Antworten zur konkreten Umsetzung der Motion 20.3237 (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 23.11.2023, 21:49 (vor 292 Tagen) @ H. Lamarr

Am 22. November 2023 beantwortete die Regierung der Schweiz die Fragen Töngis wie folgt:

(Töngi) 1. Liegen inzwischen unabhängige und aktuelle wissenschaftliche Vergleichsstudien vor, welche die langjährige Praxis bei der Beurteilung von berechneten Strahlungswerten in Baugesuchen in Frage stellen und sich allfällige Lockerungen rechtfertigen?

Bundesrat: Im Jahr 2006 hat die Tessiner Fachhochschule Supsi die zur Überprüfung der Grenzwerteinhaltung berechnete Strahlung von Mobilfunkantennen mit der in der Realität gemessenen Strahlung verglichen. Im Vergleich zu den Berechnungen waren die gemessenen Werte in 20 % der Fälle höher, in 65 % tiefer und ansonsten in der gleichen Grössenordnung. Eine neuere Auswertung von Messungen an über 1700 Orten im Kanton Zürich seit 2018 kam zu ähnlichen Ergebnissen. Die Messungen zeigen auch, dass die Strahlung unterhalb der Antenne in der Realität stärker abgeschwächt wird, als dies bei der Berechnung angenommen wird.

2. Liegen Vergleichsstudien von Behörden vor, welche die neuen adaptiven 5G-Mobilfunkantennen bezüglich der Übereinstimmung von in Baugesuchen berechneten Strahlungswerten und gemessenen Werten beurteilen?

Die zuständigen kantonalen und städtischen Behörden prüfen die Ergebnisse von Abnahmemessungen von adaptiven 5G-Antennen im Einzelfall, eine gesamthafte Auswertung liegt nicht vor.

3. Führen angepasste Berechnungsmethoden und Parameter in Baubewilligungsverfahren dazu, dass Mobilfunkanlagen stärker strahlen dürfen und damit die Anwohner höher als bisher belastet werden? Dies betrifft insbesondere die (fiktive) Annahme höherer Dämpfungswerte von Gebäudehüllen.

In Situationen, in welchen die Berechnung die Belastung im Vergleich zur Realität bislang überschätzt hat, könnte in zukünftigen Verfahren die Sendeleistung erhöht werden. Auch mit angepasster Berechnungsmethode müssen die Grenzwerte jedoch eingehalten werden.

4. Wird mit den Anpassungen auch das Ziel verfolgt, dass die kantonalen Vollzugsbehörden weniger Aufwand bei der Bewilligung und Kontrolle von Mobilfunkanlagen haben?

Der Aufwand dürfte für die Behörden etwa gleich bleiben. Die Anpassungen sollen ermöglichen, dass die Berechnungsmethode möglichst gut mit der Realität übereinstimmt. Damit können die real am höchsten belasteten Orte im Umkreis der Mobilfunkantenne zuverlässiger erkannt werden.

5. Trifft es zu, dass Abnahmemessungen bei Mobilfunkanlagen nach vorgängiger Anmeldung und in enger Absprache mit den Betreibern und deren Beauftragten erfolgen? Was für Daten zur Anzahl durchgeführter Kontroll- wie auch Abnahmemessungen bei adaptiven 5G-Anlagen liegen den Bundesbehörden diesbezüglich von den kantonalen Behörden vor? Welche Stelle führt eine Übersicht?

Die Strahlung von Antennen schwankt im Tagesverlauf, je nachdem wie viele Gespräche und Daten übertragen werden. Für die Bewilligung ist die maximale Sendeleistung massgebend. Die meiste Zeit ist die abgestrahlte Sendeleistung tiefer als bewilligt. Um zu prüfen, ob die Grenzwerte eingehalten werden, muss das Messresultat auf die bewilligte Sendeleistung hochgerechnet werden. Dazu braucht es Angaben der Betreiber zur aktuellen Sendeleistung während den Messungen. Kontroll- und Abnahmemessungen werden von den zuständigen kantonalen oder städtischen Behörden veranlasst. Eine entsprechende Übersicht, beispielsweise in Form von Statistiken, liegt den Bundesbehörden nicht vor.

6. Wäre die Offenlegung der Ergebnisse von unangemeldeten Kontrollmessungen der Vollzugsbehörden und insbesondere von Langzeitmessungen wünschenswert?

Für den Vollzug und die Frage der Offenlegung von Messresulaten von einzelnen Anlagen sind die Kantone oder Gemeinden zuständig. Die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Tessin und Zürich publizieren aus eigener Initiative auf ihren Websites bereits seit einigen Jahren Resultate von Langzeitmessungen und zum Teil auch von Abnahmemessungen zur Grenzwertüberprüfung. Der Kanton Aargau hat 2022 im Rahmen eines Pilotprojektes Langzeitmessungen bei einer adaptiven 5G-Antenne durchgeführt und die Ergebnisse im Magazin «Umwelt Aargau» vom Mai 2023 sowie auf seiner Website veröffentlicht. Der Bund führt im Rahmen eines schweizweiten Monitorings seit 2021 systematische Messungen der Strahlung durch. Erhoben wird die Belastung in der allgemein zugänglichen Umwelt, in privaten Innenräumen und ab 2023 mit Hilfe von stationären Dauermessungen. Der Monitoringbericht wird auf der Website des Bundesamtes für Umwelt publiziert.

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Zusätzlich beantwortete der Bundesrat zeitgleich auch Fragen der Nationalrätin Anna Giacometti (FDP), welche sie am 28. September 2023 in ihrer Interpellation 23.4120 zur Umsetzung der Wasserfallen-Motion stellte:

(Giacometti) 1. Wie sieht der Zeitplan für die Umsetzung der Motion aus?

Bundesrat: In einem ersten Schritt sollen 2024 Empfehlungen des Bundes zur Berechnung der Strahlung von Mobilfunkantennen angepasst werden. In einem zweiten Schritt wird das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) prüfen, wie die aufgrund des technischen Fortschritts immer häufigeren Anpassungen an Mobilfunkanlagen mit weniger Verfahrensaufwand abgewickelt werden können. Dabei wird eine Anpassung der Verordnung über den Schutz vor nichtionsierender Strahlung (NISV; SR 814.710) ins Auge gefasst.

2. Ist sich der Bundesrat bewusst, dass der Aufbau des 5G-Netzes für den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Berggebieten und Randregionen entscheidend ist?

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass es in allen Regionen eine zuverlässige Breitbandinfrastruktur braucht, damit die Bevölkerung und Wirtschaft auch in Berg- und Randregionen von der Digitalisierung profitieren kann. Dabei spielt auch der weitere Ausbau mit leistungsfähigen Mobilfunkdiensten eine zentrale Rolle.

In diesem Sinne zeigt der Bericht des Bundesrates «Hochbreitbandstrategie des Bundes» vom 28. Juni 2023 auf, wie ein schnelles Internet auch in Regionen realisiert werden kann, in denen sich ein Ausbau der Festnetzinfrastruktur nicht lohnt. Die Hochbreitbandstrategie des Bundes soll den Breitbandausbau in Randregionen und strukturschwachen Gebieten stärken und damit deren Standortattraktivität erhöhen.

3. Ist der Bundesrat bereit, bei der Einführung des neuen 5G-Standards alle Landesteile mit gleicher Priorität zu behandeln?

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass bei Entscheidungen und der Umsetzung der notwendigen Massnahmen im Zusammenhang mit der Motion der FDP-Liberale Fraktion (20.3237) alle Landesteile gleich behandelt werden.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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