Fragen zur konkreten Umsetzung der Motion 20.3237 (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 28.09.2023, 01:02 (vor 393 Tagen) @ H. Lamarr

Der Bundesrat wird aufgefordert, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen und Entscheidungen zu treffen, um die Einführung der fünften Generation des Mobilfunkstandards (5G) zu ermöglichen, ohne dabei die in der NISV vorsorglichen Anlagegrenzwerte zu ändern.

Wie soll das konkret ohne Lockerung der Anlagegrenzwerte umgesetzt werden? Nationalrat Michael Töngi (Grüne Partei der Schweiz) stellte dazu der Schweizer Regierung (Bundesrat) am 27. September 2023 sechs Fragen. Seine diesbezügliche Interpellation 23.4099 fand die Unterstützung seiner beiden Fraktionskolleginnen Isabelle Pasquier-Eichenberger und Marionna Schlatter sowie von Ursula Schneider Schüttel (Sozialdemokratische Partei der Schweiz):

Bundesrat Albert Rösti gab in der Diskussion zum Vorstoss 20.3237 bekannt, dass nach vielen Jahren Praxiserfahrung eine Anpassung der Berechnungsmethoden für die Beurteilung der Strahlenbelastung im Umfeld von Mobilfunkantennen gewünscht sei. Die gemessenen Strahlungswerte seien oftmals tiefer als die berechneten Werte in den Baugesuchsunterlagen und es beständen deshalb Reserven.

Die Vollzugsbehörden im Kanton Tessin kamen bei repräsentativen Überprüfungen im Jahr 2006 zum gegenteiligen Ergebnis. Im Umfeld von Antennen seien die berechneten Strahlungswerte oftmals tiefer als die im Betrieb gemessenen Werte. Das beruhe auf dem Umstand, dass die einfachen Berechnungsmethoden physikalische Eigenschaften von Funkstrahlung wie Reflexionen Beugungen etc. nicht berücksichtigen. Die Physik hat sich nicht verändert und es besteht keine Unkenntnis der Situation bei konventionellen Antennen. Bei den neuen adaptiven 5G-Antennen hingegen schon.

1. Liegen inzwischen unabhängige und aktuelle wissenschaftliche Vergleichsstudien vor, welche die langjährige Praxis bei der Beurteilung von berechneten Strahlungswerten in Baugesuchen in Frage stellen und sich allfällige Lockerungen rechtfertigen?

2. Liegen Vergleichsstudien von Behörden vor, welche die neuen adaptiven 5G-Mobilfunkantennen bezüglich der Übereinstimmung von in Baugesuchen berechneten Strahlungswerten und gemessenen Werten beurteilen?

3. Führen angepasste Berechnungsmethoden und Parameter in Baubewilligungsverfahren dazu, dass Mobilfunkanlagen stärker strahlen dürfen und damit die Anwohner höher als bisher belastet werden? Dies betrifft insbesondere die (fiktive) Annahme höherer Dämpfungswerte von Gebäudehüllen.

4. Wird mit den Anpassungen auch das Ziel verfolgt, dass die kantonalen Vollzugsbehörden weniger Aufwand bei der Bewilligung und Kontrolle von Mobilfunkanlagen haben?

5. Trifft es zu, dass Abnahmemessungen bei Mobilfunkanlagen nach vorgängiger Anmeldung und in enger Absprache mit den Betreibern und deren Beauftragten erfolgen? Was für Daten zur Anzahl durchgeführter Kontroll- wie auch Abnahmemessungen bei adaptiven 5G-Anlagen liegen den Bundesbehörden diesbezüglich von den kantonalen Behörden vor? Welche Stelle führt eine Übersicht?

6. Wäre die Offenlegung der Ergebnisse von unangemeldeten Kontrollmessungen der Vollzugsbehörden und insbesondere von Langzeitmessungen wünschenswert?

Kommentar: Leider nennt der mobilfunkkritische Nationalrat Michael Töngi keinen Link zu der Untersuchung im Tessin (2006) und auf die Schnelle konnte ich diese im www auch nicht finden. Eine Bewertung des Ausmaßes der Unterschiede von berechneter und gemessener Immission ist damit nicht möglich. Dies aber wäre von Interesse, denn HF-Messungen unterliegen einer erweiterten Messunsicherheit von ±45 Prozent. Von Belang sind deshalb nur Messwerte, welche einen berechneten Wert um mehr als 45 Prozent überschreiten. Außerdem: 2006 gab es kein LTE und schon gar nicht 5G, sondern GSM und UMTS. Es wäre denkbar, dass die beiden zeitgemäßen Mobilfunksysteme bessere Übereinstimmung zwischen berechneter und gemessener Immission zeigen und die Ergebnisse von 2006 deshalb heute irrelevant sind.

Auf Töngis Fragen sollte der Bundesrat bis Dezember 2023 geantwortet haben.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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