Charité: denn sie wussten (nicht?), was sie tun (Forschung)
Wenn man den Schilderungen im SZ-Artikel vom 14.11. folgt (Titel: "Dr. med. nachgebessert"), dann werden von der Berliner Charité weder Zusammensetzung und fachliche Befähigung, noch die Gutachtensschrift der angeblich "externen" Kommission nach draußen mitgeteilt. ...
So ganz extern war die Kommission nicht. Der Vorsitzende war der Ombudman der Charité, Prof. Sperling ...
Wird das so durchgeführt und also grundsätzlich möglich, dann könnten andere Doktoranden mit Fug und Recht auf Gleichbehandlung pochen, und mehr: sie -oder gleich die Politik- könnten mittelfristig eine Regel einklagen, die dieses Verfahren institutionalisiert. Anderenfalls würde diesem in der Charité ersonnenen Verfahren auf Dauer der Geruch der Willkür anhaften.
Genau davor habe ich die Promotionskommssion vor ihrer Entscheidung am 17. Oktober gewarnt. Leider erfolglos.
Die Doktorandin, die diese Arbeit verfasst hat und jetzt im Verdacht steht, Daten fabriziert, also betrogen zu haben, sollte sich das Angebot der Charité zweimal überlegen. Wer würde im Wissenschaftsbetrieb mit so einer Sonderregelung schon glücklich? Fachlich gesehen, bedeutet die angebotene Zehn-Monats-Frist doch eine ernste Aufforderung an die arme Frau: liefern Sie solide, also replizierfähige Ergebnisse ab. Darauf darf man dann gespannt sein. Das Angebot ist ein Danaergeschenk. Fein heraus ist am Ende in jedem Fall die "soziale" Charité. Die Dumme aber, weil: Alleinverantwortliche, ist nun, und bleibt ab dann, die Doktorandin. Und die Voraussetzungen sind auch in anderer Hinsicht fragwürdig. Vermutlich besteht auch ein Abhängigkeitsverhältnis. Oder gar mehrere. Wissenschaft, abzuliefern unter Druck. Man denke diese Geschichte weiter. Sie ist anrüchig.
Genau. Vor ein paar Tagen habe ich den Vorstandsvorsitzenden der Charité, die Dekanin und die Promotionskommission angeschrieben, bislang aber (wie erwartet) keine Antwort erhalten:
"Sehr geehrter Herr Professor Einhäupl,
Sehr geehrte Frau Professor Grüters-Kieslich,
Sehr geehrte Mitglieder der Promotionskommission der Charité,
beim Lesen des Artikels in der Süddeutschen Zeitung vom Montag („Dr. med. nachgebessert“) ist mir aufgefallen, dass von einem „Urteil“ bzw. „Votum“ der „externen Kommission“ berichtet wird, dem sich die Promotionskommission angeschlossen habe. Mit dieser Äußerung der Kommission ist offenbar der Passus gemeint, der „keine betrügerische Intention feststellen“ konnte.
Was mich nun wundert: Zum Einen ist Herr Sperling, Ombudsman der Charité, nicht nur Mitglied, sondern auch Vorsitzender dieser „externen“ Kommission gewesen, was die Angelegenheit nicht eben angenehmer macht. In diesem Lichte erklärt sich natürlich auch die Äußerung von Herrn Sperling, die Mitglieder nicht zu nennen, um sie vor einer „Schlammschlacht“ zu bewahren ...
Zum Anderen ist mir nach wie vor vollkommen schleierhaft, warum die PK so entschieden hat. Und: Wie soll das denn weiter gehen? Selbst wenn Frau Dr. XXX sich jetzt daran setzt, die Arbeit zu verbessern, was soll denn „verbessert“ werden? Sie müsste
- die Originaldaten beifügen und erklären, dass sie diese durch 2, 3, 5 bzw. 7 dividiert hat, „um typische und vergleichbare Comet-Parameter, wie sie üblicherweise in der Literatur gefunden werden, zu erhalten ...“ (Zitat Tauber);
- erklären, dass die Daten mit zwei völlig unterschiedlichen Verfahren und zu unterschiedlichen Zeitpunkten generiert wurden;
- einräumen, dass sie zum Teil wesentlich weniger Zellen analysiert hat als ursprünglich angegeben;
- die Bilder der Zellen erneut auswerten, da die Bilder zum Teil nicht vorhanden waren bzw. doppelt ausgewertet wurden (gibt es überhaupt noch auswertbare Bilder; gibt es noch die entsprechende Software?);
- statistische Auswertungen vornehmen (wie geht das, wenn die Originaldaten nicht mehr beschafft werden können, s.o.?);
- erklären, wie die Zellen wirklich exponiert wurden (Stichwort „Bandverstärker“);
Da die „aufgebesserte“ Dissertation natürlich noch einmal begutachtet werden muss, stellt sich die Frage, wer das machen soll / wird, da die Namen der Gutachter (Referent / Korreferent) schließlich laut Promotionsordnung veröffentlicht werden müssen. Ein höchst undankbarer Job, kann ich mir vorstellen, da die erheblichen Mängel der Arbeit ja nicht verschwinden / verschwiegen werden dürfen.
Wenn die Arbeit schließlich begutachtet worden ist, ergeben sich zwei mögliche Ergebnisse: Annahme oder Ablehnung. Im Falle der Annahme: Wird es eine erneute Disputation geben? Im Falle der Ablehnung: Bedeutet das automatisch den Entzug des Doktorgrades? Falls ja, mit welcher Begründung?
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Lerchl"
Das wird alles noch sehr interessant werden.
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"Ein Esoteriker kann in fünf Minuten mehr Unsinn behaupten, als ein Wissenschaftler in seinem ganzen Leben widerlegen kann." Vince Ebert
gesamter Thread:
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15.11.2011, 19:18
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