Avionik: Können 5G-Funksignale zu Bruchlandungen führen? (I) (Technik)
In den USA streiten zwei Bundesbehörden, die Luftfahrtbehörde FAA und die für Kommunikationssysteme zuständige FCC, um die Frage, ob die Funkhöhenmesser von Flugzeugen durch 5G-Signale im benachbarten Frequenzband (C-Band) gestört und bei automatischen Landungen Unfälle verursachen könnten. Schweizer Mobilfunkgegner versuchen aus der Situation Kapital zu schlagen, Fachleute winken ab und wie so oft geht es mehr darum, einen ausfindig zu machen, der für Kosten aufkommt.
Der Streit zwischen den US-Behörden schwelt schon, seitdem 2020 die FCC das C-Band für die Mobilfunknutzung frei gab. Nachdem das IZgMF mit einer kurzen Meldung auf das Problem aufmerksam machte, behauptete der Schweizer Anti-Mobilfunk-Verein Gigaherz postwendend, 5G-Mobilfunk-Sendeantennen würden die Zivilluftfahrt gefährden. Wie bei organisierten Mobilfunkgegnern üblich, wird der Sachverhalt dramatisch übertrieben und sachlich unqualifiziert dargestellt, um irrationale Ängste und Vorbehalte gegenüber Mobilfunk zu schüren.
Tatsache ist, das Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) hat am 13. Dezember 2021 mit einem "Safety Awareness Notification Data" (Sand) auf die geschilderte Problematik aufmerksam gemacht. Mit Sand bezeichnet das Amt sicherheitsrelevante Anleitungen und Empfehlungen an die Luftfahrtgemeinschaft. Im Gegensatz zu anderen sicherheitsrelevanten Publikationen - z.B. Lufttüchtigkeitsanweisungen (LTA) - haben diese Hinweise und Daten jedoch ausschließlich informativen Charakter; sie erscheinen dem Bazl dennoch wesentlich genug, um an interessierte Personen und Betriebe der Zivilluftfahrt weitergegeben zu werden. Gigaherz transformiert die informativen Hinweise des Bazl ungeniert hoch zur Warnung. Mit 5G hat das alles übrigens nur wenig bis nichts zu tun, denn weltweit werden Funklizenzen technologieneutral versteigert, kein Mobilfunknetzbetreiber ist verpflichtet, ersteigertes Spektrum im C-Band exklusiv mit 5G-Technik zu nutzen.
Wer sich über den Streit FAA vs. FCC keine Schauergeschichten von selbsternannten Experten erzählen lassen möchte, sondern an harten Fakten interessiert ist, dem kann Tom Wheeler weiter helfen. Wheeler war unter Barack Obama Chef der FCC, zuvor leitete er die CTIA, das ist der Verband der US-Telekomindustrie. Es ist also anzunehmen, der Mann weiß, wovon er redet. Tatsächlich plauderte Wheeler Ende November 2021 aus dem Nähkästchen und zeigt, worum es im dem Theater um die Höhenmesser wirklich geht – nämlich wieder einmal ums liebe Geld.
Anschließend die entscheidende Passage seines Artikels in deutscher Übersetzung:
[...] Die von Flugnavigationssystemen genutzten Frequenzen sowie das sogenannte C-Funkband sind international zugewiesen. In dem Frequenzzuweisungsplan liegt die aeronautische Frequenzzuweisung zwischen 4,2 und 4,4 Gigahertz (GHz). Einer der wichtigsten Verwendungszwecke der Luftfahrt-Frequenzzuweisung ist die Übertragung von Informationen zu und von Flughöhenmessern, insbesondere wenn diese unterhalb von 2500 Fuß arbeiten, um computergestützte Landungen zu erleichtern. Neben dieser Zuweisung wird das C-Band-Spektrum für 5G genutzt. In den USA ist die Nutzung des C-Bandes im Bereich zwischen 3,7 und 3,98 GHz genehmigt.
Die Fluggesellschaften und die damit verbundene Industrie warnen, dass 5G-Netze, die im C-Band betrieben werden, "das Potenzial haben, schädliche Störungen bei Funkhöhenmessern zu verursachen." Sie befürchten, dass die Funktechnik, die mit dem Höhenmesser verwendet wird, Signale, die aus einem anderen Teil des Spektrums überlagert werden (Störsignale), nicht angemessen herausfiltern kann. Als Reaktion darauf hat die FAA ein Special Airworthiness Bulletin (SAIB) herausgegeben, in dem Fluggesellschaften und Piloten aufgefordert werden, "auf die Möglichkeit vorbereitet zu sein, dass Interferenzen von 5G-Sendern und anderen Technologien zu Fehlfunktionen bestimmter Sicherheitsausrüstungen führen können." Die kanadische Regierung reagierte mit einer Einschränkung der C-Band-Nutzung in der Nähe von Flughäfen.
Zwei Worte sind in den Erklärungen der Fluggesellschaften und der FAA zentral. Die Fluggesellschaften sprechen von der "möglichen" Störung. Die FAA spricht [wie auch das Bazl; Anm. Postingautor] von der "Möglichkeit" von Störungen. Doch es liegt auf der Hand, dass die Sicherheit des Luftverkehrs es erfordert, selbst die "potenziellen" oder "möglichen" Probleme zu mindern. Es bedarf jedoch eines klaren Kopfes, um zu unterscheiden, was nur eine hypothetische Möglichkeit auf der Grundlage von Worst-Case-Annahmen ist und was auf der Grundlage der realen Nutzung sehr wahrscheinlich ist.
