Methoden und Ergebnisse der Nocebo-Studie im Detail (Forschung)

Dr. Ratto, Donnerstag, 30.05.2013, 16:43 (vor 4196 Tagen) @ cassandra

METHODEN

Es wurde eine einmalige Untersuchung von 60 min an 147 Testpersonen (67% Frauen) durchgeführt, alles gesunde junge Menschen.

Am Anfang (T1) wurde abgefragt (mit validierten Fragebögen):
- Besorgnis über gesundheitliche Auswirkungen elektromagnetischer Felder
- subjektiv empfundene Elektrosensibilität
- Ängstlichkeit
- Somatisierung: http://de.wikipedia.org/wiki/Somatisierung_(Psychologie); PHQ-15 http://de.wikipedia.org/wiki/PHQ-15

Dann wurde Film geschaut (9 min), 76 Personen WiFi, /71 Kontrollfilm

Danach (T2) wurde abgefragt:
- Symptome (Intensität von 34 Symptomen, daraus wird ein Score berechnet)
- Besorgnis über gesundheitliche Auswirkungen der EMF
- Ängstlichkeit

Dann wurde 15 min WiFi Scheinexponiert; Es war wohl recht überzeugend, 133 wurden befragt und 86% glaubten an die Exposition.

Nach der Scheinexposition (T3) wurde abgefragt:
- Symptome
- Zurückführen der Symptome auf das EMF
- subjektiv empfundene Elektrosensibilität
- Ängstlichkeit
- Besorgnis über gesundheitliche Auswirkungen der EMF

Daraus ergibt sich:
1. Von insgesamt 6 Fragebögen kamen zu den 3 Zeitpunkten nie alle dran, es können also nicht alle Parameter zu allen Zeitpunkten direkt verglichen werden. Die Fragebögen sind ewig lang, die Leute ermüden auch und bekommen schon davon Kopfweh und Konzentrationsstörungen, es ist also auch nicht machbar. Angaben zu Symptomen vor dem Film fehlen deswegen, das wird in der Diskussion auch als Limitation angesprochen.
2. Bei den Symptomen ist nicht allein die Zahl der Personen mit Symptomen wichtig, sondern ein Score, das pro Person aus Zahl und Intensität der 34 vorgegebenen Symptome berechnet und dann über die ganze Gruppe gemittelt wird. Es ist also nicht nur wichtig, wie viele Personen Symptome empfunden haben, sonder auch wie viele und wie starke Symptome es pro Person waren.

ERGEBNISSE

1. Die Besorgnis über gesundheitliche Auswirkungen der EMF war vor dem Film (T1) zwischen den Gruppen nicht signifikant unterschiedlich, danach (T2) stieg sie in der WiFi Gruppe signifikant an, in der Kontrollgruppe nicht. Am stärksten war der Effekt bei ängstlichen Leuten ausgeprägt.

2. Das Score für Symptome stieg in beiden Gruppen nach der Scheinexposition (von T2 zu T3) an, in der WiFi-Gruppe war es geringfügig, aber nicht signifikant mehr als in der Kontrollgruppe. Es zeigte sich aber eine signifikante Interaktion zwischen Film und Ängstlichkeit und Film und Zurückführen der Symptome auf das EMF. D.h. bei denen die schon vorher ängstlich waren und dazu neigten Symptome den EMF zuzuschreiben hatte der WiFi Film zu einer stärkeren Erhöhung des Scores für Symptome geführt als der Kontrollfilm. Da diese Personen in der Gruppe anscheinend der Minderheit waren (gesunde junge Probanden!), war es auf Gruppenebene nicht signifikant.

3. Zuordnung der Symptome zu EMF (T3)
Symptome hatten fast alle Probanden (nur 18 hatten keine!). 82 Personen führten diese auf EMF zurück (Hier ging es wohl um die Frage wie viel aus welcher Gruppe und laut Autoren war es etwa gleich). Der Film allein hatte wieder keinen signifikanten Effekt, aber die Interaktionen zwischen Film und Ängstlichkeit (T2) war signifikant. Ebenfalls war der Einfluss von Somatisierung (T1), Ängstlichkeit (T2) und Besorgnis über gesundheitliche Auswirkungen der EMF (T1) signifikant, und zwar auch ohne Film, also in beiden Gruppen. Wer also auch ohne den Film Angst vor EMF hatte brauchte den Film nicht mehr um seine Symptome den EMF zuzuschreiben. Das verwischt aber den Gruppenunterschied. Frauen assoziierten Symptome signifikant häufiger mit EMF.

4. Subjektive Elektrosensibilität
Der Film allein hatte keinen Einfluss auf den Anstieg der subjektiv empfundenen Elektrosensibilität von T1 zu T3, aber diejenigen, die Symptome auf EMF zurückführten (T3) neigten häufiger dazu sich für Elektrosensibel zu halten; hier gab es wieder eine signifikante Interaktion mit dem Film.

FAZIT: Das ganze verläuft in zwei Etappen, der Film steigert zunächst signifikant die Besorgnis (1). Diejenigen, die Angst vor EMF haben, bekommen nach einers Scheinexposition mehr Symptome, führen sie eher auf EMF zurück und halten sich eher für Elektrosensibel (2-4). Dabei ist es egal, ob die Angst von dem Film kommt, oder bereits "mitgebracht" wurde. Deswegen ist es so schwer es statistisch sauber aufzuarbeiten.

Ich hoffe die Autoren richtig interpretiert zu haben, denn trivial war das nicht. Und ich hoffe dass ich nicht noch mehr Verwirrung gestiftet habe. Ganz einfach liest sich mein Werk auch nicht, besser kann ich es aber nicht.

Dr. Ratto


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