Verein SchoK: Schwarzenburg ohne Kurzwellensender (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 23.05.2015, 00:12 (vor 3482 Tagen) @ H. Lamarr

Im November 1995 wurde der Verein "Schwarzenburg ohne Kurzwellensender" (SchoK) gegründet (inzwischen wurde er wieder liquidiert). 250 Mitglieder hatten ein Ziel: Die Schließung des Kurzwellensenders (Quelle).

Noch heute finden sich Spuren von SchoK im Internet (derzeit sind es 20).

Eine dieser Fundstellen führt zum Schlussbericht der Studie Mobilfunk: Publizistische Medien und die
Thematisierung von EMF-Risiken
(PDF, 213 Seiten) von Michael Schanne und Thomas Stalder
Zürich, Januar 2003. In diesem Schlussbericht enthalten ist der vergnüglich zu lesender Zeitungsbericht von einer SchoK-Veranstaltung des Jahres 1996, veröffentlicht von der Berner Zeitung. Der Bericht (nachfolgend kursiv wiedergegeben) ist eine erfrischende Alternative zu den penetrant heroischen Darstellungen des Herrn Jakob, der in dem aufschlussreichen Zeilen erstaunlicherweise gänzlich unerwähnt bleibt:

Beim Thema Schlaflosigkeit liess sich's gut schlafen

Hans Fischer

Schwarzenburg. Eine Informationsveranstaltung über den Kurzwellensender lockte zwar viele Anwohner in den "Bahnhof"-Saal, so richtig Stimmung wollte bei den Sender-Gegnern aber nicht aufkommen. Die Telecom-Verantwortlichen versprachen für die geplante Sanierung eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

Während dem Referat über Schlaflosigkeit schläft ein Veranstaltungsbesucher ein. Die Stimmung ist eher träge, im grossen Saal des Gasthof Bahnhof in Schwarzenburg. Funken der Hochspannung springen nur selten auf die Besucher über. Eigentlich erstaunlich für einen öffentlichen Informations- und Diskussionsabend über die Auswirkungen elektromagnetischer Kraftfelder auf die Gesundheit und Psyche der Menschen. Schwarzenburg besitzt mit dem Kurzwellensender immerhin eine eigene, ergiebige Elektrosmog-Quelle.

"Kaum waren wir in die Nähe des Senders gezogen, bekam meine Ehefrau Zahnschmerzen. Täglich während zwei Stunden", erklärt ein jüngerer Besucher in ruhigem Ton. "Die Schmerzen hörten erst auf, als meiner Frau die Amalgamfüllungen entfernt wurden." Geschickt stellt er den rhetorischen Übergang her von den Zahnschmerzen und Amalgamfüllungen der Ehefrau auf den möglichen schädlichen Einfluss des Kurzwellensenders. Schliesslich setzt er zum Höhepunkt seiner Stellungnahme an: "Werden die PTT die Zahnarztrechnungen bezahlen?" Das Publikum goutiert die Frage mit herzhaftem Lachen.

Robert Coray, Mitglied der Generaldirektion Radiocom, erstickt die aufgekeimte Heiterkeit aber mit einem verbalen Konter. "Sie können uns die Zahnarztrechnung ja schicken", erklärt er in lockerer Manier. Dann aber informiert er die Anwesenden mit leicht drohendem Unterton über den "sehr guten Rechtsdienst der PTT". Sein Statement untermalt er mit der Gestik eines Mannes, der weiss, dass der Löwe, der ihn in diese Höhle gelockt hat, erst Milchzähne hat.

Eingeladen zum Anlass hat SchoK, der Verein Schwarzenburg ohne Kurzwellensender.
"Elektrosmog - oder wie gefährlich ist die Stimme der Heimat" - ist das Motto der von rund 150 Interessierten besuchten Veranstaltung. Im November des letzten Jahres gegründet, zählt SchoK heute bereits 150 Mitglieder. Noch mehr Sympathisanten, 1250 an der Zahl, gaben SchoK ihre Unterschrift für eine seit wenigen Tagen im Bundeshaus liegende Petition. Oberstes Ziel der Petition und des Vereins ist das Einstellen des Senders bis zum Jahr 2000.

Die Wissenschaft wird SchoK beim Kampf gegen den Sender nicht unter die Arme greifen können. Die beiden eingeladenen Referenten machen dies klar. Professor Theo Abelin, Direktor des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Bern und Verfasser der Studie "Gesundheitliche Auswirkungen des Kurzwellensenders Schwarzenburg" referiert in allgemein verständlichen Worten: "Die Studie hat gezeigt, dass es zweischen Schlafstörungen und der Strahlung des Senders einen Zusammenhang gibt", so Abelin. Für einen Beweis müssten aber Tausende von Sender-Anwohnern untersucht werden.

Der andere Referent, der aus Deutschland angereiste Professor Rainer Frentzel-Beyme beeindruckt die Anwesenden vor allem mit seinen Fachausdrücken. Ab und zu dringen auch für Nicht-Akademiker verständliche Aussagen durch. Frentzel-Beyme spricht häufig das Wort "Krebs" aus. Wissenschaftlich fundierte Beweise für den Zusammenhang von Elektrosmog und Krebsleiden gebe es zwar noch nicht.

Ehemalige Angestellte des Senders beklagen sich über den Wirbel, den man veranstalte. "35 Jahre lang habe ich beim Sender gearbeitet" ereifert sich ein Rentner, "und während dieser ganzen Zeit hat nie jemand reklamiert." Diskussionsleiter und SchoK-Vizepräsident Fritz Wyss erklärt dem ehemaligen Sender-Angestellten freundlich, "dass sich alles einmal ändert". Dennoch: Die Wissenschaft hat nichts Konkretes in den Händen, die Telecom PTT hat den Bundesauftrag für den Betrieb von Radio Schweiz International, technischer Ersatz für die Kurzwellentechnik ist nicht in Sicht, und die anwesende Delegation des Wahlener Gemeinderates bleibt stumm: Die Anwohner werden weiterhin mit Schlafstörungen und anderen - wissenschaftlich nicht bewiesenen - Gesundheitsrisiken leben müssen.

Die Telecom-Verantwortlichen versprechen Linderung durch die geplante Sanierung des Senders. Vor dem Bau der neuen Antennen-Typen soll gar eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Die beiden Professoren haben in ihren Referaten erklärt, dass die Wissenschaft keine konkreten Aussagen über Gesundheitsschädigungen machen kann. An was wird sich die Umweltverträglichkeitsprüfung dann wohl orientieren?

(Berner Zeitung, Montag, 22. Januar 1996, Mittelland, 25.)
Hinweis: Ohne Foto

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Jakob, Täuschung, Schwarzenburg, Frentzel-Beyme, SchoK


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