Hier ist das Fachwissen der FCC im Bereich der Frequenzverwaltung von entscheidender Bedeutung. Die FCC ist der nationale Schiedsrichter in Sachen Störung kommerzieller Funkdienste. Als solche sind die Ingenieure der Behörde daran gewöhnt, sich ständig mit der Entwicklung von einer Generation frequenzbezogener Technologie zur nächsten zu befassen. Diese Herausforderung wird noch dadurch erschwert, dass das nationale Interesse am technologischen Fortschritt mit den privaten Interessen der Hersteller und Nutzer von Geräten, die für eine andere Frequenzumgebung entwickelt wurden, in Einklang gebracht werden muss.
Was ist mit 5G und Höhenmessern passiert?
Die 5G-Technologie wird nach strengen Normen gebaut. Es gibt jedoch keine offiziellen Normen für Höhenmesser. Als die FCC an der Neuzuweisung von Teilen des C-Bandes für die Übertragung von 5G-Signalen arbeitete, war die Frage möglicher Interferenzen mit Funkhöhenmessern ein viel diskutiertes Thema. Es gab jedoch keine verbindlichen Höhenmesserstandards, an denen man sich orientieren konnte.
Die Luftfahrtindustrie legte eine Studie des Aerospace Vehicle Systems Institute (AVSI) vor, die den schlimmsten Fall einer 5G-Signalabstrahlung und deren Auswirkungen auf die Avionik simulierte. Die Analyse der AVSI-Studie durch die FCC ergab, dass es große Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Empfänger von Funkhöhenmessern zwischen verschiedenen Herstellern geben kann. Mit anderen Worten: Einige Höhenmesser waren mit Funkempfängern ausgestattet, die über gute Filter zum Schutz vor Störsignalen verfügten, während andere das Eindringen von Signalen von außerhalb der 4,2- bis 4,4-GHz-Zuweisung zuließen.
Ein 5G-Befürworter, T-Mobile, legte eine Studie des Ingenieurbüros Alion vor, in der die AVSI-Studie kritisiert wurde. Diese Analyse stellte fest, dass die in der Studie verwendeten Annahmen extrem sind und zu extremen Schlussfolgerungen führen. Darüber hinaus kam die Alion-Analyse zu dem Schluss, dass zwei der Test-Höhenmesser "aufgrund von Störungen durch andere Höhenmesser" und nicht aufgrund von 5G-Störungen ausgefallen waren. Nach Review dieser Studie teilte AVSI der FCC mit, dass "weitere Analysen erforderlich sind, um anspruchsvollere Ausbreitungsmodelle zu berücksichtigen."
Der Bericht und die Anordnung der FCC, das C-Band für 5G verfügbar zu machen, ging direkt auf dieses Problem ein. Die FCC-Ingenieure kamen zu dem Schluss, dass die AVSI-Studie nicht beweist, dass schädliche Interferenzen unter vernünftigen Szenarien wahrscheinlich wären oder sogar unter vernünftigerweise 'vorhersehbaren' Szenarien. Die FCC forderte die Luftfahrtindustrie auf, "die sich entwickelnde HF-Umgebung [Hochfrequenz] zu berücksichtigen". Mit anderen Worten: Wie Rollstühle, Herzschrittmacher und Hörgeräte [im nicht zitierten Beginn seines Artikels nennt Wheeler diese als Beispiele für Gerätschaft, die am Anfang der Digitalfunkära störanfällig waren; Anm. Postingautor] sollten sie erkennen, dass das, was in einer früheren Frequenzumgebung "gut genug" war, von der neuen Umgebung beeinträchtigt werden könnte.
Dennoch schuf die FCC ein Schutzband zwischen dem 5G-Spektrum und dem Avionikspektrum, in dem 5G verboten wurde. Boeing hatte in einer Eingabe an die FCC genau eine solche Lösung vorgeschlagen. Der Vorschlag von Boeing lautete, 5G "innerhalb des 4,1-4,2-GHz-Teils des Bandes" zu verbieten. Die FCC stimmte dem zu und verdoppelte daraufhin die Größe des von Boeing vorgeschlagenen Schutzbandes auf einen Interferenzpuffer von 220 MHz zwischen der oberen 5G-Nutzung bei 3,98 GHz und der Avioniknutzung ab 4,2 GHz.
Als die FAA ihr Bulletin herausgab, zog die 5G-Industrie den Start des C-Bandes zurück. Ursprünglich für den 5. Dezember geplant, wurde der Start des Dienstes im neuen Spektrum um 30 Tage verschoben.
Die Luftfahrtindustrie hat sich in einem Schreiben an den Nationalen Wirtschaftsrat des Weißen Hauses (NEC) verpflichtet, sorgfältig an der Entwicklung neuer Standards, Geräte und Lösungen zur Integration von Flugzeugen und Hubschraubern zu arbeiten. Interessanterweise hat das Weiße Haus laut einem Reuters-Bericht "das FAA-Sicherheitsbulletin überprüft, bevor es zur Veröffentlichung freigegeben wurde."
Fortsetzung in Teil II
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
gesamter Thread:
- Avionik: Können 5G-Funksignale zu Bruchlandungen führen? (I) -
H. Lamarr,
31.12.2021, 18:22
- Avionik: Können 5G-Funksignale zu Bruchlandungen führen? (II) - H. Lamarr, 31.12.2021, 18:40
- Warum der Gigaherz-Beitrag unqualifiziert ist -
H. Lamarr,
01.01.2022, 16:42
- Höhenmesserstreit aus Sicht der FAA - H. Lamarr, 05.01.2022, 10:10
- Warum der Gigaherz-Beitrag unqualifiziert ist - H. Lamarr, 20.01.2022, 00:16
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02.01.2022, 02:30
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