Mobilfunkstudien: Bewertung der Ergebnisse durch Laien (Forschung)
H. Lamarr , München, Mittwoch, 12.08.2015, 14:32 (vor 3424 Tagen)
Das Internet hat viele Umwälzungen gebracht, auch den Elfenbeinturm der Wissenschaften hat es geknackt. Seitdem sich wissenschaftliche Studien von Wohnzimmern aus sichten lassen, wächst ein Heer selbsternannter Experten heran, die alle nur eines wollen: mitreden. Doch zwischen dem Lesen wissenschaftlicher Arbeiten und dem richtigen Verstehen des Gelesenen liegen Welten. Dr. Giulia Ratto, Autorin dieses Beitrags, ist aktive Wissenschaftlerin, sie appelliert an Laien: Versucht euch gar nicht erst an der Bewertung wissenschaftlicher Studien, überlasst dies ausgewiesenen Fachleuten, die wissen was sie tun.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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Geschäftsmodell, Wissenschaft, Selbstüberschätzung, Instant-Experte, Kausalzusammenhang, Bauernfängerei, Amateur, Studien, Mobilfunkgegner, Objektivität, Laien, Impact Factor, Mobilfunkstudien, Studiensammlung, Pseudoexperten, StudienReport
Studie zum Magnetsinn bei Schweinen
Dr. Ratto, Mittwoch, 22.06.2016, 09:55 (vor 3110 Tagen) @ H. Lamarr
Neues Highlight von der Universität Duisburg-Essen:
Auch Wildsäue haben einen Magnetsinn:
Magnetic alignment in warthogs Phacochoerus africanus and wild boars Sus scrofa
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Magnetsinn, Wildschweine
Studie zum Magnetsinn bei Schweinen
H. Lamarr , München, Mittwoch, 22.06.2016, 11:54 (vor 3110 Tagen) @ Dr. Ratto
Neues Highlight von der Universität Duisburg-Essen:
Auch Wildsäue haben einen Magnetsinn:
Magnetic alignment in warthogs Phacochoerus africanus and wild boars Sus scrofa
Die Forscher haben die Ausrichtung der beobachteten Schweinderl akribisch in 360°-Diagrammen eingetragen (siehe Figure 1, dort auf Grafik klicken). Die bevorzugte Nord-Süd-Orientierung ist in den Diagrammen gut zu erkennen. Und hätten die Forscher aus der Vogelperspektive beobachtet, würde mir die Methode auch einleuchten. Haben sie aber nicht. Sondern sie haben aus 20 bis 100 Meter Distanz mit einem Fernglas die Ausrichtung der Tiere bestimmt und mit einem Kompass auf 5° genau beziffert. Also, ich könnte das nicht mit der Genauigkeit, die einem die Grafik suggeriert, besonders dann nicht, wenn die Tiere quer und auf gleicher Höhe zum Beobachter stehen. Erinnert mich etwas an die Diskussion um Elektrosensible: Die reden am liebsten über vermeintliche Tatsachen wie EHS-Schutzzonen, politische EHS-Vorstöße, verfehlte EHS-Studien und natürlich über die Leiden der Betroffenen. Darüber, dass das alles mit größter Wahrscheinlichkeit Schmarrn ist, weil EHS ein Wahn ist und keine physische Krankheit, bereits die Startvoraussetzung also nicht stimmt, darüber wird in der Szene, wenn überhaupt, nur sehr ungern gesprochen.
[Admin: Posting editiert am 23.06.2016 - Ursprüngliches Thumbnailbild mit den Diagrammen wurde wegen Session-ID nur befristet angezeigt. Als Ersatz dient jetzt der neu hinzu gefügte Link auf Figure 1]
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Studie zum Magnetsinn bei Schweinen
Dr. Ratto, Mittwoch, 22.06.2016, 14:41 (vor 3109 Tagen) @ H. Lamarr
Also, ich könnte das nicht mit der Genauigkeit, die einem die Grafik suggeriert,
Die können das auch nicht. Näher kommt man an eine Wildsau mit Frischlingen nicht dran, bzw. es ist nicht zu empfehlen. Aus der Vogelperspektive ist im Wald schwierig, außerdem flüchten die Tiere nicht nur vor Hubschraubern, sondern auch vor einem Heißluftballon. Subjektiv beeinflusst ist das sicher auch, von Verblindung kann ja keine Rede sein. Wieder eine Kurzmitteilung mit unvollständigen Daten - es wird behauptet, dass alles von Tageszeit, Jahreszeit und Wetter unabhängig war, die Daten hierzu werden aber nicht gezeigt. Aber dann gleich mit Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. Fragwürdiges verhalten
Wenn diese Arbeitsgruppe sowieso anscheinend der Meinung ist, das alle oder fast alle Tierarten einen Magnetsinn haben, dann sollen sie doch eine Tierart auswählen mit der man angenehm im Labor arbeiten kann (Blindmull, Waldmaus Apodemus - die wurden bereits getestet) und eins nach dem anderen alle Sinnesorgane, Rezeptoren und Nervenstränge, die für diese Wahrnehmung verantwortlich sein könnten, untersuchen und zeigen wie das funktioniert, so wie es andere Gruppen mit der Netzhaut der Vögel machen. Immer wieder eine weitere Tierart mit denselben unzulänglichen Methoden zu untersuchen finde ich unbefriedigend.
[Hinweis Spatenpauli: Dieses Posting von "Dr. Ratto" hatte ich am 22. Juni irrtümlich überschrieben und den ursprünglichen Text damit gelöscht. Das tut mir leid. Wiederherstellung des Originals am 23. Juni um 10:56 Uhr]
Eine Pressemitteilung ist noch lange keine Pressemeldung
H. Lamarr , München, Donnerstag, 23.06.2016, 10:53 (vor 3109 Tagen) @ Dr. Ratto
Aber dann gleich mit Pressemitteilung an die Öffentlichkeit.
Hätten die gerne. Hat bislang aber nicht funktioniert, die Medien bocken bei diesem Thema genauso, wie sie seit Jahren bocken wenn der Verein Diagnose-Funk versucht, sie mit seinen Pressemitteilungen zu füttern. Nur eine Minderheit der "Pressemitteilungen" (von Absender an Redaktion) schafft es der Ablage P zu entgehen und als "Pressemeldung" (von Redaktion an Leser) größere gesellschaftliche Kreise zu erreichen. Je seriöser/qualitativ anspruchsvoller ein Medium, desto weniger Pressemitteilungen schaffen bei ihm diesen Sprung. Diagnose-Funk hat mWn bisher keine einzige Pressemitteilung bei den Medien untergebracht. Dieser Verein (und andere) trösten sich ersatzweise damit, die von den Medien verschmähten Pressemitteilungen auf der eigenen Website zu veröffentlichen.
Hintergrund
Pressemitteilung der Uni Duisburg-Essen
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Studie zum Magnetsinn bei Schweinen
H. Lamarr , München, Mittwoch, 22.06.2016, 15:18 (vor 3109 Tagen) @ H. Lamarr
Die Forscher haben die Ausrichtung der beobachteten Schweinderl akribisch in 360°-Diagrammen eingetragen (siehe Figure 1, dort auf Grafik klicken). Die bevorzugte Nord-Süd-Orientierung ist in den Diagrammen gut zu erkennen.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, jeder der Punkte in der Grafik repräsentiert eine Beobachtung. Die perfekte Symmetrie der Diagramme belehrt einen jedoch eines Besseren: Pro Beobachtung wurden zwei Punkte eingetragen, der zweite immer um 180° versetzt zum ersten. Dies betont rein optisch die erwünschte Nord-Süd-Orientierung.
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Falle der Inkompetenz: Der Fall Hochspannung Ellwangen
H. Lamarr , München, Samstag, 22.10.2016, 13:26 (vor 2987 Tagen) @ H. Lamarr
... sie appelliert an Laien: Versucht euch gar nicht erst an der Bewertung wissenschaftlicher Studien, überlasst dies ausgewiesenen Fachleuten, die wissen was sie tun.
Die Publizistin und Musikwissenschaftlerin Dr. Barbara Haas fürchtet sich vor einer Hochspannungsfreileitung:
Wir wollen mit der Demonstration unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen aus Ellwangen, Neunheim und Hüttlingen über die Absichten von Netze BW informieren und mit den zahlreichen Rednern zeigen, dass wir alle dasselbe uns wünschen, nämlich eine gesunde Lösung, und die ist unseres Erachtens nur durch eine Erdverkabelung zu erreichen. Netze BW soll wissen, dass wir mündige Bürger uns wehren. Wir nehmen die geplante Freileitungserweiterung nicht stillschweigend hin, sondern setzen ein Zeichen dagegen.
In Ihrer Not greift sich Frau Haas wahllos Studien heraus, die ihre Bedenken und Sorgen stützen. Dummerweise erwischte sie zuletzt ausgerechnet eine Studie der Arbeitsgruppe Burda an der Universität Duisburg-Essen. Diese AG hat u.a. entdeckt, dass Hunde bevorzugt Richtung Nordpol pinkeln, jüngst begeisterte sie Frau Haas mit der Entdeckung, Kälber hätten unter Magnetfeldeinwirkung einen geringeren Melatoninspiegel, was krebsfördernd wirken könnte. Was Frau Haas möglicherweise vergessen hat der Journalistin zu erzählen: Der üble Effekt tritt nur im Winter auf, im Sommer ist es andersrum. Und wovon Frau Haas vermutlich gar nichts wissen will ist diese wissenschaftlich fundierte Kritik an ihrer Vorzeigestudie.
Frau Haas ist sicherlich eine kluge und gewissenhafte Frau. Doch auch Sie tappt, von Angst zu unvernünftigem Handeln getrieben, in die Falle der Inkompetenz.
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Inkompetenz, Science
Impact Factor in der Kritik
H. Lamarr , München, Sonntag, 02.07.2017, 16:53 (vor 2734 Tagen) @ H. Lamarr
Im Spiegel-Interview kritisiert Nobelpreisträger Randy Schekman (68) die gängige Praxis, die Qualität einer wissenschaftlichen Zeitschrift allein an einer einzigen Maßzahl, dem "Impact Factor" fest zu machen.
Schekman: Er hat den Nobelpreis bekommen, weil seine Artikel extrem wichtig waren. Es war solide Wissenschaft. Das hat die Jury erkannt. Wenn man sich anschaut, wie oft diese Artikel in den ersten paar Jahren zitiert wurden, kommt man auf niedrige Zahlen. Sie hatten keinen Einfluss auf den sogenannten Impact Factor, den ich ohnehin für untauglich halte, Qualität zu messen.
SPIEGEL ONLINE: Der Impact Factor erfasst, wie häufig Artikel eines Magazins zitiert werden - und die Magazine werben damit. Macht er wissenschaftliche Bedeutung nicht damit messbar?
Schekman: Der Impact Factor ist eine komplett falsche Messmethode. Aus mehreren Gründen. Zuerst: Die Zahl wird über einen Zeitraum von nur zwei Jahren ermittelt. Zwei Jahre - das ist ein in der Wissenschaft lächerlich kurzer Zeitraum. Deshalb wollen die Magazine besonders schillernde Artikel veröffentlichen. Zweitens: Die Zahl ist ein ganz normaler Mittelwert über alle Zitierungen sämtlicher Artikel eines Fachblatts. Sortiert man die Artikel nach der Anzahl der Zitate, erhält man einige wenige mit besonders vielen und sehr viele mit sehr wenigen Zitaten.
SPIEGEL ONLINE: Aber das ist doch bei allen Magazinen so. Wo ist das Problem?
Schekman: Ein Mittelwert wird durch Ausreißer, also wenige Artikel mit sehr vielen Zitierungen, nach oben gedrückt. Und diese Ausreißer sind bei den namhaften Magazinen besonders häufig. Ich habe Thomson Reuters, die den Impact Factor ermittelt, vorgeschlagen, statt des Durchschnitts den Median zu berechnen. Das wäre eine viel genauere Beschreibung.
[Hintergrund: Der Mittelwert der Zahlen 1, 2, 2, 5, 20 ist (1+2+2+5+20)/5 = 6. Der Median ist der Wert, der genau in der Mitte steht, sortiert man die Zahlen der Größe nach. Im Beispiel ist das die Zahl 2. Ändert sich der größte Wert der fünf Zahlen, erhöht sich der Mittelwert - der Median aber bleibt gleich.]
SPIEGEL ONLINE: Und wie war die Reaktion?
Schekman: Thomson Reuters will das nicht ändern. Mir haben sie gesagt, dass sie das mit dem Median ausprobiert hätten. Aber dabei kam heraus, dass alle Journals dann auf einmal ziemlich nahe beieinanderlagen. Ganz anders als beim Mittelwert, wo es deutlich größere Unterschiede zwischen den Magazinen gibt. Die Leute möchten lieber, dass größere Differenzen da sind. Immerhin sehe ich zumindest bei "Nature" ein gewisses Einsehen, der Impact Factor wird nicht mehr so offensiv im Marketing verwendet. Aber Regierungsbeamte, Universitätschefs - sie alle wollen Zahlen, wenn sie die Arbeit von Wissenschaftlern bewerten. Und deshalb zählt ein "Nature"-Paper so viel.
SPIEGEL ONLINE: Der Impact Factor war eine wichtige Inspiration für die Google-Gründer. Der Page-Rank einer Webseite fußt auf der Anzahl der Links, die auf diese Seite zeigen. Zumindest bei Google scheint die Methode ja ganz gut zu funktionieren .
Schekman: Ja, aber der Algorithmus der Suchmaschine ist auch viel ausgefeilter und berücksichtigt auch eine Vielzahl weiterer Faktoren. Würde Google den Impact Factor von Magazinen berechnen, würde ich diesem Ranking viel eher trauen als dem aktuellen von Thomson Reuters.
SPIEGEL ONLINE: Was schlagen Sie als Alternative vor, um die Arbeit von Wissenschaftlern zu bewerten?
Schekman: Über jeden Forscher sollte es einen kurzen, einseitigen Bericht geben. Woran hat er gearbeitet, was hat er entdeckt? Das könnten auch Gutachter schnell erfassen und damit besser einschätzen, was jemand geleistet hat.
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Forschung, Wissenschaftler, Impact Factor, Ranking, Interpretation, Beschreibung
Übernahme - Beschreibung der Aktivien
KlaKla, Montag, 03.07.2017, 09:07 (vor 2734 Tagen) @ H. Lamarr
SPIEGEL ONLINE: Was schlagen Sie als Alternative vor, um die Arbeit von Wissenschaftlern zu bewerten?
Schekman: Über jeden Forscher sollte es einen kurzen, einseitigen Bericht geben. Woran hat er gearbeitet, was hat er entdeckt? Das könnten auch Gutachter schnell erfassen und damit besser einschätzen, was jemand geleistet hat.
Kommentar: Das sollte man ruhig mal auf jeden aktiven Anti-Mobilfunker anwenden der als Frontmann/"Experten" agiert. Den Anfang würde da mMn Dr. Franz Adlkofer machen, liegt nur am Namen, beginnt mit A.
Beispiel: Dr. Franz X. Adlkofer (geb. 1935) war von - bis für die Tabakindustrie als Lobbyist tätig. Spurensuche: Tabacco-Library. Den Durchbruch, bei den Anti-Mobilfunker verschaffte er sich mit den dramatischen Ergebnisse seiner Reflex-Studie. Mangels anerkannter Wissenschaftler die sich für die Interessen der Anti-Mobilfunkgegner einsetzten wurde er da mit offenen Armen empfangen. Forschungsarbeit: Reflex ..., Reflex zur Ablenkung des Passivrauchen? ... Früher interessierten sich Leitmedien wie der Spiegel für ihn und seine Arbeit, heute sind es die Freund/Mitstreiter der Szene.
Oder der schwarze Peter von Diagnose:Funk, der mMn seine Kurzbeschreibungen selbst schreibt und dabei seine Misserfolge (Abgebrochene Studiengänge) positiv vermarktet. Der Fehler passiert im Kopf des Lesers.
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Meine Meinungsäußerung
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Anzahl Abgastote in Deutschland: mit Wenn & Aber
H. Lamarr , München, Samstag, 02.03.2019, 12:30 (vor 2126 Tagen) @ H. Lamarr
Nirgendwo auf der Welt sterben so viele vorzeitig wegen Autoabgasen wie in Deutschland. So stellt es kürzlich das US-Forschungsinstitut ICCT (International Council on Clean Transportation) fest, das im September 2015 auch den Dieselskandal bei VW aufgedeckte. Doch ganz so durchschlagend ist diesmal der Alarm nicht.
In Deutschland geht nicht nur die Angst vor Funkwellen und Flüchtlingen um. Auch Feinstaub gilt als Killer. "Das ganze Jahr erkranken Menschen in der Autostadt Stuttgart durch Feinstaub und Stickoxide. Nach einer EU-Studie von 2011 soll es deswegen bis zu 400'000 Tote in der EU jedes Jahr geben" – verkündet beobachternews.de. Jüngere Zahlen lauten etwas anders. Gemäß einer aktuellen Studie des ICCT haben Wissenschaftler errechnet, dass der Verkehr weltweit für 385'000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich sein soll, Deutschland halte mit 17 vorzeitigen Todesfällen bezogen auf 100'000 Einwohner den einsamen Spitzenplatz – diese Sterberate sei 3-mal so hoch wie der globale Durchschnitt. Feinstaubgegner sind begeistert.
Ein Todesfall gilt dann als vorzeitig, wenn eine Person stirbt, bevor sie ihre statistische Lebenserwartung bei Geburt erreicht hat. Die Einheit sagt nichts darüber aus, wie viel kürzer ein Mensch lebt, ob er oder sie also statistisch betrachtet im Schnitt ein paar Stunden oder mehrere Jahre früher gestorben ist.
In der aktuellen ICCT-Studie haben die Forscher berechnet, wie viel Prozent der Verstorbenen in einem Jahr statistisch gesehen noch am Leben gewesen wären, wenn es die Schadstoffbelastung durch die Autoabgase nicht gegeben hätte. "Wir haben uns in dem Bericht auf vorzeitige Todesfälle fokussiert, weil das für die Öffentlichkeit leichter zu verstehen ist", erklären die Forscher in einem Statement.
Genau das ist allerdings fraglich, denn selbst unter Statistikern ist die Maßeinheit umstritten. "Zunächst stirbt in Deutschland kein einziger Mensch an Feinstaub, sondern an Erkrankungen, die durch Feinstaub (mit) verursacht sein können, es aber nicht sein müssen", kritisierte kürzlich die Statistikerin Katharina Schüller. Damals ging es um eine Studie des Max-Planck-Instituts, die ebenfalls die Maßeinheit "vorzeitige Todesfälle" benutzte. Schüller nannte das Konzept ein "Musterbeispiel einer Unstatistik".
Auch die ICCT-Studie bewertet sie kritisch. Hinter der Ermittlung der vorzeitigen Todesfälle steckten nicht bloß Daten, sondern auch Annahmen über die Realität. Diese seien mit einer Unsicherheit von mindestens 30 Prozent verbunden. "Gravierender ist aus meiner Sicht, dass die Studie eine Präzision und Sicherheit suggeriert, die schlicht nicht gegeben ist", teilte sie auf Anfrage des SPIEGEL mit. Diese Art der Wissenschaftskommunikation sei grob fahrlässig. "Sie führt zu erheblichen Fehleinschätzungen der Aussagekraft von Daten und statistischen Modellen in der breiten Öffentlichkeit", so Schüller.
Das Problem ist, dass die Zahlen offenbar etwas anderes transportieren, als sie meinen. Denn es handelt sich bei den vorzeitigen Todesfällen nicht um klinisch identifizierbare Todesfälle, auch wenn es danach klingt.
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Quelle: Das ist dran an der Zahl der Abgas-Toten in Deutschland
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Tricksen mit statistischen Analysen
H. Lamarr , München, Donnerstag, 27.08.2020, 21:38 (vor 1582 Tagen) @ H. Lamarr
Meiner Beobachtung nach sind organisierte Mobilfunkgegner Weltmeister im verdrehen von Fakten. Die einen machen dies geschickt, andere ungeschickt, besonderen Fleiß legt für mich in dieser Disziplin der Verein Diagnose-Funk an den Tag. Ein Eldorado für gelernte Faktenverdreher sind statistische Analysen. Mit denen lässt sich trefflich Verwirrung stiften ohne selbst zu lügen, denn der Fehler entsteht erst im Kopf des (unkundigen) Betrachters. Unten ein plakatives Beispiel, das ich in diesem Text gefunden habe, in den aktuell von Laien geführten pseudowissenschaftlichen Coronazahlendiskussionen ließen sich sicher noch etliche mehr finden:
Auch wenn die Ergebnisse einer statistischen Analyse korrekt berechnet wurden, können sie dennoch falsche Eindrücke erwecken. Als Beispiel sei das Mammographie-Screening erwähnt, dessen Nutzen sehr kontrovers beurteilt wird. Hier ein paar objektive Zahlen: In einer umfangreichen Übersichtsarbeit wurde nachgewiesen, dass die brustkrebsspezifische Mortalität bei Frauen, die regelmäßig an einer Screening-Untersuchung teilnehmen, signifikant geringer ist, als bei der Kontrollgruppe ohne Screening (2,9 bzw. 3,6 Todesfälle pro 1000 Frauen in 10 Jahren). Dies konnte mit p < 0,0001 eindrucksvoll bestätigt werden (Kerlikowske 1997). Die absolute Risikoreduktion von 0,07 Prozent ist eigentlich minimal. Deren Kehrwert – die "Number Needed to Treat" – ist 1'429 [1/0,07 x 100, Anm. Postingautor]. Also müssen sich 1'429 Frauen zehn Jahre lang screenen lassen, damit eine Frau profitiert.
Es lässt sich auch folgende Aussage herleiten: Die Anzahl der Frauen, die ohne Screening an Brustkrebs versterben, ließe sich durch Screening um 19,4 Prozent senken. Diese relative Risikoreduktion (die als (3,6–2,9)/3,6 berechnet wird) klingt zwar sehr beeindruckend, führt aber leicht zu Missverständnissen – und zwar dann, wenn diese Zahl so interpretiert wird, als würden 19,4 Prozent aller Frauen von der Screening-Maßnahme profitieren. Diese Interpretation ist falsch!
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Trick, Pseudowissen, Fehler im Kopf
Lesen & Verstehen: Umgang mit wissenschaftlicher Fachliteratur
H. Lamarr , München, Dienstag, 15.02.2022, 15:15 (vor 1045 Tagen) @ H. Lamarr
Der Umgang mit wissenschaftlicher Literatur ist eine grundlegende Fähigkeit, die Sie im Studium benötigen. Durch das Lesen von Fachtexten eignen Sie sich fachliches Wissen an und lernen die neuesten Forschungsentwicklungen in Ihrem Fachgebiet kennen. Doch das Lesen von Fachliteratur kann insbesondere zu Studienbeginn sehr herausfordernd sein. In dieser Broschüre finden Sie Hinweise dazu, wie Sie Fachliteratur so lesen, dass Sie sie verstehen und sich später an wesentliche Inhalte erinnern können. Nach einer allgemeinen Einführung in naturwissenschaftliche Publikationen und einem Überblick über den Aufbau eines Fachzeitschriftenartikels erhalten Sie Tipps, wie Sie Ihre Recherche gestalten und Ihren Leseprozess durch geeignete Strategien optimieren können. [...]
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