"Thank you for Calling": Spatenpaulis Filmkritik (IV) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 08.10.2016, 16:36 (vor 2968 Tagen) @ H. Lamarr

"Thank you for calling" will starken Eindruck machen. Wenn dies mit ehrlichen Bildern und Texten nicht möglich ist, müssen Schwindeleien herhalten, um Gewöhnliches imposant erscheinen zu lassen. Hier drei weitere Beispiele, auf welche Weise diese Manipulation vonstatten geht:

► Die Website zum Film behauptet:

Prof. Mosgöller ist nicht nur einer der wissenschaftlichen Kronzeugen der Anklage am Washington D.C. Superior Court, dem obersten Zivilgericht der USA, sondern auch Forschungskoordinator zweier spektakulärer Mobilfunk-Studien.

Die farbig markierte Behauptung ist falsch, von den angeblich "spektakulären Mobilfunkstudien" nicht zu reden. Das oberste Zivilgericht der USA ist nicht der Superior Court, sondern der Supreme Court, den es als Bundesgericht und in den einzelnen Bundesstaaten gibt. Der Superior Court ist hingegen eine weit untergeordnete Instanz, meinen Recherchen zufolge in etwa anzusiedeln beim deutschen Amtsgericht oder bestenfalls Landgericht. Bislang ist nur ein einziger Websitebetreiber auf diese Irreführung hereingefallen, die auch in Form einer "Presse-Information" verbreitet wurde.

► Der Trailer zum Film (siehe Video unten) zeigt ab Minute 1:22 eine Szene mit Carlo und Scheidsteger. Beide stehen am Fuß einer Freitreppe, die Kamera schwenkt auf das Gebäude, zu dem die Treppe führt und dann wird nach einem kaum wahrnehmbaren Schnitt ein Schwarzweißfoto des im klassizistischen Stil erbauten Supreme Court eingeblendet, begleitet von Scheidstegers Kommentar "... nun müssen amerikanische Gerichte entscheiden."

Den Zuschauern soll augenscheinlich weis gemacht werden, der Prozess werde am höchsten Gerichte der USA verhandelt (Supreme Court). Scheidsteger hätte mühelos auch den zutreffenden Superior Court in Washington D.C. zeigen können, dessen Gebäude allerdings weitaus weniger imposant ist und eher an einen Bunker erinnert.

► Die große Lust am Dramatisieren findet sich im Film und in seinem Dunstkreis überall, sogar dort, wo sie nach den Regeln der Kunst nichts verloren hat: im Presseheft. Auf Seite 9 wird dort eine Synopsis (Übersicht) auf den waghalsigen Gerichtsfall angeboten, über dem Text thront abermals das Foto eines imposanten Baus, diesmal ein Ehrfurcht einflössender Kuppelbau. Der unbedarfte Betrachter muss glauben, das Foto hätte irgendetwas mit dem Fall zu tun. Auch dies ein Irrtum, denn das Foto zeigt das Capitol in der US-Hauptstadt (Sitz des gesetzgebenden Kongresses mit Senat & Repräsentantenhaus), also ein Gebäude, das mit Scheidstegers Passion nicht das Geringste zu tun hat – mit dem sich jedoch trefflich Wichtigkeit vortäuschen lässt.

Nun mag einer beschwichtigend einwenden, Scheidstegers kleine Schwindeleien seien von der "künstlerischen Freiheit" gedeckt. Dem würde ich entgegnen: Nein, die Vielzahl der Verfehlungen, die ich in dem Film gesehen habe, lassen auf die Absicht einer systematischen Täuschung der Zuschauer mit allen Mitteln schließen. Und diese "Kunst" ist besser bekannt unter dem Begriff Propaganda.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Täuschung, Propaganda, Irrtum, Washington, Trick, USA, Kommerz, Sammelklage, Scheidsteger, Filmkritik, Ty4C


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