Klaus Buchner über Bienensterben auf der Isle of Wight (IV) (Allgemein)
Ich gehe allerdings weiterhin davon aus, Buchner hat geflunkert, als er andeutete, im Besitz des Imms-Bericht zu sein, stattdessen hat er die Falschmeldung mutmaßlich von Firstenberg übernommen und als Eigenleistung ausgegeben. Das entlastet den Professor der Mathematik ein wenig. Ob Firstenberg der Urheber der dreisten Geschichtsfälschung ist oder der Amerikaner seinerseits abgekupfert hat, ist noch zu klären.
Eines ist jetzt sicher: Klaus Buchner hat sich bei Arthur Firstenberg bedient. Denn Firstenberg schreibt 2017 in seinem Buch "The invisible rainbow : a history of electricity and life" in Kapitel 8 (Mystery on the Isle of Wight) u.a. die folgende Passage (übersetzt):
[...] Aber die Bienen konnten nicht einmal fliegen. „Man sieht sie oft an Grashalmen oder an den Stützen der Bienenstöcke hochkrabbeln, wo sie bleiben, bis sie vor lauter Schwäche zurück auf den Boden fallen und kurz darauf sterben“, schrieb er [Imms; Anm. Postingautor] [...].
Klaus Buchner erzählt im Oktober 2019 die gleiche Geschichte etwas ausgeschmückt so:
[...] Und dann kam ein Forscher von Cambridge hin und hat beobachtet, dass die Bienen den Sockel ihres Bienenstocks hochkrabbeln und wenn sie in einer bestimmten Höhe waren, sind sie von den Strahlen des Senders getroffen worden, auf den Boden gefallen und kurz drauf eingegangen. [...]
In seiner Stellungnahme behauptet Buchner, die von mir gefundene Studie (Imms, A. D., June, 1907. Report on a disease of bees In the Isle of Wight. Journal of the Board of Agriculture, Vol. XIV, No. 3, pp. 120-140) sei die falsche, ohne allerdings die richtige zu nennen. Auch dies ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur eine spontan ersonnene Schutzbehauptung Buchners, mit denen er sich gerne wie ein Tintenfisch aus der Affäre zieht, wenn es brenzlig für ihn wird. So wie jetzt. Denn Firstenberg bestätigt in seinen (wirren) Quellenangaben exakt dieselbe Studie, die auch ich gefunden habe. Andere Studien von Imms erwähnt Firstenberg nicht. Da aber Imms in seiner Studie Funkexposition mit keinem Wort erwähnt (siehe Teil III), ist damit auch Firstenbergs Glaubwürdigkeit erschüttert.
Firstenbergs Schilderung des Biensterbens auf der Isle of Wight (im Folgenden kursiv formatiert) ist deutlich ausführlicher als der kurze Streifer Buchners. Den Wahrheitsgehalt habe ich nicht geprüft:
[...]
Und dann waren da noch die Bienen.
Im Jahr 1901 gab es bereits zwei Marconi-Stationen auf der Isle of Wight – Marconis ursprüngliche Station, die nach Niton an der Südspitze der Insel neben dem St. Catherine's Lighthouse verlegt worden war, und die Culver Signal Station, die von der Küstenwache am östlichen Ende von Culver Down betrieben wurde. Bis 1904 kamen zwei weitere hinzu. Laut einem Artikel, der in diesem Jahr von Eugene P. Lyle in der Zeitschrift World's Work veröffentlicht wurde, waren nun vier Marconi-Stationen auf der kleinen Insel in Betrieb und kommunizierten mit einer stetig wachsenden Zahl von Marine- und Handelsschiffen vieler Nationen, die mit ähnlichen Geräten ausgestattet waren und durch den Ärmelkanal fuhren. Es war die größte Konzentration von Funksignalen weltweit zu dieser Zeit.
Im Jahr 1906 wurde auch die Lloyd's Signal Station, eine halbe Meile östlich des St. Catherine's Lighthouse, mit Funkgeräten ausgestattet. Zu diesem Zeitpunkt war die Situation mit den Bienen so ernst geworden, dass das Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei den Biologen Augustus Imms vom Christ's College in Cambridge zur Untersuchung hinzuzog. Neunzig Prozent der Honigbienen waren ohne ersichtlichen Grund von der gesamten Insel verschwunden. Die Bienenstöcke waren alle voller Honig. Aber die Bienen konnten nicht einmal fliegen. „Man sieht sie oft an Grashalmen oder an den Stützen der Bienenstöcke hochkrabbeln, wo sie bleiben, bis sie vor lauter Schwäche zurück auf den Boden fallen und kurz darauf sterben“, schrieb er. Gesunde Bienenschwärme wurden vom Festland importiert, aber es half nichts: Innerhalb einer Woche starben die frischen Bienen zu Tausenden.
In den folgenden Jahren verbreitete sich die „Isle of Wight-Krankheit“ wie eine Seuche in ganz Großbritannien und dann in den Rest der Welt. Schwere Bienenverluste wurden aus Teilen Australiens, Kanadas, der Vereinigten Staaten und Südafrikas gemeldet. Die Krankheit wurde auch in Italien, Brasilien, Frankreich, der Schweiz und Deutschland gemeldet. Obwohl jahrelang verschiedene parasitäre Milben dafür verantwortlich gemacht wurden, widerlegte der britische Bienenpathologe Leslie Bailey diese Theorien in den 1950er Jahren und betrachtete die Krankheit selbst als eine Art Mythos. Natürlich seien Bienen gestorben, sagte er, aber nicht an einer ansteckenden Krankheit.
Im Lauf der Zeit forderte die Isle-of-Wight-Krankheit immer weniger Bienenleben, da sich die Insekten an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen schienen. Orte, die zuerst befallen waren, erholten sich auch zuerst.
Dann, im Jahr 1917, gerade als die Bienen auf der Isle of Wight selbst ihre frühere Vitalität zurückzugewinnen schienen, ereignete sich etwas, das die elektrische Umgebung der übrigen Welt veränderte. Millionen von Dollar aus der Kasse der US-Regierung wurden plötzlich für ein Notprogramm bereitgestellt, um die Armee, die Marine und die Luftwaffe mit den modernsten Kommunikationsmitteln auszustatten. Der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg am 6. April 1917 löste einen ebenso plötzlichen und rasanten Aufschwung des Rundfunks aus wie die Verbreitung der Elektrizität im Jahr 1889.
Wieder waren es die Bienen, die die erste Warnung gaben.
„Herr Charles Schilke aus Morganville, Monmouth County, ein Imker mit beträchtlicher Erfahrung, der etwa 300 Bienenvölker betreut, meldete einen großen Verlust an Bienen aus den Bienenstöcken in einem seiner Gärten in der Nähe von Bradevelt“, hieß es in einem Bericht, der im August 1918 veröffentlicht wurde. „Tausende tote Bienen lagen herum und Tausende sterbende Bienen krabbelten in der Nähe des Bienenstocks herum und sammelten sich in Gruppen auf Holzstücken, Steinen und in Vertiefungen im Boden. Die betroffenen Bienen schienen fast alle junge erwachsene Arbeiterinnen zu sein, die normalerweise ihr erstes Feldarbeit leisten würden, aber es wurden auch ältere Bienen aller Altersstufen gefunden. Zu diesem Zeitpunkt wurden keine abnormalen Zustände im Bienenstock festgestellt.“ [...]
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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- Klaus Buchner über das Bienensterben auf der Isle of Wight (I) -
H. Lamarr,
29.11.2020, 22:22
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03.12.2020, 00:03
- Klaus Buchner über Bienensterben auf der Isle of Wight (IV) -
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- Isle-of-Wight-Disease (V): Wer brachte als erster EMF ins Spiel? - H. Lamarr, 05.05.2025, 18:06
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04.05.2025, 21:42
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