Unabhängigkeit und Drittmittel (Allgemein)

caro, Montag, 08.12.2008, 12:11 (vor 5823 Tagen) @ Alexander Lerchl
bearbeitet von caro, Montag, 08.12.2008, 15:10

Aber schon in dem Moment, in dem Sie beispielsweise an einer Universität Drittmittel-Forschung betreiben, sind Sie nicht mehr unabhängig.

Ui, das ist aber ein ziemlicher Hammer, caro. Wenn also jemand für ein Projekt Drittmittel bekommt, ist er schon deswegen nicht mehr unabhängig, also abhängig? Meinen Sie das wirklich ernst? Sollten wir (Forscher) Ihrer Meinung nach alle Drittmittelprojekte sausen lassen und versuchen, mit den mageren Hausmitteln der Unis klarzukommen?

Das ist eine Diskussion, die schon lange und immer wieder gerne geführt wird, gerade in Zeiten, in denen die Unis knapp bei Kasse sind.
Ich habe bewusst die sprachliche Nuancierung gewählt: Nicht mehr unabhängig.
Das bedeutet nicht automatisch gleich eine schwere Abhängigkeit.
Sicherlich sollten Forscher nicht alle Drittmittelprojekte sausen lassen. Aber sie sollten sich der Problematik bewusst ein. Und manchmal täte es gut, genauer hinzuschauen, welche Drittmittelprojekte man annimmt und welche nicht.

Auch wenn Sie außerhalb der Unis für einen Auftraggeber Studien erstellen, gibt dieser Auftraggeber natürlich die Richtung vor. Und viel Geld kann da für manche durchaus eine Verlockung sein. Jeder muss selbst schauen, was er mit seinem Gewissen vereinbaren kann.

Auch diesem Statement ist in dieser allgemeinen Form nur zu widersprechen. Der Auftraggeber, wenn er redlich ist, gibt natürlich keine Richtung (der Ergebnisse) vor. Wenn er das doch machen sollte, ist er als Partner für mich (und hier spreche ich sicher für die allermeisten meiner Kollegen/Innen) disqualifiziert.

Je nachdem, wer Ihr Auftraggeber ist, hat er per se eigene Interessen. Die Pharmaindustrie beispielsweise wird Sie nicht beauftragen, die Schädlichkeit eines neuen Medikaments zu untersuchen. Man muss nicht explizit eine Richtung der Ergebnisse vorgeben. Man kann auch einfach eine Interessens-geleitete Frage stellen, die andere Fragen ausschließt. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Untersuchungs-Design. Und jeder Forscher sollte sich überlegen, ob er diese Frage beantworten will.

Ich persönlich bin nicht käuflich. Ich habe einmal eine Studie im Auftrag des Hessischen Justizministeriums erstellt. Dafür gab es allerdings kein Geld, es geschah im Rahmen meiner Diplomarbeit.

Sie argumentieren ungefähr so: ich bin nicht käuflich, sogar eine beauftragte Studie habe ich unentgeltlich durchgeführt. Leute, die Drittmittel annehmen, sind nicht unabhängig, sondern käuflich. Richtig?

Dass Ministerien oder andere Staatliche Stellen gelegentlich Universitäten oder in diesem Fall Max Planck-Institute beauftragen, ist üblich. Für solche Aufträge werden in der Regel Landesfördermittel eingesetzt, keine Drittmittel. Dass Universitäten oder Max Planck-Institute die Fragestellungen von Diplomanden bearbeiten lassen ist ebenfalls üblich.
So lange es sich um eine völlig offene empirische Fragestellung nach einem "Ist-Zustand" handelt, für die man alle Untersuchungsinstrumente selbst entwickeln kann, ist das super. Auch wenn die armen Diplomanden kein Geld dafür bekommen ;-)

Tags:
Fördermittel, Pharmaindustrie


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