Wie Italien 15 V/m auf alle Funknetzbetreiber gerecht verteilt (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 01.07.2024, 17:17 (vor 71 Tagen) @ H. Lamarr

Dort, wo Menschen sich länger als vier Stunden aufhalten können, gilt seit 29. April 2024 das neue Qualitätsziel (Vorsorgegrenzwert) von 15 V/m (zuvor 6 V/m). Aber was heißt das für einen Mobilfunkstandort, an dem mehrere Netzbetreiber Funkdienste anbieten? Sicher ist nur: Mehr als 15 V/m dürfen auch dann nicht z.B. in den Schlafräumen von Anwohnern ankommen.

An Standorten mit nur einem Netzbetreiber ist die Angelegenheit noch einfach. Der Netzbetreiber darf seine Antennen so auslasten, dass er die 15 V/m alleine voll ausschöpft. Was aber, wenn sich mehrere Betreiber den Standort teilen? Dann greift in Italien der "Grundsatz der gerechten Zuteilung".

Erlaubte Grenzwertausschöpfungen gemäß "Grundsatz der gerechten Zuteilung".
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Der "Grundsatz der gerechten Zuteilung" beruht auf dem Spektrum (Bandbreite), das ein Netzbetreiber bei der Lizenzvergabe ersteigert hat. Wer mehr Spektrum ersteigerte, hat dafür mehr Geld an den Staat überwiesen und wird dafür mit einer höheren zulässigen Grenzwertausschöpfung belohnt. Festgelegt ist dies seit eh und je in dem kostenpflichtigen italienischen Standard CEI 211-10.

Die Tabelle oben beschreibt die zugelassenen Grenzwertausschöpfungen für den Extremfall, dass sechs Funknetzbetreiber (vier Mobilfunk, zwei Internet) sich einen Standort teilen. Außerdem gilt die Annahme, dass an Ort und Stelle keine nennenswerte HF-EMF-Hintergrundimmission z.B. durch Rundfunksender auftritt. Trifft diese Annahme nicht zu, führt der Wert der Hintergrundimmission mutmaßlich zu einem Abzug von den genannten Grenzwertausschöpfungen, damit das Qualitätsziel von maximal 15 V/m auch dann eingehalten wird.

Branchenprimus Tim (Telecom Italia Mobile) darf gemäß Tabelle von den maximal 15 V/m mit 7,4 V/m den Löwenanteil ausschöpfen, dicht gefolgt von Vodafone mit 7,3 V/m. Die geringste Grenzwertausschöpfung wird den beiden Internetanbietern zugestanden, Fastweb darf 5,2 V/m in Anspruch nehmen, Opnet nur 2,6 V/m.

Werden alle sechs Grenzwertausschöpfungen quadratisch addiert und wird aus dem Summenwert die Quadratwurzel gezogen, lautet das Ergebnis wie zu erwarten 15 V/m.

Wie aber verhält es sich, wenn nicht alle sechs Netzbetreiber an einem Standort aktiv sind? Darüber gab mir das verlinkte Dokument in seiner stellenweise kryptischen Übersetzung ins Deutsche keine Auskunft. Doch aller Voraussicht nach werden dann ungenutzte Grenzwertausschöpfungen den aktiven Netzbetreibern entsprechend dem Verhältnis ihres Spektrumerwerbs zugeschlagen (siehe Tabelle), sodass die Summe der Immissionen aller aktiven Netzbetreiber am Standort wieder maximal 15 V/m beträgt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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