muss und von Natur aus gut damit umzugehen weiß. Was ist von einem Arzt zu halten, der dies verschweigt?
► W-Lan- und 5G-Gegner Dold ist seit April 2019 in den Regionalmedien gut vertreten (Schwarzwälder Bote, noch einmal Schwarzwälder Bote, Südkurier, noch einmal Südkurier). Dass er unbelehrbar ist oder möglicherweise ein Geschäftsmodell verfolgt ist daran erkennbar, schon 2001 witterte er Gefahren des Mobilfunks, damals gab es allein GSM. Mit der Einführung von UMTS war Dold abermals zur Stelle, nur LTE hat er verschlafen. Einige Mediziner, die sich in der Szene der Mobilfunkgegner und "Elektrosensiblen" bekannt gemacht haben, hoffen auf Zulauf durch zahlungskräftige Privatpatienten.
► Der Historiker Norbert N. Proctor hat nachgewiesen, dass das Märchen von amtlicher Untätigkeit trotz bekannter Risiken des Asbests, für Deutschland nicht zutrifft. Hierzulande wurden bereits 1936 Maßnahmen gegen Gesundheitsschäden durch Asbest ergriffen. Dold scheint davon nichts zu wissen (Minute 4:47).
► Der Beitrag ist so geschnitten, dass Gunde Ziegelberger (BfS) ab Minute 5:21 keine gute Figur macht (strahlt Unsicherheit aus). Dass der Beitrag absichtlich so geschnitten wurde möchte ich nicht behaupten, Tatsache ist, dass organisierte Mobilfunkgegner seit langem versuchen, das Bundesamt für Strahlenschutz bei der Bevölkerung in Misskredit zu bringen.
► Die beiden Mobilfunkgegner bekommen in dem Beitrag etwas mehr Raum und sie dürfen das argumentative Fernduell eröffnen (Aktio). Die Entgegnungen sind "nur" Reaktio.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
EHS, Sendemastgegner, Psychologie, Medien, SWR, Risikobewertung, Ueberzeugungstäter, Geltungssucht, Laien, 5G-Tea-Party


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