Safety-Plus: Arbeitssicherheit auf Elektrosmog-Abwegen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 16.12.2019, 20:53 (vor 1565 Tagen)

Die Schweizer Fachzeitschrift Safety-Plus kümmert sich eigenen Angaben zufolge seit 18 Jahren um Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Doch der Webauftritt des Blattes bietet Anti-Mobilfunk-Vereinen eine Plattform, fachlich unqualifizierte Bedenken gegen elektromagnetische Felder den Lesern von Safety-Plus vorzutragen. Das hat mMn mit seriöser Berichterstattung zum Arbeitsschutz gegenüber EMF nicht das geringste zu tun, sondern dient der Verbreitung von Desinformation über angebliche Risiken von EMF. Ungewöhnlich und meiner Erfahrung nach einzigartig ist, dass ein Fachblatt die Desinformation von Mobilfunkgegnern verbreitet. Mir ist keine andere Fachzeitschrift bekannt, die sich dies in auch nur annähernder Häufigkeit leistet.

Eine Stichprobe hat heute für einige Vertreter der Anti-Mobilfunk-Szene folgende Trefferhäufigkeit auf safety-plus.ch ergeben:

Verein Schutz vor Strahlung: 5 Treffer
Verein Gigaherz: 2 Treffer
Verein Diagnose-Funk: 21 Treffer
Verein Kompetenzinitiative: 2 Treffer
Bürgerwelle: 0 Treffer
Frequencia: 12 Treffer

Warum der Webauftritt des Fachblatts laienhaften Mobilfunkgegnern eine Bühne bietet, und ob dies auch in der viermal jährlich erscheinenden Printausgabe der Fall ist, bleibt vorerst offen. Da ich selbst lange für Fachzeitschriften tätig war, weiß ich, dass spärlich besetzte Redaktionen (Safety-Plus beschäftigt nur 1 Redakteur) für journalistisch anspruchsvolles Arbeiten nur sehr wenig Zeit aufwenden können, die Qualität von Meldungen spielt eine untergeordnete Rolle, wichtiger ist eine möglichst hohe Anzahl, um die Sichtbarkeit im Netz zu gewährleisten. Diese Sichtbarkeit ist für das Online-Anzeigengeschäft von zentraler Bedeutung.

Dennoch ist von dem Redakteur ein Mindestmaß an Qualitätsanspruch zu erwarten, der sich üblicherweise bei der Auswahl der täglich in einer Redaktion eintreffenden großen Anzahl an Presse-Informationen aller Art bemerkbar macht. Wie es aussieht, schlüpfen die Meldungen der Anti-Mobilfunk-Vereine bei Safety-Plus durch dieses Sieb mühelos hindurch. Dies ließe sich plausibel erklären, würde sich der Verlag von den Vereinen und/oder kommerziellen Anbietern von Elektrosmog-Schutzprodukten Anzeigen erhoffen. Doch die Vereine sind chronisch knapp bei Kasse und Produktanzeigen konnte ich bei meiner Stichprobe nicht sehen. So bleibt mir hier und jetzt nur die Spekulation, dass das Blatt mit seiner eigentümlichen Zuwendung zur Anti-Mobilfunk-Szene in Vorleistung geht für eine Geschäftsanbahnung oder der Redakteur/Verlag aus persönlichen Motiven heraus mit den Vereinen der Szene sympathisiert, so wie dies aller Wahrscheinlichkeit nach bei der sogenannten Bayerischen Staatszeitung der Fall war. Ebenfalls für möglich halte ich die ruchlose Idee, mit den dilettantischen Alarmmeldungen von Mobilfunkgegnern den Angstpegel bei Lesern des Blattes ob ihrer Arbeitssicherheit bewusst hoch zu treiben und auf diese Weise die Leser-Blatt-Bindung zum Vorteil von Safety-Plus zu festigen.

Den Mediadaten zufolge bietet Saftey-Plus Inserenten nicht nur reine Anzeigenplätze an, sondern auch viele mit redaktionellen Leistungen verbundene Anzeigenmischformen wie Advertorials, Publireportagen (Produkt-/Dienstleistungs-Vorstellung) und "Corporate Publishing" (Fachartikel, Firmenporträts, Interviews, Eventberichte). Das Anzeigengeschäft des Blattes dürfte mutmaßlich den Erlös aus Jahresabonnements (80 CHF pro Abo) weit übertreffen. Nur mutmaßlich deshalb, weil die Mediadaten entgegen üblicher Gepflogenheiten der Branche keine Angaben über die Druckauflage und die verbreitete Auflage machen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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