Interpellation 19.3534: Nationalrat Borloz sorgt sich um "EHS" (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 14.07.2019, 12:38 (vor 1961 Tagen) @ H. Lamarr

Mobilfunk: Bundesrätin Leuthard setzt Arbeitsgruppe ein

Mit seiner Interpellation 19.3534 stellt FDP-Nationalrat Frédéric Borloz am 3. Juni 2019 die scheinbar vernünftige Frage:

Kann der Bundesrat bestätigen, dass er überprüft hat, dass die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die von Bundesrätin Doris Leuthard über ein Mandat der UVEK eingesetzt wurde, gegenüber privaten, geschäftlichen oder industriellen Interessen, aber auch gegenüber vor diesem Mandat abgegebenen Stellungnahmen unabhängig sind?

Doch Borloz' Begründung für seine Frage ist verstörend, zeigt sie doch, wie tief sich in der Schweiz die Desinformation in Sachfragen des Mobilfunks bereits ins Bundeshaus vorgearbeitet hat:

Über die 5. Mobilfunkgeneration wird zurzeit heftig diskutiert. Ob die Debatte objektiv oder subjektiv ist, sei dahingestellt; Tatsache ist jedoch, dass die Verunsicherung in der Bevölkerung zunimmt und dass Antworten nicht mehr länger auf sich warten lassen können. Die Argumente sind sehr unterschiedlich, und vor allem die Technologien sorgen für viel Verwirrung, da die von den Akteuren veröffentlichten Zahlen und technischen Referenzen oft nicht miteinander übereinstimmen. Einige sorgen sich um ihre Gesundheit, andere kritisieren die Entwicklung unserer Gesellschaft... Kurz gesagt: Dieses Thema ist aus verschiedensten Gründen in aller Munde. Es lässt sich auf jeden Fall nicht abstreiten, dass manche Menschen gegenüber nichtionisierender Strahlung intolerant sind - egal ob 4G oder 5G - und ob die Einführung von 5G etwas an dieser Tatsache, die man nicht mehr länger ignorieren kann, ändern wird, steht offen.

Angesichts dieser Bedingungen werden die Resultate der eingesetzten Arbeitsgruppe, die dem Bund als besonders wichtige Referenz dienen werden, gespannt erwartet. Deshalb ist es auch so wichtig, dass der Bundesrat überprüft, dass die Expertinnen und Experten in dieser Arbeitsgruppe selbstverständlich entsprechend ihren Kompetenzen ausgewählt wurden, aber auch - und vielleicht vor allem - entsprechend ihrer Unabhängigkeit gegenüber den Anbietern, der Telekommunikationsindustrie und auch früheren Stellungnahmen, die eine Expertin oder ein Experte zu diesem Thema kategorisch abgegeben hatte, sei es in der Schweiz oder im Ausland. Wenn es nämlich ein Gebiet gibt, das sich rapide entwickelt, dann ist es ganz klar dieses.

Ich danke dem Bundesrat, dass er dieser Frage die nötige Bedeutung beimisst.

Kommentar: Entgegen aller ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Erkenntnis behauptet Nationalrat Borloz, manche Menschen seien gegenüber nichtionisierender Strahlung intolerant. Er begibt sich damit in die Gesellschaft von Allgemeinärzten, über die eine Studie urteilte, die Ärzte würden in ihrer EMF-Risikowahrnehmung einem einzigartigen Widerspruch zur anerkannten nationalen und internationalen Risikobewertung unterliegen. Borloz ignoriert die kritische Beurteilung von "Elektrosensibilität" durch die WHO und die Tatsache, dass es bislang weltweit keinem einzigen selbstdiagnostizierten "Elektrosensiblen" gelang, seine behauptete Fähigkeit zur unangenehmen Wahrnehmung schwacher elektromagnetischer Felder unter wissenschaftlicher Aufsicht nachzuweisen. Woher der Parlamentarier aus dem Kanton Waadt seine verzerrte Wahrnehmung hat ist nicht bekannt, lässt sich aber leicht erraten. Borloz geht sogar noch weiter: Auf seiner privaten Website fordert er die Schaffung öffentlich zugänglicher "Schutzzonen" für sogenannte Elektrosensible. Aus meiner Sicht erschreckend, denn der Volksvertreter betätigt sich mit dieser bizarren Forderung als Lobbyist der Anti-Mobilfunk-Szene und trägt dazu bei, einen pseudowissenschaftlich begründeten Aberglauben, vergleichbar dem an Homöopathie oder Wünschelruten, salonfähig zu machen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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