Zweite Anti-5G-Kundgebung in Bern mit 1000 Teilnehmern (Allgemein)
Heute fand von 16:30 Uhr bis 18:00 Uhr eine zweite Kundgebung gegen 5G in Bern statt. Das Wichtigste daran ist die Antwort auf die Frage: Wie viele 5G-Gegner konnten die Veranstalter diesmal mobilisieren? Bei der ersten Berner Kundgebung im Mai 2019 waren es ungefähr 1000 Teilnehmer, einer der Veranstalter sah damals nahezu 3000.
Bei der Kundgebung im Mai leistete sich die Schweizer Nachrichtenagentur SDA eine widersprüchliche Meldung über die Anzahl der Teilnehmer, mal waren es im Text "hunderte", an anderer Stelle dann "über tausend". Etliche Zeitungen, die keinen Reporter zu der Kundgebung nach Bern in Marsch gesetzt hatten, brachten diese miserable Meldung ohne mit der Wimper zu zucken.
Und heute? Wie viele 5G-Gegner wurden heute gezählt? Bislang berichten erst wenige Medien über die Kundgebung:
watson (ohne Quellenangabe, jedoch SDA-Meldung): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Basler Zeitung (SDA-Meldung): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Liechtensteiner Vaterland (SDA-Meldung/Frequencia): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Tagesanzeiger (SDA-Meldung): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Nau.ch (SDA-Meldung): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Volksblatt.li (SDA-Meldung): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Wirtschaft Regional (SDA-Meldung/Frequencia): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Blick.ch (SDA-Meldung/Frequencia): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Berner Zeitung (SDA-Meldung): [...] mehrere tausend Personen [...]
Bote der Urschweiz (SDA-Meldung/Frequencia): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Der Bund (SDA-Meldung): [...] mehrere tausend Menschen [...]
Aargauer Zeitung (SDA-Meldung/Frequencia): [...] mehrere tausend Menschen [...]
So, das sind alle Fundstellen, die ich heute um 21:15 Uhr in Google-News finden konnte.
Halten wir fest: Sämtliche Medien haben keine eigenen Reporter nach Bern geschickt, sondern den bequemen und billigen Weg gewählt, die fertig formulierte SDA-Meldung zu übernehmen. Deshalb sprechen alle Medien im Gleichklang nebulös von "mehreren tausend Menschen", nur weil ein im Abschätzen von Personenansammlungen ungeübter SDA-Reporter – vielleicht ein Volontär – glaubt, so viele könnten es denn doch gewesen sein. Einige Medien nennen zusätzlich den Veranstalter der Kundgebung (Frequencia) als Quelle. Frequencia spricht in einer Medienmitteilung von "mehr als 3000 Menschen", doch diese Anzahl wurde von keinem Medium übernommen. Mutmaßlich deshalb, weil jeder weiß, Veranstalter übertreiben bei der Teilnehmeranzahl zuweilen schamlos. In der Medienmitteilung taucht mit dem Ex-Astrologen Uwe Dinger übrigens ein alter Bekannter aus dem Raum Basel auf, der schon dem Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk auf die Beine half. Gut möglich, dass Dinger die 3000 Teilnehmer in den Sternen gesehen hat.
Es gibt keine einzige unabhängige Bestätigung für die beiden genannten Zahlen.
Ich habe begründete Zweifel, dass es "mehrere tausend" waren, die heute auf dem Bundesplatz protestiert haben. Denn zum einen zeigt das Aufmacherfoto der watson-Meldung skeptisch gesehen "einige hundert Menschen", wohlwollend vielleicht sogar 1000, jedoch sicher nicht "mehrere tausend" und schon gar nicht "mehr als 3000".
Auch die Webcam auf dem Dach des Bundeshauses stützt die Zweifel, wenngleich diese Kamera so platziert ist, dass nur der hintere Teil des Bundesplatzes vor dem Bundeshaus zu sehen ist. Die Aufnahmen sind daher nur wenig aussagekräftig, dennoch zeigen sie unverkennbar, da war noch viel Platz frei:
Bundesplatz um 14:30 Uhr, zwei Stunden vor der Kundgebung
Bundesplatz um 17:15 Uhr, mitten während der Kundgebung
Bundesplatz um 18:05 Uhr, fünf Minuten nach der Kundgebung
Mit viel gutem Willen gestehe ich der Kundgebung höchstens 1000 Teilnehmer zu. Die zweite Veranstaltung dieser Art in Bern konnte damit das Ergebnis der ersten Veranstaltung so gerade noch erreichen. Mutmaßlich versammelten sich im September die gleichen Leute, die schon im Mai anreisten, einen Zuwachs hat es in den vergangenen vier Monaten nicht gegeben. Daraus lässt sich grob ableiten: In dem Alpenstaat mit seinen rd. 8,5 Mio. Bewohnern mögen viele infolge anhaltender Desinformation über die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Mobilfunks besorgt sein, wenn es jedoch darum geht, die Besorgnis durch die Unbequemlichkeit persönlicher Präsenz bei Protestkundgebungen zu zeigen, dann schrumpft die Anzahl auf nur 1000 ernsthaft Besorgte zusammen. Das sind 0,0117 Prozent der Schweizer Bevölkerung und 0,0185 Prozent der rd. 5,4 Mio. Wahlberechtigten.
Fazit: Kein Politiker in der Schweiz muss sich bei Wahlen vor der Wut überzeugter Mobilfunkgegner fürchten.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –