Zeitbombe in Mevissen/Schürmann-Review gefunden (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 07.12.2021, 21:14 (vor 940 Tagen) @ e=mc2

Wenn Biochemiker an der Dosimetrie scheitern

Es ist hinlänglich bekannt, dass einen großen Teil der biologischen Studien zu elektromagnetischen Feldern Mindestanforderungen an die Dosimetrie nicht genügen und deshalb nicht aussagekräftig sind. Es ist auch keine Überraschung, dass eine Übersichtsarbeit von zwei Biologen dieses Kriterium nicht sehr hoch gewichtet.

Spielverderber! :wink:

So eine Gemeinheit. Jetzt dachte ich auch als Zaungast mal was Bemerkenswertes gefunden zu haben und Sie bringen mir mein Kartenhaus mit nur zwei Sätzen zum Einsturz. Na gut. Aber: Unter HF-EMF-Wissenschaftlern mag das Dosimetrieproblem von Biologen durchaus bekannt sein, auf Laien dürfte dies jedoch nicht zutreffen.

Nachdem es jetzt schon fast wurscht ist, kann ich meine Fundstelle auch preisgeben. Es handelt sich um die Studie von Xing et al., 2016. Als Feldquelle wurde dort ein professioneller HF-Generator 83712A von Hewlett Packard (heute Keysight) verwendet, der gebraucht immerhin noch etwa 4000 Euro kostet. Das Gerät kann allerdings nur ein unmoduliertes HF-Trägersignal erzeugen (CW), also kein "echtes" gepulstes Mobilfunksignal. Im krassen Gegensatz dazu steht das Gerät, das zur Messung der EMF verwendet wurde. Das TES-92 ist ein Elektrosmog-Detektor der Billigklasse. Es ist hierzulande schon für etwa 120 Euro zu haben und die vom taiwanesischen Hersteller genannten technischen Daten sind gar nicht mal so schlecht. Ob sie auch stimmen steht auf einem anderen Blatt.

Als Antenne wurde eine nicht näher beschriebene flach liegende Planarantenne verwendet, auf deren Oberseite die Petrischalen zur Befeldung abgestellt wurden. Das bot sich an, lädt die tablettartige Oberfläche doch geradezu als Stellfläche ein (siehe Studie, Fig. 1B). Um reaktives und strahlendes Nahfeld und die daraus resultierenden Inhomogenitäten der Exposition kümmerten sich die Studienautoren jedoch nicht. Wäre bei 16,6 cm Wellenlänge aber höchst angebracht gewesen. Das gilt auch für die Messungen mit dem TES-92.

Die Autoren sehen dies anders und schreiben ganz ungezwungen:

The power densities of various electronic devices were tested by an EMR detector according to a previously reported method[22]. Briefly, a 50MHz~3.5GHz X-Y-Z 3-dimensional EMR potential detector TES-92 was placed close to the surface of various electronic devices and the intensity of microwave was recorded (peak reading of XYZ mode).

Meine Wertung dieser Dosimetrie: Niemand weiß, welcher Exposition die Zellkulturen in den Petrischalen wirklich ausgesetzt waren, am allerwenigsten die Autoren der Studie. Das hinderte sie jedoch nicht, ihre Messwerte auch schon mal auf 0,1 µW/m² genau anzugeben.

Aber das wirkliche Hauptproblem ist, dass die Bedeutung von oxidativem Stress von sogenannten Mobilfunkskeptikern verkannt wird. Das sind normale biologische Reaktionen wie schon eine kleine Recherche bei Wikipedia belegen würde. Das oxidative Gleichgewicht wird zum Beispiel durch Atmung, Sport und warme/kalte Temperaturen beeinflusst. Niemand würde deshalb auf die Idee kommen, das Atmen als Gesundheitsrisiko zu verbieten. Fakt ist, bei praktisch jeder Interaktion wird das oxidative Gleichgewicht beeinflusst. Ein Zuviel und ein Zuwenig sind langfristig ungünstig für die Gesundheit, kurzfristig aber absolut normal. Darum spricht man im Allgemeinen besser vom oxidativen Gleichgewicht und nicht vom oxidativen Stress.

Aus meiner Sicht verkennen die Geschäftemacher unter den Mobilfunkskeptikern die Bedeutung des oxidativen Gleichgewichts nicht. Für die ist der oxidative Stress nur ein willkommener Popanz, um mit etwas Neuem irrationale Ängste vor EMF bei Laien schüren zu können. So wie ab 2003 mit Salfords alarmierenden Studien zur angeblich unter EMF-Einwirkung porös werdenden Blut-Hirn-Schranke und davor, ab den 1960er-Jahren, die angeblich todbringende Schirmwirkung von Betonbauten gegenüber der "natürlichen" Befeldung aus dem All. Diese Leute verwursten zum eigenen Vorteil skrupellos alles, womit sich Ängste wecken und schüren lassen. Die müssen das tun, ihr Geschäftsmodell lässt ihnen keine andere Wahl.

Für Laien tönt "Stress" in erster Linie negativ [...]

Genau, und deshalb können Sie wahrscheinlich bis zum Jüngsten Tag darauf warten, dass ein Mobilfunkgegner vom oxidativen Gleichgewicht spricht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Dosimetrie, Geschäftemacher, Popanz, oxidativen Gleichgewicht


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