Studie beweist: Andauernde Funkimmission macht Plem-Plem (Forschung)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 07.01.2016, 17:34 (vor 3072 Tagen)

Seit Menschengedenken mutmaßen drei oder vier der hierzulande aktiven 23 oder 24 Mobilfunkgegner, ständige Funkimmission sei schädlich für die psychische Gesundheit eines Menschen. Den Anfang machte vor über 100 Jahren ein gewisser Herr Hensinger (oder so ähnlich). Als aktueller Beleg für die Richtigkeit der These wird z.B. von Frau W. aus O. in M. gerne meine Wenigkeit heran gezogen, regelmäßig zweifelt sie am Verstand des "Spatenpauli".

Nun bekommen die waghalsigen Mutmaßer wissenschaftliche Unterstützung aus Brasilien. Dort wurden in dem Städtchen Salvador (bayerisch: Salvator) 440 Personen befragt, ob sie einen Knall hätten und eine psychiatrische Diagnose (ohne Funk) vorweisen könnten. Alsdann eruierten die Forscher, wie weit ihre Probanden vom nächsten Sendemasten entfernt wohnten. Mathematisch besser drauf als dosimetrisch, prüften die Brasilianer abschließend mit logistischer Regression die Ergebnisse auf Confounder und kamen zu dem höchst alarmierenden Ergebnis: Die Exposition mit EMF durch Basistationen und Endgeräte geht einher mit psychiatrischen Symptomen! Grässlich: Egal ob Mann oder Frau, Vollpfosten oder Professor, selbst Raucher sowie Nichtraucher sind gleichermaßen vom Plem-Plem-Macher Funk betroffen.

Jetzt haben wir den Salat!

Ich fordere Diagnose-Funk auf, dieser sensationellen Alarmstudie unverzüglich einen Brennpunkt zu widmen, sie zumindest aber in der nächsten "Studienrecherche" angemessen hervor zu heben. Herrn Jakob, Gerade-noch-Präsident der in der Alpenfestung Gigaherz stationierten Schweizergarde gegen Elektrosmog obliegt die Aufgabe, WHO und UNO über die "Breaking News" zu informieren und die sofortige Absetzung eines Bremer Professors von allen seinen Ämtern zu beantragen.

Nachfolgend der Original-Abstract dieser erschütternden Studie, die unter dem Titel "Exposure to non-ionizing electromagnetic radiation from mobile telephony and the association with psychiatric symptoms" in der Oktober-Ausgabe von Cad Saude Publica publiziert wurde. Noch habe ich keinen Vollzugriff auf das kolossale Werk, aber ich bin dran.

Abstract

The aim of this study was to investigate the association between exposure to non-ionizing electromagnetic radiation from mobile phone base stations and psychiatric symptoms. In a cross-sectional study in Salvador, Bahia State, Brazil, 440 individuals were interviewed. Psychiatric complaints and diagnoses were the dependent variables and distance from the individual's residence to the base station was considered the main independent variable. Hierarchical logistic regression analysis was conducted to assess confounding. An association was observed between psychiatric symptoms and residential proximity to the base station and different forms of mobile phone use (making calls with weak signal coverage, keeping the mobile phone close to the body, having two or more chips, and never turning off the phone while sleeping), and with the use of other electronic devices. The study concluded that exposure to electromagnetic radiation from mobile phone base stations and other electronic devices was associated with psychiatric symptoms, independently of gender, schooling, and smoking status. The adoption of precautionary measures to reduce such exposure is recommended.

Hintergrund
Hutter et. al., 2006: Subjective symptoms, sleeping problems, and cognitive performance in subjects living near mobile phone base stations
Abdel-Rassoul et al., 2007: Neurobehavioral effects among inhabitants around mobile phone base stations (PDF).

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Studie, Dosimetrie, Brennpunkt, Laien, Alpenfestung, Alarmist

Studie beweist: Andauernde Funkimmission macht Plem-Plem

Raylauncher @, Donnerstag, 07.01.2016, 18:06 (vor 3072 Tagen) @ H. Lamarr

The adoption of precautionary measures to reduce such exposure is recommended.

Als Schlußfolgerung wird die Anwendung von Schutzmaßnahmen zur Verminderung einer derartigen Exposition gefordert. Seitens der Verfasser besteht offensichtlich nicht der geringste Zweifel an der Korrektheit ihrer Schlußfolgerungen. Seriös sieht anders aus ...

Volltext des Plem-Plem-Alarms

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 07.01.2016, 19:55 (vor 3072 Tagen) @ H. Lamarr

Noch habe ich keinen Vollzugriff auf das kolossale Werk, aber ich bin dran.

Voilà! http://www.scielosp.org/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0102-311X2015001202110&lng=en&nrm=iso&tlng=en

Ein PDF ist ebenfalls zu haben.

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Volltext des Plem-Plem-Alarms: wirre Conclusion

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 07.01.2016, 20:39 (vor 3072 Tagen) @ H. Lamarr

Noch habe ich keinen Vollzugriff auf das kolossale Werk, aber ich bin dran.

Voilà! http://www.scielosp.org/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0102-311X2015001202110&lng=en&nrm=iso&tlng=en

Tja ...

Irgendwie vertraut kommt mir die folgende Passage aus dem Paper vor:

The amount of energy one receives when talking for six seconds on a mobile phone is equivalent to being exposed for 24 hours to a mobile phone base station at 100m [...]

Insgesamt werde ich jedoch aus der Schlussfolgerung (Conclusion) der Doktorandin Denize Francisca da Silva nicht recht schlau. Denn einerseits meldet sie, wer (nur) 100 Meter bis 200 Meter weit weg von Basisstationen wohnt und mit Handys rumhantiert wäre anfälliger für psychiatrische Symptome (als weiter weg wohnende). Doch dann rät sie unter anderem vom Gebrauch von Handys unter schlechten Empfangsbedingungen ab und kümmert sich auch sonst nur noch um Endgeräte. Für mich sieht das ganz danach aus, dass Frau da Silva den simplen technischen Zusammenhang zwischen der Funkemission eines Handys und dessen Entfernung zur nächsten Basisstation nicht richtig verstanden hat, denn ihre Ausführungen sind widersprüchlich. Möglich, dass im Fließtext der Studie mehr Substanz steckt, durchgraben will ich mich da aber nicht, denn die Literaturliste zeigt, wie wenig wählerisch die Autoren waren. Ähnlich wie Diagnose-Funk, die ebenfalls nicht Science von Junk-Science auseinander halten können, findet sich dort von Santini über Eger und Wolf & Wolf so ziemlich alles, was es an schlechten Basisstationsstudien auszugraben gibt. Natürlich ist auch die Belo-Horizonte-Studie mit dabei. Die Doktorandin setzt sich damit mMn dem großen Risiko des Schrott-Erhaltungssatzes aus: Wer oben Schrott reinkippt darf sich nicht wundern wenn unten Schrott rauskommt. Fairerweise muss ich jedoch anmerken, in der Literaturliste tauchen auch ordentlich gemachte Studien auf.

Dennoch: Die wirre Schlussfolgerung von da Silva hat mich gehörig abgeschreckt, in diese Studie noch mehr Zeit zu investieren, zumal es sich auch bis Brasilien herumgesprochen haben sollte, dass der Abstand zu einer Basisstation alles andere als ein verlässlicher Indikator für die Funkimmission von Anwohnern ist. Dennoch kopierte da Silva das schlechte Studiendesign der Naila-Studie und arbeitet ohne Messungen rein mit Abstandswerten. Nee, da warte ich lieber auf den Brennpunkt von Diagnose-Funk, um meinen Spaß zu haben.

Hintergrund
Die wichtigsten Fachbegriffe biologischer Mobilfunkstudien
Mobilfunk: Belo-Horizonte-Krebsstudie von Adilza Dode
2004 - Naila-Studie erschüttert Frankenhalle
Santini-Studie
Wolf & Wolf-Studie

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Laien, Junk-Science, Mobilfunkstudien, Studiensammlung, Belo-Horizonte-Studie

RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum