Schweizer Grenzwertschwindel: Erfindung eines Ex-Elektrikers (Allgemein)
Gigaherz-Präsident Hans-U. Jakob versucht wieder einmal, seine fixe Idee von einem Grenzwertschwindel in der Schweiz plausibel zu machen. Jakob behauptet diesen Blödsinn seit vielen Jahren in diversen Varianten, kein anderer Mobilfunkgegner teilt seine Darstellung.
Diese EMF-Grenzwerte gelten in der Schweiz
Wie in den meisten Ländern mit einer EMF-Grenzwertregelung gelten auch in der Schweiz die wissenschaftlich begründeten Immissionsgrenzwerte der ICNIRP (für Mobilfunk 42 V/m bis 61 V/m), die z.B. auch in Deutschland gültig sind. Diese Grenzwerte enthalten einen hohen Sicherheitsfaktor, um wissenschaftliche Unsicherheiten abzudecken, es sind Grenzwerte zur Vermeidung bekannter körperlicher Risiken, die nicht überschritten werden dürfen.
In der Schweiz gelten im Gegensatz zu Deutschland für Orte mit empfindlicher Nutzung (Omen) zusätzlich "Anlagegrenzwerte" (auch bekannt als Schweizer Vorsorgewert). Diese Grenzwerte erreichen nur rd. 1/10 der Immissionsgrenzwerte (4 V/m bis 6 V/m). Anlagegrenzwerte beruhen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sie sind nach technischen, betrieblichen und wirtschaftlichen Kriterien festgelegt worden, um vorsorglich möglichen unbekannten Risiken der noch relativ jungen Mobilfunktechnik zu begegnen. Anlagegrenzwerte sind nur an Omen gültig. Omen sind z.B. Wohnungen (inkl. Korridore), Ferienwohnungen, Schulräume und Kindergärten, Patientenzimmer in Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen, ständige Arbeitsplätze, Kinderspielplätze sowie die Pausenplätze von Kindergärten und Schulhäusern, soweit diese wie Kinderspielplätze genutzt werden.
Ein Ex-Elektriker auf Abwegen
Hans-U. Jakob behauptet nun, die niedrigen Anlagegrenzwerte wären ein Riesenschwindel. Wegen der Schwächung von Funkfeldern durch die Gebäudehülle würden nirgendwo auf der Welt auch ganz ohne Anlagegrenzwert im Innern von Gebäuden Feldstärkewerte von mehr als 4 V/m bis 6 V/m erreicht. Jakobs jüngste Ausgestaltung seiner Behauptung lautet wortwörtlich:
Ausländische Antennen strahlen nicht starker als Schweizerische. Es gibt im Ausland keine Innen-Arbeitsplätze oder Wohnungen die stärker bestrahlt werden als Schweizerische. Es gelten die gleichen physikalischen Gesetze. Die Behauptung, die Schweiz habe 10 mal strengere Grenzwerte als das Ausland ist ein Riesen-Schwindel.
Warum Jakobs "Grenzwertlüge" gelogen ist
Selbstverständlich sind die Anlagegrenzwerte in der Schweiz kein Riesenschwindel, sondern seit dem Jahr 2000 eine wirksame Vorsorge gegen die Befeldung mit Immissionswerten von mehr als 4 V/m bis 6 V/m an Orten, wo sich Menschen dauerhaft aufhalten können. Und dies lässt sich auch objektiv begründen.
1) Jakob übersieht, dass die Anlagegrenzwerte auch für Kinderspielplätze unter freiem Himmel gelten und für Pausenplätze von Kindergärten und Schulhäusern, soweit diese wie Kinderspielplätze genutzt werden (Quelle). Da in diesem Fall die von Jakob ins Feld geführte Gebäudehüllendämpfung entfällt, werden Kinder in der Schweiz definitiv besser gegen höhere Immissionswerte geschützt als z.B. in Deutschland (dort wären z.B. Werte von 10 V/m oder mehr zulässig).
2) Jakobs Behauptung, im Ausland gäbe es keine Innen-Arbeitsplätze oder Wohnungen, die stärker bestrahlt werden als schweizerische, ist falsch. Eine Arbeit aus dem Jahr 2012 (PDF, englisch) berichtet von Messkampagnen in 23 Ländern, die Messwerte an 173'000 Messpunkten hervorbrachten. Die höchste Immission wurde (ausgerechnet) in Belgien gemessen, sie erreichte rd. 19,5 V/m. Werte über 6 V/m wurden in Deutschland, Irland, Neuseeland, Peru, Südkorea, Schweden und USA gemessen (dies war bereits 2012, also vor Einführung von LTE so). Wie häufig dies geschah und ob der Messpunkt in Gebäuden oder im Freien war, darüber gibt die Arbeit keine Auskunft. Muss sie auch nicht, denn eine übermäßige Befeldung Weniger ist wegen des Gebots der Gleichbehandlung nicht mit der Begründung zu rechtfertigen (wie es Jakob tut), es seien ja nur wenige. Jakob könnte jetzt einwenden, alle hohen Messwerte wären im Freien gemessen worden und nicht an Omen. Dies ist a) wieder nur eine Behauptung und b) ließe sich dagegen einwenden: Na und, da die Messungen an Omen gemäß Messempfehlung bei geöffneten Fenstern stattfinden sollen (Quelle), entfällt die Gebäudehüllendämpfung häufig und in starkem Ausmaß.
3) Jakob übersieht, dass mit der Einführung neuer Funkdienste (5G, IoT usw.) die Immission weltweit in Richtung der Immissionsgrenzwerte zunimmt. Mag es heute außerhalb der Schweiz noch so sein, dass in nur wenigen Fällen die Immission in Gebäuden 4 V/m bis 6 V/m übersteigt, so wird die Anzahl der Fälle außerhalb der Schweiz künftig garantiert zunehmen, nicht aber in der Schweiz.
4) Jakob widerspricht sich selbst, denn einerseits erklärt er die Anlagegrenzwerte wegen angeblicher Wirkungslosigkeit zum Riensenschwindel, zugleich bekämpft er wie verrückt jegliche Bestrebung, diese "wirkungslosen" Anlagegrenzwerte nicht etwa abzuschaffen, sondern nur moderat anzuheben. Eine Erklärung für dieses widersinnige Verhalten blieb der Gigaherz-Präsident selbst auf direkte Nachfrage bislang schuldig.
Hintergrund
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –