Ramazzini-Krebsstudie: statistische Überbewertung (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 24.05.2019, 19:51 (vor 1998 Tagen) @ H. Lamarr

... ebenso wie John Timmer ...

Timmer baut seine Kritik darauf auf, die Ramazzini-Studie habe eine statistisch signifikante Zunahme der Inzidenz von Herzschwannomen bei mit stärkster Befeldung exponierten männlichen Ratten beobachtet. Bei dieser Krebsart entwickelte die Kontrollgruppe von 817 Ratten vier Tumore. Aber: Alle diese Tumoren in der Kontrollgruppe traten ausschließlich bei den Weibchen auf; keiner bei den Männchen. Diese offensichtlich geschlechtsbezogene Verzerrung würde nun zwangsläufig zur statistischen Überbewertung der Tumoren in jeder Versuchsgruppe mit Männchen führen.

Und genau das könne man bei der Ramazzini-Studie erkennen. In einer weiblichen Versuchsgruppe entwickelten 2,2 Prozent der Tiere Herzschwannome, allerdings war dieses Ergebnis statistisch nicht signifikant. Im Gegensatz dazu entwickelten in der Versuchsgruppe der Männchen nur 1,5 Prozent der Tiere Herzschwannome, doch diese Zunahme der Tumorinzidenz ist statistisch signifikant. Eine schwach befeldete Gruppe von Männchen zeigte die gleiche Anzahl von Tumoren, doch diese Gruppe war größer und deshalb verfehlte dieses Ergebnis die Signifikanzschwelle.

Diese Beobachtungen legen laut Timmer nahe: Der statistisch signifikante Effekt, den die Ramazzini-Studie meldet, beruht eher auf der ungewöhnlich niedrigen Tumorinzidenz in der Kontrollgruppe als auf einem spezifischen Effekt der Befeldung mit EMF.

Wegen dieser Schwäche der Ramazzini-Studie hat Ars-Technica entschieden, nicht weiter über sie zu berichten.

Die Ausführungen Timmers sind aus meiner Sicht ein gelungenes Beispiel, dass es die kompetentere Alternative ist, aus den Befunden einer alarmierenden Studie nicht bloß eine alarmierende Studienrecherche zu basteln, sondern mit Sachverstand nach Stärken und Schwächen einer Arbeit Ausschau zu halten. Doch das kann nur, wer über das Lesen hinaus imstande ist, das Gelesene richtig zu verstehen und zu bewerten. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe ist der Laie und der selbsternannte Experte gut vom echten Experten zu unterscheiden.

Hintergrund
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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