Sittenbach: Diagnose-Funk bei Großmutter erfolgreich (Allgemein)
31 Jahre nachdem der GSM-900-Mobilfunk in Deutschland ausbrach, kann der Stuttgarter Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk einen schönen Erfolg verbuchen. In Sittenbach, einem Ortsteil von Odelzhausen bei Dachau, fürchtet eine 63-Jährige um die Gesundheit ihrer Enkelkinder. Denn die wohnen direkt neben der Feuerwache, auf deren Dach die Telekom einen Funkmasten errichten möchte. Dass Gefahr in Verzug ist, weiß die Großmutter von Diagnose-Funk. Treffer! Wir gratulieren.
Am 22. September 2023 berichtete Merkur.de erfrischend pointiert über den jüngsten Zankapfel in dem 650-Seelen-Örtchen. Großmutter Marli Kugler, so ist dort zu lesen, mache sich besonders über diejenigen Gedanken, die weiter oben wohnen. "Die sind voll angestrahlt, mit 100 Prozent", glaube die 63-Jährige zu wissen, weil "80 Prozent der Studien auf der Welt sagen, dass es gefährlich ist. Dies werde bei uns totgeschwiegen", habe Kugler im Internet gelesen. Besonders auf der Seite von Jörn Gutbier von Diagnose-Funk.
Angst fressen Hirn auf
Ja wenn das schwarz auf weiß im Internet steht, besonders bei Diagnose-Funk, dann muss es ja wohl stimmen ... Nur, wäre es wirklich "totgeschwiegen" worden, wie konnte Kugler es dann im Internet lesen? Schwamm drüber. Hätte sich Oma allerdings pluralistisch informiert, sie müsste stutzig geworden sein. So hätte sie lesen können, dass schon 2014 in der Bayerischen Landeshauptstadt 6'500 der angeblich gefährlichen Antennen abertausende Münchener in den oberen Etagen gnadenlos verstrahlten und der Stadtrat dennoch 2017 das seit 2003 geltende Münchener Mobilfunk-Vorsorgemodell ersatzlos in der Mülltonne entsorgte. Für Kugler wären solche widersprechenden Informationen aber wohl nur Papperlapapp von Totschweigern gewesen. Sie glaubt lieber, was selbsternannte Experten aus Stuttgart Munkeln & Raunen. Warum ist das so? Weil von irrationalen Ängsten Befallene sich ungern eines Besseren belehren lassen möchten, denn damit müssten sie eine Fehlentscheidung eingestehen. Deshalb suchen Angsthasen bevorzugt nicht nach der "Wahrheit", sondern nach Bestätigung. Und niemand kann Omas auf der Suche nach Rechtfertigung ihrer irrationalen Ängste gegenüber Funkwellen hierzulande besser bedienen als Diagnose-Funk. So einfach ist das aus meiner Sicht. Doch Marli Kugler hält dagegen, ihr sei wichtig, dass sich "jeder über 18 in beide Richtungen" informieren solle. Prima Lippenbekenntnis! Hätte sie sich selbst an ihren eigenen Appell gehalten, den Merkur-Beitrag und dieses Posting gäbe es nicht und in Sittenbach würde der Haussegen gerade hängen.
Mindestens 140 Sendemastengegner mit Mobiltelefonen
Sich ihrer Sache sicher haben Kugler sowie rd. ein Dutzend Mitstreiter schon die "Bürgerinitiative Sittenbach" gegründet, und 284 Unterschriften zusammenbekommen, "drei Viertel davon habe ich persönlich gesammelt", betont sie laut Merkur. 144 hätten sich generell gegen den Masten und 140 für einen Standort zumindest außerhalb der Ortschaft ausgesprochen. Ein Funkmast außerhalb der Ortschaft ist freilich nur für funktechnische Laien eine Lösung. Warum mittendrin statt außen vor zweifellos klüger ist, könnte Frau Kugler - wollte sie es denn wahrhaben - hier nachlesen. Angenehmer Nebeneffekt: Stünde der Mast mitten im Sittenbach, der Verlust an Wohlbefinden, den die frischgebackene Mobilfunkgegnerin eigenen Worten zufolge nach nur fünf Minuten Handytelefonat spüren will, der wäre daheim wohl schlagartig für immer weg, weil ihr Smartphone dann nur noch mit kleinster Sendeleistung strahlen müsste.
Erst Kurz & bündig, dann Gutbier
Um den sozialen Frieden im Ort wiederherzustellen, holte sich die Gemeinde Thomas Kurz vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU). Er sollte zum Risiko Mobilfunk Rede und Antwort stehen. Das hat er auch getan, doch mehr als 25 Sittenbacher waren an unaufgeregt vorgetragenen belastbaren Informationen nicht interessiert. Ob Oma Kugler mit von der Partie war und somit Informationen aus der "anderen Richtung" tankte, darüber gibt Merkur leider keine Auskunft. Möglicherweise hatte sie keine Zeit, denn als Sprecherin ihrer Bürgerinitiative bemühte sie sich darum, Jörn Gutbier für eine "Informationsveranstaltung" in Gegenrichtung zu gewinnen. Das soll nicht einfach gewesen sein. Denn Gutbier sei "sehr gefragt", habe schließlich aber doch einen Auftritt am 28. September 2023 in Sittenbach zugesagt. Das Bürgerhaus wird dann erfahrungsgemäß gerammelt voll sein und sollte sich dies nicht abzeichnen, reisen notfalls ein paar organisierte Gegner aus der Umgebung von Odelzhausen zur Unterstützung an. Ich hoffe Simone Wester (Merkur) wird ebenfalls im Bürgerhaus sein und dann berichten. Denn Populist Gutbier wird es bestimmt wieder krachen lassen, als Baubiologe und Vereinsvorsteher von Diagnose-Funk muss er das tun, er unterliegt zwingenden Gründen, einen ganz anderen Auftritt hinzulegen als Thomas Kurz vom LfU.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –