Kritischer Standort wurde um 15 m verschoben (Allgemein)
Spannend wird es mit den Sicherheitsabständen werden. Denn momentan hat eine der drei 80°-Antennen 6,82 Meter horizontalen Sicherheitsabstand. Und der standortbezogene Sicherheitsabstand in Hauptstrahlrichtung beträgt sogar 15,72 Meter horizontal und 3,72 Meter vertikal. Wenn sich daran bis zum Bezug der Wohnungen in dem Neubau nichts ändert, werden die Bewohner der dem Masten gegenüber liegenden Wohnung im 5. Stock nach meiner Einschätzung unzulässig befeldet.
Die BNetzA und der Betreiber des Sendemasten haben schnell reagiert. Die neue Standortbescheinigung wurde bereits am 23. Dezember 2015 ausgestellt und zeigt jetzt merklich moderatere Werte:
Die Reduzierung der Sendeleistung ab Dezember 2023 muss für den Betreiber des Standorts nur eine Übergangslösung gewesen sein, um schnell Rechtssicherheit zu erlangen. Denn im Februar 2018 wurde auf demselben Dach ein neuer Gittermast errichtet und der bisherige Stahlrohrmast komplett abgebaut (Bild 1). Der gelbe Kreis markiert in Bild 1 den alten Standort, der rote Ring den neuen. Die Mittelpunkte des neuen und alten Funkmasten trennen 15,0 m und die ursprünglich nur 6,1 m von der nächstgelegenen Außenwand des Hauses (rechts im Bild) entfernt gewesene 80°-Antenne hat nun einen Abstand von 22,7 m.
Bild 1: Der fragliche Funkmast wurde um 15 m in die Dachmitte verschoben.
Bild 2: 3D-Darstellung des Mobilfunkstandorts auf dem Dach der Telekom-Vermittlungsstelle.
Bilder: Google Earth
Wer sich das in der Browser-Version von Google Earth in Eigenregie ansehen möchte, bitte hier entlang.
Da der neue Gittermast erheblich mehr Platz für Antennen bietet, hat die Telekom davon auch Gebrauch gemacht. Heute trägt der Mast 33 Funksysteme mit den Hauptstrahlrichtungen 30° (7), 80° (4), 150° (7), 200° (4), 270° (7) und 320° (4). Da ist also ordentlich was los, nachzuprüfen unter der Standortbescheinigungsnummer 531194 in der EMF-Karte der BNetzA (momentan gültiger Stand vom 25.4.2022).
Der horizontale Sicherheitsabstand der vier 80°-Funksysteme reicht von 5,31 m bis 6,86 m, die 22,7 m entfernte Außenwand des fraglichen Hauses ist damit im grünen Bereich. Die Bewohner der Eckwohnung in den oberen Stockwerken dürften jedoch in verkehrsreichen Zeiten zumindest auf ihrem Balkon Immissionswerte haben, die "Elektrosensiblen" die Haare zu Berge stehen lassen. Ich werde versuchen, dort einmal zu messen und hier zu berichten. Der horizontale Sicherheitsabstand von je einem 30°-, 150°- und 270°-Funksystem ist übrigens mit 14,40 m mehr als doppelt so groß wie bei den 80°-Funksystemen. Damit wäre wegen des 270°-Sektors auch eine Messung im anderen Nachbarhaus (links vom Standort) von Interesse.
Der standortbezogene horizontale Sicherheitsabstand beträgt momentan 26,31 m (vertikal 5,95 m). Wenn dieser auch für die oberen Eckwohnungen des fraglichen Neubaus gilt, liegen diese im roten Bereich. Denn der Funkmast überragt das Gebäude schätzungsweise um nur zwei Meter. Allerdings ist mir die Bedeutung der standortbezogenen Sicherheitsabstände nicht zweifelsfrei klar. Ich habe mir diese von der BNetzA zwar mal mündlich erklären lassen, habe sie jedoch als komplizierten, theoretisch begründeten und von Außenstehenden kaum zu durchschauenden Konstrukt in Erinnerung. Da jetzt ein konkreter Fall zur Hand ist, will ich versuchen, auch zu dieser Frage eine verständliche Antwort zu finden.
Schaut man sich in Bild 1 den alten und den neuen Standort des Funkmasten an, wird deutlich, dass die Telekom mit dem alten Standort wahrscheinlich noch aus einem anderen Grund unglücklich war. Als der Neubau noch nicht stand, hatten die 80°-Funksysteme freie Bahn in östlicher Richtung. Dann stand diesen aber der Neubau im Weg. Mutmaßlich deshalb wurde der Mast nicht nur in westliche Richtung verschoben, was den Abstand zur besagten Außenwand vergrößert, sondern auch in nördliche Richtung, was die Abschattung durch das Haus deutlich verringert.
Und noch etwas ist in Bild 1 erkennbar. Der neue Standort liegt jetzt ziemlich genau in der Mitte zwischen den beiden Nachbarhäusern der Vermittlungsstelle. Der räumliche Spielraum des Standorts ist damit voll ausgereizt.
Epilog: Da ich nun schon mal den passenden Ausschnitt der EMF-Karte vor der Nase hatte, wollte ich nach längerer Pause nebenbei nachschauen, ob sich 125 m weiter westlich bei "unserer" Antenne (Nr.: 531184) etwas getan hat. Und, ja es hat sich etwas getan! Offenbar erst vor ein paar Tagen am 7. Dezember 2023. Die gewohnte Tabelle mit den Funksystemen, mit den HSR und den Sicherheitsabständen gibt es nicht mehr. Stattdessen steht dort jetzt der Text:
Die Bewertung des Standorts erfolgte mit Hilfe eines feldtheoretischen Berechnungsverfahrens. Mit diesem konnte nachgewiesen werden, dass die erforderlichen Schutzbereiche des Funkanlagenstandorts innerhalb des kontrollierbaren Bereichs liegen.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
gesamter Thread:
- Mein Nachbar, der Sendemast in 6 m Abstand -
H. Lamarr,
06.12.2015, 23:20
- Unerkannt in EMF-Verbotszonen leben: Kann das sein? -
H. Lamarr,
07.12.2015, 13:00
- UMTS: 10 kW/m² gemessen, und trotzdem Grenzwertkonform - H. Lamarr, 15.01.2016, 22:02
- Mein Nachbar, der Sendemast in 6 m Abstand - Kuddel, 07.12.2015, 21:16
- Sicherheitsabstand auf fast 50 Prozent reduziert -
H. Lamarr,
27.03.2016, 13:19
- Kritischer Standort wurde um 15 m verschoben - H. Lamarr, 13.12.2023, 20:33
- Unerkannt in EMF-Verbotszonen leben: Kann das sein? -
H. Lamarr,
07.12.2015, 13:00