Uli W.: vom Konkurs auf direktem Weg in die Elektrosensibilität (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Freitag, 08.11.2019, 23:59 (vor 1650 Tagen)

Uli W., Deutschlands Vorzeige-"Elektrosensibler" aus Augsburg, hat sich einen tragischen Lebenslauf zurechtgebastelt, der seine Karriere vom erfolgreichen Kleinunternehmer (W... Kommunikationstechnik GmbH) zum gejagten "Elektrosensiblen" in (fast) allen Einzelheiten schillernd dokumentiert. Doch Ulis Märchen hat einen tiefen Kratzer auf der Motorhaube. Hier die Geschichte zum Märchen.

Die W... Kommunikationstechnik GmbH mit Sitz in Augsburg wurde, fünf Jahre nach dem Start des GSM-Regelbetriebs in Deutschland, am 3. Dezember 1997 ins dortige Handelsregister unter der Nummer HRB 16035 eingetragen. Kapitaleinsatz: 50'000 DM. Da war W., geboren am 2. Februar 1977, schon tief im 21. Lebensjahr und nicht 18, wie es kolportiert wird. Danach soll die Firma gemäß W.s Erzählungen einen kometenhaften Aufstieg erlebt haben, W. winkte eine amerikanische Traumkarriere vom Tellerwäscher zum Millionär. Der Legende zufolge geriet der Aufstieg ab 2001 freilich ins Stocken. Der vom Erfolg gestresste Jungunternehmer fühlte sich zunehmend unwohl. Schon 2002 sollen sich seine Krankheitstage auf 147 aufsummiert haben, es ist das Jahr, in dem W. seinen dramatischen Zusammenbruch am Frankfurter Flughafen gehabt haben will. Der geschäftsführende Gesellschafter flüchtet das erste Mal in den Wald, erholt sich dort auf wundersame Weise und kehrte nach drei Tagen zum Arbeiten in seine Firma zurück. Dort setzte sein Kräfteverfall umgehend wieder ein, der "Elektrosmog" machte ihm zu schaffen. 2004 attestiert ihm ein Arzt "extreme Elektrosensibilität". Der 28. Februar 2004 war sein letzter Arbeitstag bis heute. Soweit die Legende, wie ich sie W.s Selbstdarstellung und der biografischen Erzählung des Journalisten Marco Lauer entnommen habe.

Und nun die dürren Fakten.

W.s Firma lief keineswegs so gut, wie er einem glauben machen möchte. Bereits gut zwei Jahre nach Gründung war die Schieflage so weit gediehen, dass W. am 4. Mai 2000 seiner Funktion als Geschäftsführer enthoben und zur Abwicklung seiner Firma verpflichtet wurde. Am 20. März 2001 kam von Amts wegen das Ende: W.s Gesellschaft wurde infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst und am 6. November 2002 aus dem Handelsregister des Augsburger Amtsgerichts gelöscht. Für Gläubiger gab es mangels Masse nichts zu holen. Wer Zweifel an meiner Geschichte hat, möge selber das Registergericht bemühen.

Bei Lauer ist zu lesen, Uli W. hatte mit 15 als vom Leben verwirrter Jugendlicher eine Offenbarung Gottes, der ihm auftrug, eine Firma zu gründen.

Wer sich die Chronik des Untergangs von W.s Firma und seinen Weg in die "Elektrosensibilität" ansieht, wird sich einer anderen Offenbarung kaum entziehen können: Aller Voraussicht nach ist nicht Elektrosmog die Ursache von W.s "Elektrosensibilität", sondern die traumatische Erfahrung, mit seiner Karriere vom Millionär zum Tellerwäscher Gottes Auftrag gründlich vermasselt zu haben. Uli W. flüchtete sich unter dem Schock der Insolvenz in die Märchenwelt seiner "Elektrosensibilität". Die Chroniken zeigen, dieser Schluss ist zulässig, die Reihenfolge der Ereignisse passt dazu nahtlos und widerspruchsfrei.

Hintergrund
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Weiner, Schmarotzer, Augsburg, Insolvenz, Konkurs, Quereinsteiger


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