Uwe Dinger redet sich in vier Minuten um Kopf und Kragen (Allgemein)
Wer als Mobilfunkgegner etwas auf sich hält, muss auch W-Lan als Teufelswerk ablehnen. So geben es die Parolenstanzer der Anti-Mobilfunk-Szene realitätsfremd vor. Umso verblüffender, dass ausgerechnet Uwe Dinger, er baute Diagnose-Funk erst in der Schweiz auf, dann in Deutschland, W-Lan in Gebäuden als technischen Ersatz für Mobilfunk sieht. Und zwar dann, wenn nach einer angestrebten Trennung von Innen- und Außenversorgung Mobilfunksender zu schwach wären, um Innenräume noch ausreichend zu versorgen. Auf seine verstörende Darlegung aufmerksam gemacht, versuchte Dinger zu retten, was zu retten war – und verstrickte sich dabei noch mehr.
Im Gegensatz zu vielen seiner Gesinnungsgenossen ist Uwe Dinger ausgesprochen medienscheu. Coco Tâche aber schaffte es, ihn vor eine Kamera zu bringen und zu befragen. Ort des Geschehens ist der Waisenhausplatz in Bern, ihrem YouTube-Kanal einverleibt hat Coco die Befragung am 5. Mai 2020. Dinger war seinerzeit noch Präsident des Anti-5G-Projekts Frequencia und Coco saß dort mit im Vorstand. Inzwischen hat sich die Situation gründlich geändert, zumindest was die deutschsprachige Website von Frequencia anbelangt.
Coco Tâche befragt Uwe Dinger über die Pläne seines Anti-5G-Projekts Frequencia.
Coco Tâche kurz zu beschreiben ist nicht einfach, da die aparte Frau, in der ich eine träumerische Menschenfreundin sehe, äußerst vielseitige Interessen hat. Wer mehr über sie erfahren möchte wird im www fündig.
Die entscheidenden vier Minuten
Der folgende vierminütige Ausschnitt aus dem Gespräch der beiden findet ab Minute 4:09 statt. Zuvor versuchte Uwe, Coco die Kernpunkte der von Frequencia angestrebten Indoor/Outdoor-Trennung der Mobilfunkversorgung lässig zu verklickern. Das gelang ihm anfangs einigermaßen gut, doch zu Beginn des Ausschnitts bringt er plötzlich W-Lan ins Spiel. Coco hakt geistesgegenwärtig nach und bringt damit Uwe arg ins Schleudern.
Uwe Dinger: [...] Wir müssen jetzt sofort einen Wechsel machen in der Mobilfunkinfrastruktur, so dass wir die Innenversorgung von der Außenversorgung trennen. Also die sogenannte Indoor/Outdoor-Trennung. Und das heißt, am besten ist natürlich jetzt ein Glasfaseranschluss für alle Haushalte und wenn ich dann zu hause kommunizieren will, dann muss der Gespräch am besten über WiFi-Calling – oder wie auch immer das dann beim jeweiligen Anbieter dann betitelt wird – kann dann direkt über das Glasfasernetz abgeleitet werden.
Coco Tâche: Wie kann man sich das WiFi-Calling vorstellen?
Ach da gibt es unterschiedliche Anbietermöglichkeiten. Also wenn ich jetzt zu hause bin und ich möchte Daten abrufen, dann wird das über das W-Lan, über die W-Lan-Funktion des Smartphones funktionieren und nicht über den Datenmodus, wo ich den nächsten Mobilfunksendemasten erreiche, sondern es nimmt direkt Verbindung auf über den Router und der Router ist angeschlossen an das Glasfasernetz, also über – in dem Fall – Fiber to the Home im Idealfall uuund ...
Aber W-Lan ist sehr, sehr schädlich!
W-Lan ist dann in dem Sinn schädlich, genau! Es ist einfach so jetzt, das war jetzt ausgehend von der Indoor/Outdoor-Trennung. Natürlich wollen wir im idealfall, dass wir zu Hause auch strahlungsarm oder potenziell strahlungsfrei leben können und das muss natürlich faktisch eigentlich jeder im Idealfall selber entscheiden. Weiter wollen wir Eigenverantwortung, da können wir den Leuten nicht reinreden. Was wir wollen mit der der Indoor/Outdoor-Trennung ist, dass die W-Lans eigentlich auch nur noch den eigenen Wohnraum abdecken. Das heißt, mein WiFi, mein W-Lan soll nicht die ganze Nachbarschaft bestrahlen.
Genau, genau ...
Genauso also Indoor/Outdoor-Trennung bezüglich der Mobilfunksendeanlagen, dass man hier eine Trennung hat, will man das natürlich dann halt auch für den eigenen Mobilfunksender, in Anführungsstriche, in der eigenen Wohnung. Dass der nur den eigenen Bereich abdecken kann.
Aber wie kann man das nachvollziehen, wie ist das überhaupt möglich? Weil jetzt zum Teil sind wir in Gebäuden, da hat's vielleicht hundert W-Lans ...
Da hat's hundert W-Lans, ja. Also das heißt, das ist auf jeden Fall so, dass die Anbieter künftig die W-Lans entsprechend ausstatten und regulieren müssen.
Okay ...
Und das ist etwas, was wir erreichen wollen über die Mobilfunkinitiative, die du eingangs erwähnt hast. Die ist unterwegs, die Mobilfunkinitiative ...
Magst vielleicht noch zwei, drei Worte darüber sagen ...
