Paradox: "Elektrosensible" widerlegt "Elektrosensible" (Allgemein)
Zahllose, der gefühlt 25 in Deutschland lebenden "Elektrosensiblen", nennen als Beleg für ihre unerwünschte seltene Gabe, selbst schwächste Funkfelder durch unkontrollierbare Körperreaktionen wahrnehmen zu können, das Verschwinden sämtlicher Symptome sobald sie sich dem Funkfeld entziehen. Beispielsweise durch einen Waldspaziergang, Kelleraufenthalt, Urlaub oder einen Umzug. "Ohne Feld," heißt es dann im Brustton der Überzeugung, "keine Symptome".
Nun gibt es seit 100 Jahren auch eine künstliche Form des Feldentzugs, die sich Schirmung nennt. Fälschlich gerne Abschirmung genannt, was jedoch Aufgabe des MAD oder von Personenschützern ist. "Elektrosensible" schaffen mit Schirmung den Feldentzug, indem sie – je nach Finanzlage – entweder in professionelle Schirmanzüge schlüpfen (teuer, es sei denn man läuft Reklame für einen Anbieter) oder sich provisorisch in eine oder mehrere Lagen metallischer Rettungsdecken einwickeln und mit Alufolie ausgekleidete Baseballkappen aufsetzen (billig). Der Markt bietet zum Zweck der lückenloseren Schirmung diverse Kuriositäten, etwa metalldurchwirkte Unterwäsche für Damen und Herren. Für Elektriker (nicht Ex-Elektriker) wären solche Utensilien im Einzelfall lebensgefährlich (Stromschlagrisiko).
Die überzeugte Elektrosensible Eva W. aus O. in M. berichtet seit Jahren, sie schütze sich in ihrem Haus mit Unterwäsche, Rettungsdecken und Baseballkappe gegen die Einwirkung schwacher Funkfelder eines 110 Meter entfernten UMTS-Senders. Dann, am 10. Januar 2019, dieses Posting (Auszug):
[...] Den Weg zur Zeitung habe ich schon freigeschaufelt. Die Schneeluft ist frisch und tut gut. Nur, die Zeitung auch zu lesen gelingt mir schlecht. Der Körper vibriert äußerlich und innerlich, mit allen Folgen und das schon seit Stunden. Ich trage den Abschirmhoodie, Kapuze über den Kopf, Cap darauf. Nützt kaum etwas. Dann noch Rettungsdecke um, auch das hilft wenig. Als einziges Geräusch höre ich das Summen und Pfeifen der Antenne. [...]
Wahrscheinlich hat sie es nicht bemerkt, mit dem Hinweis, selbst eine doppelte Schirmung habe wenig Wirkung gezeigt, bringt sie das Feldentzugsdogma aller "Elektrosensiblen" zum Einsturz: Feldentzug hilft nicht! Wissenschaftler sagen dies zwar schon lange, Frau W. ist mWn jedoch die erste "Elektrosensible", die dies öffentlich, wenngleich unbeabsichtigt, bestätigt. Feldentzug kann keine Lösung sein, weil z.B. im Fall von Frau W. das Problem nicht von außen auf die geschirmte Kappe einwirkt, sondern unmittelbar unter der Aluauskleidung der Kappe beginnt. Statt zu Feldentzug raten Wissenschaftler überzeugten Elektrosensiblen daher zu einer kognitiven Verhaltenstherapie als einzig wirksame Methode der Heilung.
Hintergrund
So eine Schirmung gegen Funkwellen besteht immer aus Metall, dessen Dicke hat bei hohen Frequenzen keinen Einfluss auf die Schirmwirkung, hauchdünne Goldfolien (Rettungsdecken) oder Alufolie schirmt nicht viel schlechter als dickes Blech. Ist eine solche Schirmung allseitig geschlossen, ist der umschlossene Raum feldfrei. Befinden sich in der Schirmung Öffnungen (Schlitze, Lücken, Löcher ...), dürfen diese, ohne die Schirmwirkung stark zu schwächen, in beliebig hoher Anzahl vorkommen, solange sie nur deutlich kleiner sind als die Wellenlänge des zu schirmenden Funksignals. Faustregel: höchstens 1/10 (besser 1/20) der zu schirmenden Wellenlänge. Bei UMTS mit rd. 15 cm Wellenlänge wären dies 1,5 cm bis 7,5 mm. Unter diesen Umständen konnten die provisorischen Schirmungen von Frau W. wegen nicht unbeträchtlicher Angriffsflächen für Funkwellen (z.B. Gesicht) kaum je große physikalische Wirkung entfaltet haben. Dass die Maßnahmen dennoch halfen erklärt plausibel der Placebo-Effekt, im konkreten Fall der Glaube an die Wirkung der provisorischen Schirmung.
Wie ich Frau W. kenne, wird sie auf der letzten ihr verbliebenen Verlautbarungsplattform umgehend entgegnen. Sollte dies zutreffen, werde ich ihr den Gefallen tun und darauf verlinken.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –