Dennoch: viel Wind um Nichts (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 02.02.2009, 00:11 (vor 5802 Tagen) @ Doris

Die Studie von Mashevich et al, mit der das Krebsrisiko begründet wird, gibt es zusammengefasst im EMF-Portal.

Ich sehe keinen Anlass, von meiner Wertung "viel Wind um Nichts" Abstand zu nehmen. Herr Zwerenz glaubt, der Widerstand von Bürgern hätte die Industrie zum Einlenken in Richtung strahlungsarme Technik gebracht. Aus meiner Sicht ist dies nur ein Wunschgedanke, die Realität ist härter: Die Industrie hat bei den Endgeräten Sättigungsgrenzen in der Marktdurchdringung erreicht. In solchen Fällen schafft ein Technologiewechsel (z.B. auf strahlungsarm) wieder sprunghaft neuen Bedarf und der bringt schöne Umsätze. Ganz gut momentan bei DECT zu erleben. Weil so gut wie jeder heute ein DECT hat, wird mit CAT-Iq und strahlungsarmen Modellen das Karussell wieder in Bewegung gesetzt.

Ausgerechnet mit der Studie von Mashevich et al strahlungsarmes W-LAN zu begründen halte ich zudem (von Swisscom) für ziemlich abwegig. Denn wie im EMF-Portal mühelos nachzulesen ist, geht es in dieser Studie um 1 W Sendeleistung und um SAR-Werte von 2 bis rd. 8 W/kg. Unser gegenwärtig am heftigsten genutztes W-LAN (IEEE 802.11g) hat jedoch mit 100 mW Sendeleistung nur 1/10 der Leistung von Mashevich und auch die wirksamen SAR-Werte sind bei Mashevich für W-LAN unrealistisch hoch (über Grenzwert). Nicht einmal die Frequenzen stimmen, Mashevich arbeitete mit 830 MHz, W-LAN findet bei uns aber bei 2400 MHz und bei etwa 5500 MHz statt. Ganz zu schweigen davon, dass die Studie ein ungepulstes HF-Signal verwendete.

Eigenartigerweise stört sich jetzt aber keiner der Kritiker in Deutschland und der Schweiz daran, dass Swisscom das Patent mit einer offensichtlich dafür ungeeigneten Studie begründet. Warum nicht? Nun, ich könnte mir denken, dass die (ungeschickte) Begründung des Patents mit möglichen Gesundheitsschäden eine große Begeisterung bei den Kritikern auslöste (jetzt haben wir sie erwischt ...), die alles andere überstrahlte. Eben auch, dass die Begründung zu Gunsten von Swisscom unzutreffend ist, denn was immer auch Mashevich erforscht hat, mit W-LAN hat es herzlich wenig zu tun. Bei einem Irrtum zu Lasten von Swisscom wäre es mit Sicherheit anders gelaufen und der Irrtum wäre in den Mittelpunkt der Kritik gerückt worden. So aber wird der Sachverhalt, der Swisscom entlastet, diskret unter dem Teppich gekehrt und die eigentlich unsinnige Begründung zum Kronzeugen für einen angeblich vom Betreiber geheim gehaltenen Wissensvorsprung über Gesundheitsrisiken bei Funkdiensten hochstilisiert.

Zur Entlastung der Bürgerwelle ist zu sagen, dass der weltfremde Vorwurf "... die Presse greift dies nicht auf" nicht auf dem Mist der BW gewachsen ist, sondern von anderen hinzugedichtet wurde.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Karussell


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