Ja, genau. Also im Kern geht es natürlich ... also das Zentrale was wir wollen ist nicht, dass wir sagen, wir wollen dass die Grenzwerte gesenkt werden, sondern, was wir wollen ist, dass man tatsächlich die Mobilfunkinfrastruktur auf Glasfaser aufbaut und die Funkstrecken so kurz wie möglich. Und dann natürlich im Weitergehenden die Indoor/Outdoor-Trennung. Dass also nicht ich mit Außenantennen Innenräume oder die Tiefgarage drittes Untergeschoss versorge, sondern dort, wenn es denn notwendig ist, mit Kleinzellen arbeite mit Femtozellen wie auch immer. Das gilt es letztendlich umzusetzen. Und das ist das, was wir wollen. Also wir wollen im Kern eine Weichenstellung zu einer neuen nachhaltigen und sicheren Mobilfunkinfrastruktur. Und diese Infrastruktur muss so aufgebaut sein, dass sie für die Bevölkerung faktisch bedeutet, natürlich auch für die Umwelt, eine absolute Minimierung der Strahlungsbelastung. So, damit ist das Thema Grenzwertsenkung eigentlich wie ein Abfallprodukt dieser neuen Infrastruktur.
Also wo der Mensch wirklich nicht gefährdet ist, kann man das sagen dass ...
Wir können nicht nicht gefährdet, sondern wir fordern absolute Minimierung der Risiken auf das technisch Machbare. Also das ist technisch machbar, das was wir fordern, und das muss umgesetzt werden.
Genau ...
Es geht um den Schutz von Mensch und Umwelt und nicht irgendwo dass man jetzt irgendwie Rücksicht nimmt auf technologische Errungenschaften. [...]
Das Kuriosum des obigen Dialogs liegt darin, dass Uwe Dinger mutmaßlich versehentlich die Folgen einer Indoor/Outdoor-Trennung technisch korrekt beschreibt. Wenn Mobilfunksender wegen geringer Sendeleistung eine Gebäudehülle nicht mehr hinreichend durchdringen können, um auch im Innern gute Verbindungen zu gewährleisten, dann ist drinnen eine Ersatztechnologie erforderlich. Mobilfunkgegner sprechen dann in aller Regel nebulös von Glasfaseranschlüssen und deren erfreulich großer Bandbreite. Um die Gretchenfrage, was die Brücke vom Smartphone zum Glasfaseranschluss schlägt, machen sie einen großen Bogen und zuweilen hat man bei technisch überforderten Mobilfunkgegnern den Eindruck, diese glaubten, irgendwie würden auch Smartphones direkt via Gasfaser gespeist. Das ist Blödsinn und Dinger weiß das. Deshalb erwähnt er W-Lan als Brückentechnologie.
Dummerweise hat die Anti-Mobilfunk-Szene W-Lan jedoch schon als besonders gefährlich ausgemacht, noch bevor sich die Parole von der Indoor/Outdoor-Trennung in der Szene verbreitete. Der Verein Diagnose-Funk tat sich z.B. mit einer dilettantischen narrativen Review hervor, die mit 100 Studien der Gefährlichkeit von W-Lan die wissenschaftliche Absolution erteilen sollte. Aus Sicht von Wissenschaftlern ist diese Review zwar "unerträglich" und genießt deshalb keine Anerkennung in ihrer Community, Diagnose-Funk ließ das Paper jedoch von Gesinnungsfreunden ausgiebig beweihräuchern, so dass Laien zuweilen noch heute damit argumentieren.
In der Zwickmühle
Mit dem Verteufeln von W-Lan brachte sich die Anti-Mobilfunk-Szene selbst in die Zwickmühle, eine Trennung der Indoor/Outdoor-Versorgung von Mobilfunk nicht mehr mit W-Lan als Brückentechnologie für die Anbindung der Smartphones ans Internet plausibel begründen zu können. Uwe Dinger fiel damit in die Grube, die er selbst ausgehoben hat. Nachdem der Ex-Geschäftsführer von Diagnose-Funk mit Cocos Hilfe seinen Fehltritt bemerkt, versucht er wortreich aus der Grube zu entkommen. Vergeblich. Am besten gefällt mir seine der Verzweiflung entsprungene Nonsense-Äußerung "die Anbieter [müssen] künftig die W-Lans entsprechend ausstatten und regulieren". Weil es keinen vernünftigen Grund für "die Anbieter" gibt, der bizarren Forderung Dingers nachzukommen, wird der Dipl.-Astrologe ein Rufer in der Wüste bleiben. Wahrscheinlich hat Dinger seinen Appell an "die Anbieter" jedoch nicht ernst gemeint, sondern eher Coco gründlich einseifen wollen, damit ihr nicht noch mehr unangenehme Fragen einfallen. Damit war er offensichtlich erfolgreich.
W-Lan ist übrigens nicht die einzige Brückentechnologie, die in Gebäuden Verwendung finden kann. Auch Repeater für Mobilfunk könnten die Indoor-Versorgung gut gewährleisten. Und wenn man systembedingte Nachteile inkauf nimmt, könnte sogar VLC (auch LiFi genannt) dafür herangezogen werden. Dass Uwe Dinger anlässlich seiner Befragung durch Coco ausgerechnet das von seinen Gesinnungsfreunden unermüdlich gefeierte VLC als Brückentechnologie nicht eingefallen ist, lässt erahnen, welche geringen Erfolgsaussichten er dieser Technik insgeheim gibt.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –