Wie Eva W. den Presserat angeschmiert hat (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 21.08.2014, 09:06 (vor 3733 Tagen) @ H. Lamarr

Eva W. aus O. in M. war über einen Artikel in der Süddeutschen empört, und wandte sich deshalb an den Presserat. Dieser hat im Juni 2014 mit 6:1 Stimmen befunden, dass die Beschwerde von Frau W. begründet sei. Infolgedessen erhielt die Redaktion der Süddeutschen vom Presserat einen "Hinweis" (siehe Hintergrund).

Das ist, bei Licht besehen, eigentlich ein dicker Hund: Eva hat den Presserat für Ihre Zwecke instrumentalisiert.

Worum geht es eigentlich? Es geht um eine Studie, die wir im Forum Ende Dezember 2012 vorgestellt haben, wie ich meine als erste überhaupt in Deutschland (Co-Autor James Rubin schickte sie mir per E-Mail aus England). Unter dem Link steht alles Wesentliche zu dieser Arbeit. Und noch am gleichen Tag stellte "Doris" die Frage: Wie teilen sich die 82 Teilnehmer denn auf?

Tja, das war tatsächlich die Frage, die wir dann eine zeitlang versuchten aus eigener Kraft zu beantworten. Doch überzeugend gelang uns das nicht.

Deshalb fragten zuerst "cassandra" und dann ich bei Dr. Witthöft nach. Erst durch diese Doppel-Recherche kam das zum Vorschein, auf das sich unsere Frau W. jetzt bei Ihrer Beschwerde gegenüber dem Presserat erfolgreich stützte, nämlich dass sich die 82 Teilnehmer weitgehend gleich auf beide Gruppen verteilten.

Im O-Ton W. gegenüber dem Presserat lautet diese Kernaussage dann so:

„Wer den warnenden Film gesehen hatte und Mobilfunk ohnehin mit einer gewissen Ängstlichkeit betrachtete, horchte so sehr in sich hinein, dass er die richtigen Symptome spürte und verstärkte." (Hervorhebung durch mich).

Etwa die Hälfte der Gruppe, die den normalen Film gesehen hatte, berichtete ebenso über diese Symptome. Das wird aber verschwiegen! Warum?

Nur die Gruppe, die den „reißerischen“ WiFi-Film (WLAN) gesehen hat, wird erwähnt und zwar so, als hätten alle Probanden dieser Gruppe über Symptome geklagt. Es war aber in etwa nur die Hälfte.

Was ist das für eine Berichterstattung? Ohne jede Recherche? Einfach unwahr!

Unwahr? Nein, nur falsch verstanden, wie seinerzeit von praktisch allen Journalisten, die über diese Studie berichtet hatten. Falsch verstanden, weil die Fehlinterpretation plausibler ist als die richtige Interpretation, die sich auch im IZgMF-Forum erst nach ausgiebiger Diskussion und zweimaligem Nachfragen herauskristallisierte. Ich arbeite selber in einer Fachzeitschriften-Redaktion und weiß deshalb: Für diesen Tiefgang fehlt Journalisten in aller Regel die Zeit, besonders dann, wenn auf Anhieb kein grober Fehler zu erkennen ist.

Der Presserat hatte es leicht: Er bekam von Frau W. die fertige Lösung präsentiert, die jedoch nicht sie, sondern wir hier im Forum erarbeitet hatten. So instruiert war es für den Presserat leicht, einen "Recherchefehler" zu sehen und zu monieren. Der Presserat schreibt dazu gemäß der Darstellung von Frau W.:

Die Zusammenfassung im Artikel mit den Worten "Genau diese Symptome verspürten die Probanden im zweiten Teil des Experiments - zumindest jene Hälfte, die den reißerischen Filmbeitrag gesehen hatten und eine gewisse Grundängstlichkeit mitbrachten" ist nach Ansicht der Ausschussmitglieder irreführend. Denn sie suggeriert durch den Satz nach dem Spiegelstrich, dass Symptome nur bei Versuchsteilnehmern in der Gruppe aufgetreten sind, die den warnenden Film gesehen hatten. Die 54 Prozent der Versuchspersonen, die über Symptome klagten, verteilten sich aber auf beide Gruppen."

Kurz gesagt: Im Nachhinein schlau zu sein ist keine Kunst. Und weil der Misserfolg keinen Vater hat, der Erfolg dagegen viele, möchte ich nachdrücklich anmerken, dass ohne die Arbeit der Teilnehmer im IZgMF-Forum die W. Beschwerde beim Presserat gar nicht möglich gewesen wäre, weil sich vor uns niemand so hartnäckig um die Gretchenfrage kümmerte, wie sich die 82 Studienteilnehmer auf die beiden Gruppen verteilten. Der Presserat kann diese mühsame Vorarbeit nicht kennen, er hätte sie aber im www recherchieren können ;-). Frau W. dagegen kennt den Zusammenhang, schweigt darüber jedoch und streicht jetzt im Gigaherz-Forum die seltsam übertrieben Huldigungen durch die lieben aber ebenfalls seltsamen Mitstreiter ein.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Schweigen, Weglassen, Misserfolg, Krankheitsgewinn, Obermenzing, Erfolg, Witthöft, Wifi, Rampensau, Plagiat, Trittbrettfahren


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